Dürfen Händler eine Kulanzzusage widerrufen?

Immer wieder gibt es zwischen Händlern und Verbrauchern Streit wegen der Kosten, die im Rahmen einer Mängelbeseitigung entstehen. Wir erklären, welche Rechte Kunden und Händler haben.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Wenn Produkte kurz nach Ablauf der Garantiezeit kaputt gehen, erwarten die meisten Kunden eine Reparatur auf Kulanz. Und immer mehr Händler gewähren sie auch. Während Händler sie als eine freiwillige Leistung betrachten, glauben die Verbraucher, dass sie ein Recht darauf haben. Wie die juristische Lage tatsächlich aussieht, erklärt Rechtsanwalt Thomas Feil im Exklusiv-Interview mit heise resale.

Sind Garantie- und Gewährleistungsansprüche des Kunden nach Ablauf der gesetzlichen Frist automatisch erloschen, auch wenn das Produkt mehrfach defekt ist? Oder verlängern sich seine Ansprüche, solange das Gerät nicht wirklich ordentlich repariert wurde?

Thomas Feil: Die Rechtslage ist leider nicht so einfach. Grundsätzlich "erlöschen" die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche mit dem Ende der Verjährungsfrist. Allerdings muss sich der Verkäufer auf die Verjährung ausdrücklich berufen, damit diese Einrede greift.

Wenn eine Reparatur im Rahmen der Gewährleistung nicht erfolgreich war, entstehen die gesetzlichen Gewährleistungsrechte neu. Wurde das Produkt neu geliefert und nicht nur repariert, beginnt auch die Verjährung neu. Dies wird allerdings nicht von allen Gerichten so gesehen.

Dagegen wird bei einer Beseitigung eines Mangels dann von einem Neubeginn der Verjährung ausgegangen, wenn derselbe Mangel wieder auftritt oder es sich um eine Folge einer mangelhaften Nachbesserung handelt. Dies kann im Einzelfall zu einer erheblichen Verlängerung der Verjährung führen.

Darf ein Händler, der Kulanz gewährt, diese einfach widerrufen?

Thomas Feil: Da die Kulanz gesetzlich nicht geregelt ist, kommt es auf die vertraglichen Vereinbarungen an. Haben sich Verkäufer und Käufer auf eine kulanzweise Bearbeitung eines Mangels geeinigt, entsteht – ohne entgegenstehende vertragliche Regelung – eine vertragliche Verpflichtung. Diese kann nicht einfach widerrufen werden. Ein solches Widerrufsrecht müsste ausdrücklich vereinbart sein.

Darf ein Hersteller dem Händler vorschreiben, ob er bzw. inwieweit er in Zusammenhang mit seinen Produkten Kulanz gewähren darf?

Thomas Feil: Ein Hersteller könnte mit seinen Händlern vertraglich vereinbaren, wie ein Fall der Kulanz in Zusammenhang mit den Produkten abgewickelt wird. Ohne vertragliche Vereinbarung gibt es keine rechtliche Grundlage für eine Einflussnahme des Herstellers auf den Händlern, wie dieser Kulanzfälle bearbeitet. Kulanz „muss“ ein Händler nicht gewähren.

Ist Kulanz aus rechtlicher Sicht nicht mit einer "Schenkung" gleichzusetzen? Diese kann ja theoretisch rückgängig gemacht werden.

Thomas Feil: Die Aussage, dass Kulanz im rechtlichen Sinn eine "Schenkung“ ist, hängt wieder von der Frage ab, was Verkäufer und Käufer im Einzelnen vereinbart haben. Ansonsten kann eine Schenkung nur unter sehr engen gesetzlichen Voraussetzungen rückgängig gemacht werden, beispielsweise gemäß § 528 BGB bei Verarmung des Schenkers. In der Praxis dürften diese Fälle für Händler nicht zutreffen.

Thomas Feil ist seit 1994 als Rechtsanwalt in Hannover tätig. Er ist Fachanwalt für IT-Recht und Arbeitsrecht. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehört auch das Vergaberecht.

Unter welchen Voraussetzungen kann der Händler die Kulanz widerrufen und wie sollte er dabei vorgehen?

Thomas Feil: Wie oben ausgeführt, kann eine Kulanz nur widerrufen oder rückgängig gemacht werden, wenn eine klare vertragliche Regelungen getroffen werden. Es sollte gegenüber den Kunden auch möglichst schriftlich erklärt werden, dass die Leistungen im Rahmen der Kulanz ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz erfolgen. So wird vermieden, dass später der Kunde eine Kulanzleistung in ein Anerkenntnis eines Gewährleistungsanspruchs umdeutet.

Wie sollte ein Kunde reagieren, dessen Händler die Kulanzleistung widerruft und eine nachträgliche Zahlung der Leistung fordert? Darf er die Rechnung einfach ignorieren, weil er ja eigentlich nicht verpflichtet ist, sie zu bezahlen?

Thomas Feil: Auch die Frage, welche Kosten im Rahmen der Kulanz abgerechnet werden können, sollte im Vorfeld entweder mündlich, noch besser schriftlich vereinbart werden. Sind die Regelung unklar oder ungenau, haben auch Juristen bei der rechtlichen Bewertung später Schwierigkeiten, zu einem „klaren Ergebnis“ zu kommen. Im Zweifel wird bei einer Leistung im Rahmen einer Kulanz davon auszugehen sein, dass keine Kosten berechnet werden. (Marzena Sicking) / (gs)
(masi)