Test: Kawasaki Z 900

Die Z 900 ist nicht ohne Grund beliebt. Kawasakis Modellpflege geht nun die Kritikpunkte Sitzhöhe, Schlupfregelung, Cockpit und Service-Intervalle an.

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Test: Kawasaki Z 900

Die beliebte Kawasaki Z 900 im Test

(Bild: iga)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Für die Saison 2020 hat Kawasaki seinen Bestseller Z 900 gründlich überarbeitet, auch wenn die optischen Unterschiede nicht auf Anhieb auffallen. Kawasaki setzt vor allem an den Kritikpunkten der vergangenen Jahre an: die niedrige Sitzhöhe, fehlende Schlupfregelung, veraltetes Cockpit und kurze Service-Intervalle. Mit dem neuen Modelljahr sind diese Schwachstellen beseitigt.

Die Kawasaki Z 900 hält sich seit Jahren in den Top 5 in den deutschen Verkaufscharts, vor allem wegen ihres attraktiven Preis-Leistungsverhältnisses. Das Naked Bike aus der Kategorie "Streetfighter" ist zwar sehr aggressiv designt und nicht jedem muss der japanische Manga-Comic-Look gefallen, aber bei der Mehrheit der Motorradfahrer kommt er offensichtlich gut an. Für 2020 wurde die Optik leicht retuschiert und die Elektrik auf den aktuellen Stand gebracht.

Der Scheinwerfer wurde noch etwas kantiger und mit LED-Leuchtmittel ausgestattet, flankiert von seitlichem Tagfahrlicht. Auch die Blinker verfügen nun über LED-Lampen. Der knappe Windschild erhielt eine neue Form, das gleiche gilt für die Kühler-Cover, das Heck, den Bugspoiler und den vorderen Kotflügel, doch die Z 900 ist immer noch auf Anhieb als solche erkennbar. An Elektronik und Ergonomie hat Kawasaki ebenfalls nachgearbeitet. Gründe genug für einen Test.

Beim Vorgängermodell (Test Kawasaki Z 900) war der Abstand zwischen Sattel und Fußrasten für viele Fahrer zu knapp, Kawasaki schraubt nun die bisher im Zubehör angebotene höhere Sitzbank serienmäßig an. Damit steigt die Sitzhöhe von 780 auf 820 mm, was auch für eher klein gewachsene Fahrer immer noch akzeptabel ist und bei langen Piloten zu einem entspannteren Kniewinkel führt.

Kawasaki Z 900 (6 Bilder)

Für 2020 hat Kawasaki seinen Bestseller Z 900 gründlicher überarbeitet, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Aber eines blieb: Das fast unschlagbare Preis-Leistungsverhältnis.

Tatsächlich ist die Sitzposition durch den geänderten Sattel nun mehr nach vorne orientiert, ein wenig angriffslustiger. Der flache Lenker hat sich nicht geändert, er liegt immer noch gut zur Hand. Ein kurzer Druck auf den E-Starter und der 948 cm3 große Motor bollert spontan vor sich hin. Allerdings läuft er im kalten Zustand mit erhöhter Leerlaufdrehzahl von fast 2000/min, was in den Ohren des Fahrers bedenklich klingt. Dabei gibt sich Kawasaki alle Mühe, den Geräuschpegel aus dem voluminösen, mattschwarz lackierten Schalldämpfer zu reduzieren, denn als Fahrgeräusch stehen 75 dB in den Papieren.

Die Kupplung lässt sich mit nur einem Finger ziehen und der erste Gang rastet hörbar, aber präzise ein. An den mechanischen Innereien des 125 PS starken Reihenvierzylinders hat Kawasaki nichts geändert, weil es nicht nötig war. Die Laufkultur des Vierzylinders ist vorbildlich, er dreht ab Standgas rasant hoch, zeigt sich durchzugsstark und ohne Einbrüche im Drehzahlband. Selbst Tempo 50 im sechsten Gang akzeptiert er klaglos und läuft dabei seidenweich.

Seine Höchstleistung erreicht der Motor bei 9500 Touren, doch wenn es sein muss, dreht er auch locker bis 11.000. Lediglich bei 6000/min sind ganz feine Vibrationen spürbar, die aber darüber wieder abklingen. Das Spurtvermögen der Kawasaki ist beeindruckend, Tempo 100 erreicht sie in 3,3 Sekunden.

Die Z 900 ist der Beweis dafür, dass Naked Bikes mit 150 und mehr PS keinen wirklichen Vorteil auf Landstraßen und im Alltag bieten. Die Kawasaki wiegt vollgetankt 212 kg und gibt sich erfreulich handlich. Sie folgt willig allen Impulsen, die über den breiten Lenker eingeleitet werden, sticht präzise in die Kurve und selbst Nachkorrigieren in Schräglage nimmt sie nicht übel.

Sehr sensible Naturen werden den Übergang vom Schiebebetrieb ans Gas als leicht ruppig monieren, was aber in der Praxis kaum Einflüsse auf das Fahrwerk hat. Die akustische Untermalung reicht vom knurrigen Grollen zum heiseren Röhren, wobei die Lautstärke sich in völlig akzeptablen Grenzen hält.

An der Agilität der Z 900 gibt es nichts zu mäkeln, einzig der 17-Liter-Tank dürfte ruhig etwas schmaler ausfallen, um den Kniekontakt zum Bike zu verbessern, aber das ist eigentlich auch nur für Leute interessant, die unbedingt im Hanging-off-Stil durch die Kurve segeln wollen. Der Rahmen wurde im Bereich der Schwingenachse verstärkt und die Fahrwerksgeometrie veränderte sich: Der Radstand wurde um fünf Millimeter auf 1455 Millimeter verlängert, die Gabel steht mit 65,1 Grad ein halbes Grad flacher und der Nachlauf wuchs um sieben auf 110 Millimeter.

Die Federelemente vorne und hinten bleiben in Vorspannung und Zugstufe einstellbar, eine Druckstufenverstellung ist nicht vorhanden. Die Grundabstimmung der Z 900 ist den Entwicklern gut gelungen, echte Schwachstellen sind während des Tests nicht festzustellen, zumal die nun serienmäßigen Dunlop Sportmax Roadsport 2 sehr schön mit der Kawasaki harmonisieren. Sie ist nicht übertrieben hart gedämpft, doch straff genug für satte Kurvenlage, verdaut aber auch klaglos holprige Nebenstrecken, ohne den Fahrer zu sehr durchzuschütteln. Ein Aufschaukeln in Kurven oder bei hohen Geschwindigkeiten ist ihr völlig fremd.

Neu an der Z 900 ist die Schlupfregelung KTRC (Kawasaki Traction Control). Bei immerhin bis zu 99 Nm Drehmoment ist der Einsatz einer Schlupfregelung durchaus sinnvoll. Auch erhielt die Z 900 nun verschiedene Fahrmodi. In "Rain", "Road" und "Sport" sind die Parameter fest vorgegeben, aber im vierten Fahrmodus "Rider" können sie selber gewählt werden. Allerdings ist die Bedienung des Menüs nicht gerade intuitiv und erst nach dem Studium der Betriebsanleitung durchschaubar. Im „Rain“-Modus wird die Leistung spürbar gekappt, der Unterschied zwischen "Road" und "Sport" liegt vor allem in der spontaneren Gasannahmen und dem späteren Eingreifen der KTCR.

Kawasaki Z 900 im Detail (9 Bilder)

An den mechanischen Innereien des 125 PS starken Reihenvierzylinders hat Kawasaki nichts geändert. Die Laufkultur des Vierzylinders ist vorbildlich, er dreht ab Standgas willig hoch, zeigt sich durchzugstark und ohne Einbrüche im Drehzahlband.

Im "Rider"-Modus ist KTRC in drei Stufen einstellbar und für Freunde des gepflegten Driftens sogar abschaltbar. Dann gehen auch Wheelies mit Leichtigkeit von der Hand, die Power der Z 900 hebt das Vorderrad ohne größere Spielereien mit der Kupplung vom Asphalt. Unterstützung beim Runterschalten findet der Fahrer in der Anti-Hopping-Kupplung, die mit geänderten Kupplungsfedern versehen und noch besser dosierbar wurde. Was wir uns für die nächste Modellpflege wünschen würden, wäre ein Quickshifter, um die Gänge ohne Kupplungseinsatz durchladen zu können.

Die beiden vorderen Vierkolben-Bremszangen von Nissin und die 300-Millimeter-Bremsscheiben arbeiten vorzüglich und – ebenso wie das nicht einstellbare ABS – recht feinfühlig. Im Extremfall müssen sie die Z 900 aus der Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h zum Stillstand bringen, was wohl die wenigsten Fahrer ausprobieren werden. Dabei verrichtet der kleine Windschild auf der Frontmaske bis etwa Tempo 160 sein Werk erstaunlich effektiv, erst darüber beginnt der anbrandende Sturm den Helm durchzuschütteln.

Überhaupt ist der Komfort auf der Z 900 höher als vermutet, auf der Sitzbank schmerzt auch nach drei Stunden Tour noch kein Muskel und selbst die leicht nach vorne geneigte Sitzposition ist entspannt, da der Fahrtwind den Oberkörper entlastet. Nur der Sozius hat auf dem kümmerlichen hinteren Sitzkissen nicht viel zu lachen. Bleibt noch zu erwähnen, dass der Vierzylinder mit 4,8 Liter auf hundert Kilometer sehr gemäßigte Trinksitten zeigt und eine theoretische Reichweite von 354 Kilometer ermöglicht.

Das Cockpit wechselt endlich von LCD zum zeitgemäßen TFT-Display. Sehr lobenswert ist, dass Kawasaki nicht den Fehler begeht und das bunte Display überfrachtet. Sowohl die Geschwindigkeit als auch die Drehzahl lassen sich klar ablesen sowie alle anderen Informationen wie Ganganzeige, Fahrmodus, Benzinstand, Kilometerzähler, Kühlwassertemperatur, Tageszeit und die anwählbaren Infos bezüglich Restreichweite, Durchschnittsverbrauch und -geschwindigkeit, Gesamtfahrzeit, Uhrzeit und Batteriespannung ohne Lesebrille erkennbar sind.

Ein ganz großes Sicherheitsplus: Das Menü lässt sich jetzt endlich vom Lenker aus bedienen, also ohne die Hand vom Griff nehmen zu müssen, um im Cockpit auf Knöpfe zu drücken. Ab diesem Modelljahr ist die Z 900 auch per Bluetooth mit dem Smartphone kompatibel, vorausgesetzt die "Rideology"-App von Kawasaki wurde heruntergeladen. Auf dem TFT-Display werden dann Anrufe und der Eingang von E-Mails angezeigt und umgekehrt lassen sich Informationen des Motorrads auf dem Smartphone abrufen.

Kawasaki bietet die Z 900 für 9460 Euro an. In Anbetracht des 125 PS starken, exzellenten Motors, eines souveränen Fahrwerks und nun auch zeitgemäßer Elektronik ist sie ein sehr günstiges Angebot. Die Länge der Service-Intervalle verdoppelte Kawasaki von 6000 auf 12.000 Kilometer, was Unterhaltskosten spart. Die Z 900 wird in drei Farbvarianten angeboten und im Kawasaki-Zubehör findet der Kunde diverse nette Extras wie z. B. eine Soziussitz-Abdeckung, eine höhere Scheibe, Achsen-Protektoren, USB-Steckdose und Akrapovic-Schalldämpfer, wahlweise aus Titan oder Kohlefaser-Kunststoff.

Die Kawasaki Z 900 bleibt ein hochattraktives Motorrad, das in fast jeder Kategorie überzeugen kann. Im Preis-Leistungs-Verhältnis ist sie kaum zu schlagen und durch die Überarbeitungen wurde sie nochmal aufgewertet. Zurzeit ist die Z 900 das zweitmeistverkaufte Motorrad in Deutschland und daran wird sich so schnell nichts ändern.

Hersteller Kawasaki
Modell Z 900
Motor und Antrieb
Motorart Otto
Zylinder 4
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 948
Leistung in kW (PS) 92 (125)
bei U/min 9500
Drehmoment in Nm 99
bei U/min 7700
Antrieb Dichtringkette
Getriebe Sequenzielles Schaltgetriebe
Gänge 6
Fahrwerk
Radaufhängung vorn Upside-down-Gabel; Federweg in mm: 120
Radaufhängung hinten Schwinge mit Zentralfederbein; Federweg in mm: 140
Reifengröße vorn 120/70-17
Reifengröße hinten 180/55ZR17
Bremsen vorn Doppelscheibe, 300 mm; Vierkolben-Festsattel
Bremsen hinten Einzelscheibe, 250 mm; Zweikolben-Festsattel
Lenkkopfwinkel in Grad 65,1
Nachlauf in mm 110
Maße und Gewichte
Radstand in mm 1455
Gewicht leer in kg 212
Tankinhalt in Litern 17
Sitzhöhe in mm 820

(fpi)