VW Taigo 1.5 TSI im Fahrbericht: Keine Experimente

VW stellt T-Cross und T-Roc einen weiteren Konkurrenten in die Schaufenster. Der Taigo bleibt technisch frei von Überraschungen, was so beabsichtigt ist.

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VW Taigo

(Bild: press-inform)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Ein VW-Händler, der das komplette Sortiment seiner Marke auch nur ansatzweise präsentieren will, braucht schon etwas Platz. Lange vorbei die Zeiten, in denen mit Polo, Golf und Passat der überwiegende Teil der Kundenwünsche gedeckt war. VW ist in den Markt der SUVs einst zögerlich eingestiegen, doch mittlerweile gibt es kein Halten mehr. Mit dem Taigo kommt nun der neunte Ableger auf den Markt, und die Frage muss erlaubt sein, welche Lücke er eigentlich füllen soll. Eine erste Ausfahrt, so viel sei schon verraten, klärt diese Frage nicht restlos.

Der Taigo basiert auf dem bislang kleinsten VW-SUV, dem T-Cross. Allerdings ist er mit rund 4,27 m ähnlich lang wie der kürzlich überarbeitete T-Roc. Die Form mit der flach verlaufene Heckscheibe soll vermutlich Kunden einsammeln, die die Kombination aus SUV und Coupé sinnvoll und/oder formschön finden. Ganz praktisch betrachtet eignet sich der Taigo für den Transport eines Kühlschranks etwas wenig als ein T-Roc. Mit 445 Litern ist das Volumen unter der Laderaumabdeckung allerdings identisch. Auch das Platzangebot weiter vorn ähnelt sich stark.

Modern, innovativ und frech gestaltet – all das ist die Inneneinrichtung des Taigo nicht. VW bedient sich hier der sattsam bekannt-konservativen Linie, die es in dieser Form in unterschiedlichsten Verpackungen aus dem Konzern gibt. Die Materialauswahl ist schlicht, die Verarbeitung routiniert, die Sitze weit verstellbar und bequem auch auf langen Strecken. Nachgelassen hat VW bei einer Tugend, die einst kennzeichnend war: Früher war jedes Modell intuitiv und ohne größere Störfaktoren zu bedienen. Inzwischen muss sich der Kunde ein wenig überlegen, wie er sich das Auto zusammenstellt.

VW Taigo (11 Bilder)

Sie sehen den neuen VW Taigo mitten ...

Die stets aufpreispflichtige Klimaautomatik wird auch in diesem VW über Wischfurchen bedient, was funktional nicht komplett überzeugt. Immer mal wieder muss ein Befehl wiederholt werden, was den Eindruck verstärkt: Optisch modern, im täglichen Umgang eher hinderlich. Auch die große Ausbaustufe vom Navigationssystem wird nur über einen Berührungsbildschirm bedient – auch das ist in der Praxis nicht immer ein Fortschritt. Zum Glück bleibt den Taigo-Fahrern der Touch-Quatsch am Lenkrad immer erspart.

Der Kunde hat zudem die Wahl: Die serienmäßige, manuelle Klimaanlage wird wie seit über 20 Jahren mit drei Drehreglern gesteuert. Wer die weniger überteuerte Variante des Wegweisers wählt, hat Knöpfe für Lautstärke und Zoom – und sich rund 1000 Euro gespart. Die könnte er beispielsweise in das große Glasdach investieren, das sich auch öffnen lässt.

Überraschungen bleiben auch unterwegs aus. Fahrwerk und Lenkung entnimmt VW dem bekannten Baukasten, und es gibt keinen Anlass, das zu kritisieren. Der Kompromiss, den der Konzern hier gefunden hat, ist gut gelungen. Das Ansprechverhalten der Dämpfer liegt über dem Klassenschnitt, die zielgenaue und präzise Lenkung wissen viele erst zu schätzen, wenn sie es einmal deutlich schlechter erlebt haben. Ein adaptives Fahrwerk bietet VW nicht an, vermisst haben wir es nicht. Die Fahrmodi verschieben die Gangwechsel und das Ansprechverhalten des Gaspedals ein wenig – die Zielgruppe wird es vermutlich kaum täglich verändern.

Erstaunlicherweise bleiben in diesem brandneuen Auto auch im Antriebsbereich die Überraschungen aus. VW verzichtet mit einem Hinweis auf die preissensible Kundschaft auf jegliche Elektrifizierung des Antriebsstrangs. Das ist schon eine kühne Wette darauf, dass sich auch weiterhin massenhaft Kunden finden, die das mittragen. Hier macht sich bemerkbar, dass der Taigo zwar eine neue Hülle, die technische Basis aber schon seit einiger Zeit auf dem Markt ist.

Das Antriebsangebot des Taigo besteht aus einem Einliter-Dreizylinder, der mit 70 oder 81 kW antritt und einem 1,5-Liter-Vierzylinder mit 110 kW. Letzterer war im Testwagen eingebaut. Er ist stets mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe verschraubt, das im stärkeren Dreizylinder gegen Aufpreis zu haben ist. Der Taigo ist mit dem Vierzylinder erwartungsgemäß fast überreichlich gut versorgt. Das SUV ist mit dieser Maschine bei Bedarf flott unterwegs, das Werk verspricht 8,3 Sekunden im Sprint auf Tempo 100 und 212 km/h Spitze. Dabei gehört die Maschine akustisch zu den weniger nervenden. Im WLTP nennt VW 6,1 Liter.

Die meisten Ansprüche dürfte bereits der 81-kW-Benziner abdecken. Nach Erfahrungen in Skoda Fabia (Fahrbericht) und VW Polo empfehlen wir jedoch, die beiden Dreizylinder einmal direkt zu vergleichen. Im Fabia fiel die stärkere Variante mit einer lästigen Anfahrschwäche unangenehm auf, im 70-kW-Polo war davon kaum etwas zu spüren. Leider gibt es die schwächere Ausführung im Taigo derzeit nicht in Verbindung mit dem Doppelkupplungsgetriebe. Wer nicht selber schalten mag, muss deshalb mehr als 3000 Euro drauflegen.

Ohnehin ist die Preisliste nichts für preissensible Menschen. Das Basismodell erscheint mit 19.350 Euro noch halbwegs fair kalkuliert, doch VW verfährt hier rigoros: Ein anderer Motor oder etwas mehr Ausstattung sind nicht zu haben, und wer auch nur etwas mehr haben will, zahlt drastisch drauf. Der Wunsch nach einer Automatik verschiebt den Einstiegspreis auf fast 26.000 Euro, wer den 110-kW-Motor für nötig erachtet, ist schon bei über 30.000 Euro angekommen – ohne weitere Extras, versteht sich.

VW hat damit gleich drei Modelle, die mit ähnlicher Ausstattung und vergleichbar motorisiert auch beim Preis ungefähr auf einer Höhe sind. Bislang sind das Massenmodelle, weil sie die Erwartungen der Zielgruppe ganz offenkundig ziemlich exakt erfüllen. Der VW-Händler vor Ort steht jedoch nicht nur vor der Aufgabe, noch etwas Platz im Schauraum zu schaffen, sondern auch zu erklären, was die Kandidaten unterscheidet. Vielleicht reicht aber auch eine weitere Hülle, um zusätzliche Kundschaft anzulocken. Die weiß, was sie hier bekommt und auch, für welche Wünsche sie zur Konkurrenz wechseln muss.

(mfz)