Die moderne Auto-Überwachung: Fahrzeugdiagnose mit OBD 2

Seite 3: Sonderausstattung einfach freischalten?

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Die Fahrzeughersteller nutzen die Vernetzung der zahlreichen Steuergeräte, mit denen sämtliche Einrichtungen gesteuert und überwacht werden, für die eigene Fehlersuche und Fahrzeugkonfiguration. Alle verbauten Sensoren und Aktoren werden von Mikrocontrollern gesteuert und können überwacht werden. Liefert ein Sensor unplausible Daten, liegt vermutlich ein Fehler im Sensor oder der Verkabelung vor. Zieht ein Motor zu viel Strom, klemmt er wahrscheinlich fest. Diese Daten haben nicht unbedingt Einfluss auf die Abgaswerte, helfen aber Fehler zu finden und vereinfachen die Reparatur. Von daher sammeln die Steuergeräte diese Fehler und Daten und geben sie über ein herstellereigenes Diagnosesystem nach außen weiter.

Weil die OBD-2-Buchse sowieso schon vorhanden ist und auch die Protokolle sinnvoll und bereits implementiert sind, läuft auch die herstellereigene Diagnose darüber. Allerdings nutzt jeder Hersteller eigene Befehle und Kommandos, die nicht normiert sind. Sie sind zwar gemäß Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verpflichtet, diese Informationen zu veröffentlichen, um freien Entwicklern und Werkstätten den Zugang zu ermöglichen, kommen dieser Vorgabe aber nicht nach oder stellen lächerlich reduzierte Daten zur Verfügung, für die hohe Gebühren verlangt werden.

Neben der Diagnose bieten die OEM-Protokolle weitere spannende Möglichkeiten. Ein Großteil der Fahrzeugkonfiguration erfolgt nämlich nur über das Setzen und Löschen von Konfigurations-Bits in den Steuergeräten. So kann der Hersteller ein und dasselbe Auto nicht nur an die Zulassungsbedingungen einzelner Länder anpassen, sondern sich zahlreiche Ausstattungen versilbern lassen. Gurtwarner, Hupen oder Fenster öffnen/schließen beim Abschließen, Abstandswarner, Tempomat, Komfortblinker, APB (Automatic Parking Brake), Start/Stopp-Automatik und viele weitere Merkmale sind in vielen aktuellen Fahrzeugen theoretisch vorhanden. Denn die dafür notwendigen Sensoren und Aktoren sind immer verbaut und es wäre zu viel Aufwand, die Software in den Steuergeräten passend zu programmieren, zu testen und zuzulassen. Wer an die Informationen herankommt, kann sein Auto gehörig aufmotzen oder individuell und günstig an die eigenen Vorlieben anpassen, in dem er die Funktionen freischaltet.

Damit der Kunde weiterhin an die Vertragswerkstatt gebunden wird, ist zudem ein Long-Live-Ölwechsel, das manuelle Freibrennen des Katalysators, der Wechsel von Bremsbelägen oder gar der simple Austausch einer Starterbatterie ohne spezielle Diagnosesoftware nicht mehr möglich.Auch für all diese Aufgaben gibt es Diagnosegeräte im freien Handel, die vieles Versprechen aber oft nicht einhalten. Aufgrund der Komplexität, gehen wir nicht weiter darauf ein. Sie sollten aber im Hinterkopf behalten, dass es einen Unterschied zwischen OBD-2 und OEM-Diagnose gibt und die Möglichkeiten der genormten und einfachen Diagnose sich auf ein eingegrenztes Gebiet beschränken.

OBD-2 ist für Endverbraucher risikofrei nutzbar, denn es dürfen per Norm keine gefährlichen Situationen oder Schäden durch den Zugriff entstehen und sämtliche diesbezüglichen Horrormeldungen im Internet sind unbelegt. Eventuell blinken ein paar Warnleuchten, aber das muss nach einem Neustart verschwinden – andernfalls hat der Fahrzeughersteller gepfuscht. OBD-2 ist explizit dazu gedacht, dass jeder Zugriff auf die Daten haben kann und auch die Form, wie Diagnosesoftware Daten erst nach Rückfrage löschen darf, ist geregelt. Selbst während der Fahrt darf man Daten auslesen und dies darf nicht das Fahrzeugverhalten beeinflussen. Sie müssen lediglich darauf achten, dass sie dabei nicht abgelenkt werden oder das Diagnosegerät den Fahrer behindert – beispielsweise weil der Stecker im Fußraum sitzt.

Anders sieht es freilich bei der herstellereigenen Diagnose aus, deren Nutzung ebenso legal ist. Damit ist es aber beispielsweise durchaus je nach Auto möglich, ein einzelnes Rad abzubremsen – auf der Autobahn sicher keine gute Idee. Aber auch hier gilt, dass nicht alles machbar ist. Die Mär von der Möglichkeit, den Airbag darüber auszulösen hält sich hartnäckig, ist aber frei erfunden.

Für mehrere Tausend Euro greifen Tuningexperten in die Kennfelddaten im Motorsteuergerät ein und holen noch etwas mehr raus. Möglich ist das, weil die Motorenhersteller Toleranzen bei der Herstellung und dem späteren Betrieb berücksichtigen müssen. Der gleiche Motor muss mit sauberen und dreckig-wässrigen Sprit im kalten Norden und der heißen Wüste fahren und es verkraften, wenn er im fünften Gang die Berge hochgewürgt wird.

Auf gar keinen Fall ist Tuning für 5 Euro möglich, bei dem ein quietschbuntes Kästchen einfach in die OBD-Buchse gesteckt wird. Versprochen werden damit mehr Leistung oder weniger Spritverbrauch, neuerdings auch gleichzeitig, wenn man nur lang genug unterwegs ist. Dazu soll angeblich das Kennfeld optimiert werden. Abgesehen davon, dass so ein Eingriff einer Zulassung bedarf, ansonsten verlieren Sie nicht nur den Versicherungsschutz, ist es technisch gar nicht möglich, so ein Gerät universell zu konstruieren.

Solche Tuning-Stecker sind reiner Nepp

(Bild: Schäffer)

Eine exemplarische Analyse der massenhaft angebotenen Modelle ecoOBD2 und nitroOBD2 zeigt, dass es sich um Betrug handelt, denn die verbaute Technik ist gar nicht in der Lage, Daten an ein Steuergerät zu senden und lässt lediglich die LEDs phantasievoll blinken. Auch andere und teurere Geräte dürften Nepp sein.

Über OBD II ist grundsätzlich kein Tuning möglich, denn das Protokoll sieht das nicht vor. Über andere Protokolle könnte es machbar sein, ist aber unwahrscheinlich. Noch immer bauen die Profis meistens die Motorsteuergeräte (Engine Control Unit, ECU) aus und müssen aufwendig an die Speicherbausteine ran.

Was allerdings über die Diagnosebuchse viel zu oft möglich ist, ist der Zugriff auf die Wegfahrsperre, um ein Auto schnell und einfach zu klauen. Es kann sich lohnen, im Internet zu recherchieren, ob das bei Ihrem Fahrzeug der Fall ist. Dann können Sie die Buchse stilllegen oder sich einen abschließbaren Aufsatz kaufen. Auch hierzu gibt es zahlreiche Anleitungen und Angebote, wobei der Nutzen der Schlösser fraglich ist, wenn man sich vor Augen hält, wie schnell Einbrecher Türschlösser knacken.

Betrügerische Autoverkäufer nutzen ebenfalls die Diagnoseschnittstelle, nicht aber die OBD-2-Protokolle, um den Kilometerzähler zu manipulieren, um bei einem Verkauf höhere Preise zu erlangen oder beim Leasing weniger draufzahlen zu müssen, wenn die im Kilometervertrag vereinbarte Laufleistung überschritten wurde. Geeignete Geräte sind problemlos für rund 150 Euro erhältlich.

(fls)