Wie man günstig offroad fährt

Seite 2: Wo wir hinfahren, brauchen wir keinen Schnee

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Es ist bemerkenswert, dass Leuten zur Verbesserung der Traktion sofort Allradantrieb einfällt, aber oft Verwunderung herrscht über Vorschläge billigerer Alternativen. Der Legende nach soll es etwa Reifenprofile geben, die losen Grund besser greifen als typische Straßenbereifung. Eine sehr verbreitete, billige und teils sogar verpflichtende Technik, die Traktion auf losem Grund temporär zu verbessern, sind Schneeketten. Die gibt es ab 20 Euro und trotz ihres Namens funktionieren Schneeketten nicht nur im Schnee, sondern auch zum Beispiel im Matsch. Sie werden dann nur danach nicht einfach durch Trocknen wieder sauber. Wenn Sie Schneeketten im Schlamm missbrauchen, werden sie nicht lange halten. Es lohnt sich also nicht, die supergeilen Geräte für 500 Euro zu kaufen, weil die nicht 25-mal so lange halten wie welche für 20 Euro. Uns sind zuletzt am Vorarlberg sehr teure Bus-Schneeketten auf ebener, schneebedeckter Fahrbahn gerissen. Es ist nur eine Frage der Zeit, des Glücks. Ich lasse mir schlaue Schnellaufziehmechanismen etwas extra kosten und schaue ansonsten, dass ich günstig wegkomme, damit ich einen zweiten Satz kaufen kann.

Mit dem wunderbaren Citroen C4 Cactus auf einem alpinen Schotterpass. Très bien, aber beachten Sie, wie ich Traktion herstellte: Schneeketten statt Allradantrieb. Sie rissen natürlich nach einigen Kilometern.

(Bild: Clemens Gleich)

Ein weiteres, vergleichsweise günstiges Stück Technik, das wir immer dabeihaben: Funkgeräte. Ein blöd stehender Berg kann ausreichen, um Sie vom Mobilfunknetz abzuschneiden, und verwöhnt von den Alpen vergessen wir manchmal, dass es nicht überall Mobilfunk gibt (zum Beispiel bei mir am Haus nicht). Die Funkgeräte sind auf kurze Distanz fast immer zu gebrauchen, kosten wenig und sind für den blinden Einhandbetrieb gebaut, was für einen Smartphone-Touchscreen nicht gilt. Das Funkgerät bringt natürlich nur etwas, wenn Sie den wichtigeren Part ebenfalls mitnehmen in die Einsamkeit: andere Menschen.

Im Bild: Funkgerät. Nicht im Bild: Sebastian. Eines dieser zwei Dinge ist wichtiger in der Wildnis.

(Bild: Clemens Gleich)

Wenn Sie möglichst risikoarm etwas lernen wollen, dann fahren Sie nicht alleine in die Wildnis. Ich tendiere selber zum Einzelgang und fahre dennoch schwierige Touren nicht alleine. Schwierige Touren können zum Einstieg Strecken sein, die Ihnen später banal vorkommen. Schwierige Strecken können Strecken sein, die Ihnen zum Einstieg banal vorkamen, wenn das Wetter dreht. Das gilt vor allem in extremen Gebieten wie Hochgebirgen, wo Wetterinfos kein Small Talk sind, sondern den Unterschied zwischen Spaziergang und Lebensgefahr machen. Deshalb bestimmt dort nicht "der Plan" (tm) den Tag, sondern das Wetter.

Offroadpark Langenaltheim, ein ehemaliger Kalksedimentsteinbruch. Sehr schönes Gelände mit kniffligen Trial-Passagen

(Bild: Clemens Gleich)

Die beste Variante sind natürlich Offroad-Parks, von denen es leider gar nicht so viele gibt. Ansonsten: Deutschland ist dicht besiedelt und die meisten Waldwege sind nur für Fahrzeuge des Forstbetriebs erlaubt. Bei Feldwegen sieht es zwar gebietsweise anders aus, sie sind jedoch als Zufahrten für die Landwirtschaft da, was sie bedingt tauglich macht für Experimente. Wenn es also eine Schlechtwegstrecke nahe daheim sein soll, gibt es eine gute Orientierung der Eifelbewohner: "Geh halt keinem auf die Nerven." Was geht Leuten auf die Nerven? Das können Sie nur wissen, indem Sie mit den Leuten sprechen. Wenn Sie nicht mit den Leuten Ihres Umfelds sprechen möchten, rate ich davon ab, durch den Dreck dieses Umfelds zu fahren. Matschige Wege sehen vielleicht nicht so aus, brauchen bei Benutzung aber Wartung, damit sie befahrbar bleiben. Also hat der Waldpächter gute Gründe, den Verkehr zu minimieren.

Das letzte Stück des Col de Sommellier, den Sie hier schon häufiger trafen, weil ich es dort so schön finde. Solche Strecken gibt es in den Alpen einige, in den ferneren. leereren Pyrenäen sogar noch sehr viel mehr.

(Bild: Sebastian Bauer)

Eine sehr beliebte, fahrerisch meist einfache und traumhaft schöne Variante sind die vielen alten Schotterstrecken in den Alpen oder, wenn Sie wirklich weit weg wollen: den Pyrenäen. Viele Strecken sind in der Sommersaison geöffnet, fangen unten als einfache Feldwege an und werden progressiv schwieriger, mit Geröll und Auswaschnungen oben. So können Sie jederzeit abdrehen, wenn es Ihnen zu arg wird oder die Schneeketten/Reserveräder ausgehen. Diese Strecken sind nicht wie Asphaltstraßen. Sie müssen vor jeder Fahrt recherchieren, ob (und welche) KFZ aktuell erlaubt sind, ob die Strecke offen ist, wie eine eventuelle Maut geregelt wird. Ein guter Anhaltspunkt für die Alpen ist die Seite Alpenrouten.de, wo es sich eingebürgert hat, dass User die aktuellen Streckendaten in die Kommentare schreiben, nachdem sie dort waren. Das ersetzt nicht die Recherchen vor Ort, hilft aber bei der Planung vorab, genau wie die Beachtung der Großwetterlage. Bei starkem Regen etwa können Teile der Strecken weggewaschen werden oder ein Erdrutsch über die Fahrbahn gehen. Die Prognose für die Zukunft lautet, dass so etwas mit steigender Frequenz passiert, weil das die Alpen zusammenhaltende Permafrost-Eis langsam schmilzt.

Weniger spektakulär als die Alpen, aber ähnlich lohnend: In den Vogesen gibt es sehr viele legale Strecken ohne Asphalt. Hier mit Hondas fettem, aber netten Croissanttourer, geht aber natürlich auch mit dem Corsa.

(Bild: Ralf Zimmermann)

Schlechtwegstrecken fahren ist ein wunderbares Hobby. Es ist sogar gar nicht so sitzend wie andere Autohobbies, weil Sie ständig aussteigen und bergsteigen müssen, um Situationen einzuschätzen (Sitzenbleiber werden schnell Liegenbleiber). Bei der beliebtesten Variante in schöner Gebirgsumgebung eine Bitte, die das Fahren für uns alle erhalten soll: Bleiben. Sie. Auf. Den. Wegen. Ich weiß, dass da vorne jemand Anderes schon eine Spur reingefahren hat. Sein Beispiel sollte uns nicht locken, sondern anmahnen, wie schnell die erosionsschützende Bepflanzung weggerissen ist. Auch wenn Sie es nicht (ein-)sehen, gibt es meistens gute Gründe für die Wegführungen. In Island etwa sehen die Wüstenuntergründe neben der Strecke vom Cockpit oft genauso aus wie die auf der Strecke. Warum soll ich da nicht reinfahren? Weil die Untergründe eben nicht gleich sind, schon rein aufgrund der Befahrung. Wenn alle kreuzdiquer durchs Gelände fahren, werden solche Strecken gesperrt, und wer kann es den Locals verdenken? Island will aufforsten, Alpengebiete wollen Erosion vermindern, Förster wollen Waldwege sanft erhalten. Bleiben wir gute Gäste.

Einer der schönsten Aspekte des Hobbys: An Orte fahren, zu denen man zu faul zum Laufen gewesen wäre.

(Bild: Sebastian Bauer)

(cgl)