Unfalldatenspeicher: Protest gegen EU-Pläne für den "gläsernen Autofahrer"
Verbraucherschützer kritisieren die von der EU-Kommission geplanten Zulassungsregeln mit Überwachungsmodulen und Alcolocks scharf.
Der Entwurf der EU-Kommission für eine Verordnung über die "Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen" und eingebauten Sicherheitssystemen schießt nach Ansicht des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv) weit übers Ziel hinaus. Der Ansatz, die Verkehrssicherheit zu erhöhen sei zwar lobenswert. Der vorgesehene Einbau vernetzter Automatisierungssysteme gehe aber zu weit und könnte "das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung untergraben".
"Büchse der Pandora"
Die Verbraucherlobby kritisiert vor allem Artikel 7 des Entwurfs, wonach neue Fahrzeuge für die Zulassung mit einer "ereignisbezogenen Datenerfassung" ausgerüstet sein müssten. Diese Pflicht zum Einbau eines Unfalldatenspeichers öffne die "Büchse der Pandora", mahnen die Verbraucherschützer. Der Verbraucher werde zum "gläsernen Fahrer". Zur "aktiven Sicherheit im Straßenverkehr" trage ein solches Gerät dagegen "in keiner Weise bei". Es könne zwar im Nachhinein helfen, in Zweifelsfällen Haftungsfragen zu klären. Die von der Kommission nach vorne gerückte Präventionswirkung werde damit aber nicht erreicht.
Mit dem vorgeschriebenen Unfalldatenspeicher werde zudem der Grundstein gelegt für eine "massive Generierung von Daten", beklagt der vzbv. Diese dürften wiederum Begehrlichkeiten bei "allen beteiligten Akteuren" wecken – etwa Autobauer, Händler, Werkstätten oder Anbieter von Navigations- und Wetterdiensten. Unabhängig davon, bei welchem Akteur die Messwerte letztlich gespeichert würden, ergäbe sich daraus "ein gravierender Nachteil in Form eines Datenmonopols". Dem stünden "ernsthafte kartell- und datenschutzrechtliche Bedenken gegenüber".
Missbrauchsgefahr
Der kritisiert Artikel des EU-Vorschlags ist dem Verband zufolge auch zu unbestimmt, da er auch das unbeschränkte Aufzeichnen und Sammeln "sonstiger relevante Eingabeparameter für die bordseitigen aktiven Sicherheits- und Unfallvermeidungssysteme" erlaube und damit "der Missbrauchsgefahr Tür und Tor" öffne. Sinnvoll und erforderlich sei dagegen ein Fahrmodusspeicher beim "hoch automatisierten Fahren". Dieser archiviere allein die Positions- und Zeitangaben, soweit ein Wechsel der Steuerung zwischen Mensch und einem "Autopiloten" erfolge. So lasse sich später nachvollziehen, wer am Zug gewesen sei.
Darüber hinaus will die Kommission eine Reihe weiterer Sicherheitssystem für alle Fahrzeuge vorschreiben. Dazu gehören neben Geschwindigkeits- oder Notbremsassistenten etwa Vorrichtungen zum Erkennen von Fahrermüdigkeit oder Ablenkungen. Auch der Einbau alkoholempfindlicher Wegfahrsperren (Alcolocks), den die schwarz-rote Koalition ebenfalls befürwortet, soll verbindlich werden.
Derlei Systeme bergen laut dem vzbv grundsätzlich die Gefahr, dass damit teils hochsensible personenbezogene Daten erhoben werden. Schon heute überwachten Kfz über Sensoren ständig Parameter wie Motordrehzahl, Tankfüllstand oder Kühlmitteltemperatur und könnten über eine standardisierte On-Board-Schnittstelle ausgelesen werden. Beim automatisierten Fahren werde sich die Masse der erhobenen Daten etwa über das Umfeld noch deutlich vergrößern. Die Nutzer könnten damit dank der geforderten Überwachungstechniken bald "in höchst privaten Angelegenheiten lückenlos kontrolliert werden".
Über eine Verknüpfung der Fahrzeug-Identifizierungsnummer mit dem Kennzeichen oder andere elektronische Identifikationsformen sei "selbst bei zunächst ausschließlich technischen Daten ein Personenbezug zum Halter und Eigentümer möglich", sorgen sich die Verbraucherschützer. Solche Möglichkeiten stünden in direktem Widerspruch zu verbrieften Grundrechten. Da mute es seltsam an, dass die Kommission nur allgemein erwähne, dass der Vorschlag Auswirkungen etwa auf den Erhalt der Privatheit haben könnte und die Verweise auf die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) wachsweich blieben. (vbr)