Karriere ohne Schleimspur

Charakter zeigen und trotzdem Erfolg haben - geht das? Ja, aber nur, wenn man das passende Unternehmen für sich findet.

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Von
  • Marzena Sicking

Karriere macht nur, wer sich anpasst? Diese Regel ist überholt, sagt Diplompsychologe und Buchautor Christoph Burger. Wie man erfolgreich sein kann, ohne sich zu verbiegen, beschreibt er in seinem neuen Buch "Karriere ohne Schleimspur“. Wir haben ihn zu einem Interview getroffen.

"Wir haben nicht laufen gelernt, um ihm Job zu kriechen“. Ein wunderbarer Satz aus Ihrem Buch. Aber geht er nicht komplett an der beruflichen Realität vorbei?

Burger: Nein, denn zum einen nehmen die Chancen für gut Qualifizierte in den nächsten Jahren immer mehr zu – dank Fachkräftemangel. Zum anderen gilt für alle: Wer das wichtigste Handwerkszeug so anwendet, wie ich es im Buch beschreibe, dem eröffnen sich interessante Möglichkeiten.

Diplompsychologe Christoph Burger ist seit 15 Jahren erfolgreich als Karriereberater, Führungskräftecoach und Trainer tätig. Der Querdenker aus Leidenschaft lehrt an der Universität Mannheim und bloggt unter www.christophburger.de

Ihr Ratschlag lautet, sich nicht zu verbiegen, sondern die Karriere auf dem eigenen Charakter aufzubauen. Für konfliktscheue Ja-Sager ist das sicher einfacher als für Leute, die Ihre Meinung offen vertreten....

Burger: Ich würde sagen, dass konfliktscheue Ja-Sager keinen Charakter haben… aber Sie haben natürlich Recht: Je ausgeprägter der Querkopf, desto leichter eckt er an. Solche Persönlichkeiten müssen erstens daran arbeiten, für sich selbst ganz klar zu wissen, was sie wollen und warum. Das kann bis zum Hinterfragen der eigenen Bedürfnisse gehen – eine bewährte Methode, diese heraus zu finden, ist im Buch erläutert. Wer in dieser Weise selbstbewusst auftritt, macht es anderen leicht. Zweitens müssen starke Persönlichkeiten geschickt kommunizieren. Aber wenn man sich zuvor hinterfragt hat, ist das gar nicht mehr so schwer.

Querdenker werden allerdings vom Chef selten wegen Ihrer Kreativität geschätzt, sondern eher als Querulant abgestempelt. Wie genau schafft man es denn, seine Meinung zu vertreten und dennoch Karriere zu machen?

Burger: Ob der Chef eher den Querulanten oder den Kreativen sieht, hängt davon ab, wie der sich darstellt. Zunächst Klarheit über sich selbst zu gewinnen, sodann klar zu kommunizieren und sich mit vielen guten Bewerbungen Optionen in weitere Richtungen zu eröffnen – das ist das Rezept.

Sie sagen, dass eines der Geheimnisse darin liegt, die eigenen Stärken zu kennen und sich entsprechend zu verhalten. Das Problem im beruflichen Alltag ist doch aber eher, dass der Chef die Stärken des Angestellten nicht kennt oder falsch einsetzt...

Burger: Ja, das ist ein gängiges Thema. Der Angestellte kann allerdings geschickt auf seine Wünsche aufmerksam machen und hat dann gute Chancen auf den richtigen Arbeitsplatz. Dazu gehört beispielsweise auch, einen Wechsel auf gleicher Hierarchieebene anzustreben, wenn die Stärken in der neuen Stelle besser zur Geltung kommen. Dazu kommt immer auch, einen Wechsel in ein anderes Unternehmen ins Auge zu fassen.

Wie genau findet man den Job, der zum eigenen Charakter passt?

Burger: Zunächst muss man den eigenen Charakter erkennen. Das ist gar nicht so einfach, sondern erfordert die richigen Hilfsmittel. Eine Option ist beispielsweise das gezielte Befragen von Bekannten oder die Vorbereitung einer Autobiographie. Welche meiner Erlebnisse sind typisch und zeigen mich als Person? Was sagen andere immer über mich? Solche Übungen helfen weiter. Danach kommt das Festlegen motivierender Leitsterne und die Zielformulierung. Wenn die Vorbereitung steht, geht es in Richtung Arbeitsmarkt. Vielleicht ist eine Weiterbildung erforderlich in einem anderen Fall muss ein Unternehmenswechsel her – oder es reicht schlicht ein Gespräch mit dem aktuellen Chef, das löst sich ganz individuell.

Und was sollte man tun, wenn man Persönlichkeit gezeigt und bewiesen hat und es mit der Karriere dennoch nicht klappen will?

Burger: Wer wirklich alle Tipps aus meinem Buch ausgeschöpft hat und nicht weiter kommt, sollte sich persönliche Hilfe bei erfahrenen und kompetenten Beratern holen. Hier kann genauer bestimmt werden, wo es hängt und wie man den Hänger am besten beseitigt. Den Erfolg kann keiner garantieren, denn es ist nicht allen alles möglich. Aber meist gibt es schon nach zwei bis drei Treffen wichtige Erkenntnisse, die eine nachhaltige und positive Entwicklung einleiten.

Ist für Querdenker der Weg in die Selbstständigkeit die eigentliche Lösung?

Burger: Nicht unbedingt. Werteorientierte Unternehmen mit flachen Hierarchien können genauso interessant sein. Aber die Selbständigkeit ist eine interessante Option. Wohin es am Ende geht, hängt letztlich von der einzelnen Persönlichkeit ab. (masi)