iPhone-Akkutausch – Service-Anbieter im Test

Seite 2: Warum Apple bestimmte iPhones drosselt

Inhaltsverzeichnis

Viele Besitzer älterer iPhones können ein Lied davon singen: Der Akku ihrer Geräte hält nur noch wenige Stunden durch und macht oft ausgerechnet dann schlapp, wenn sie das Smartphone zum Chatten, Telefonieren oder Fotografieren brauchen. Immer öfter schalten sich iPhones einfach ab.

Im Dezember kam nun heraus, dass Apple den Prozessortakt in einigen iPhones sogar bewusst reduziert, wenn der Akku einen gewissen Abnutzungsgrad erreicht. Frecherweise hat das Unternehmen dies anfänglich verschwiegen und dann nicht als Fehler kommuniziert, sondern als Feature angepriesen.

Etliche Besitzer der iPhones 6, 6 Plus, 6s, 6s Plus und SE beklagten bis Anfang letzten Jahres, dass ihre iPhones sich gelegentlich einfach abschalten, insbesondere beim Wechsel von warmer in kalte Umgebung. Apple reagierte mit einem Update: iOS 10.2.1 brachte Verbesserungen mit, um das Auftreten von unerwartetem Ausschalten zu reduzieren. Stolz berichtete das Unternehmen von einem Rückgang des Effektes um 70 bis 80 Prozent, verschwieg aber, zu welchem Preis: Erst im Dezember 2017 wurde bekannt, dass diese „Verbesserungen“ vor allem darin bestanden, die Prozessorleistung der betroffenen iPhones zu reduzieren. Nur durch den Einbau eines neuen Akkus gelangen sie wieder zur ursprünglichen Performance zurück.

Weil Apple seine Kunden im Unklaren über die Verlangsamung gelassen hat, haben sich einige von ihnen möglicherweise ein neues Gerät statt eines neuen Akkus gekauft. Besonders pikant: Manche waren vorher mit ihrem erlahmten iPhone im Apple Store, wo eine Diagnose-Software festgestellt hat, dass der Akku noch nicht getauscht werden muss und somit auch nicht von Apple getauscht wird.

Unser iPhone 6s fiel in der Kälte auf verheerende 600 MHz CPU-Takt ab, wie die App CPU DasherX meldet.

Immerhin hat sich Apple entschuldigt. Nicht nur für das Heruntertakten selbst, sondern auch für die mangelnde Kommunikation. Apple beteuert, niemals absichtlich etwas getan zu haben oder zu tun, was die Lebensdauer eines seiner Produkte verkürzt, um neue Geräte zu verkaufen.

Das klingt glaubwürdig und nimmt all jenen Verschwörungstheoretikern den Wind aus den Segeln, die Apple grenzenlose Gewinnsucht unterstellen. Als kleine Wiedergutmachung bietet Apple bis Dezember 2018 für alle betroffenen iPhones den Akkutausch für 29 statt 89 Euro an – dazu gleich mehr.

iPhones arbeiten mit Lithium-Polymer-Akkus, die wie andere Lithium-Ionen-Akkus einem chemischen Alterungsprozess unterworfen sind. Mit der Benutzung sinkt nicht nur die Kapazität (also die Menge des gespeicherten Stroms), sondern steigt auch der Innenwiderstand (Impedanz) eines Akkus, wodurch dessen maximale Entladungsstromstärke abnimmt.

Der Akku kann dann eventuell nicht die Leistungsspitzen liefern, die CPU und GPU kurzfristig (etwa bei Spielen, bei der Bildbearbeitung oder beim Foto-Blitz) einfordern. Der Innenwiderstand eines Akkus nimmt bei geringer Ladung oder bei kalten Temperaturen ebenfalls zu – allerdings nur vorübergehend.

Bekommt der Prozessor nicht genug Power geliefert, schützt iOS die Komponenten vor dem Spannungsabfall, indem es das ganze Gerät herunterfährt. Damit es nicht zu einer solchen Situation kommt, reduziert Apple die Taktrate bei betroffenen Geräten, wenn der Akku schwächer wird. Diese „Energiesparfunktion“ wurde im Januar 2017 mit iOS 10.2.1 für die Geräte iPhone 6, 6 Plus, 6s, 6s Plus und SE eingeführt. Für das iPhone 7 und 7 Plus kam sie mit iOS 11.2.0.

Doch wann ist ein Akku so schwach, dass die Bremse greift? An der Zahl der Ladezyklen oder den prozentualen Kapazitätseinbußen allein liegt es nicht, wie unsere Tests ergeben haben: Ein iPhone 6s mit 301 Ladezyklen und 1393 (von ursprünglich 1715) mAh Restkapazität war nicht betroffen, ganz anders als ein Gerät gleichen Typs mit nur 235 Zyklen und verbliebenen 1505 mAh.

Apple legt nach eigenem Bekunden eine Kombination aus der internen Temperatur, der Restkapazität und dem Innenwiderstand des Akkus als Auslöser zugrunde. Die Impedanz bekommt man aber mit keinem uns bekannten Programm angezeigt, womit dem Anwender nicht alle notwendigen Parameter offenliegen.

Hat die Verlangsamung bereits stattgefunden, erkennt man sie subjektiv an einer gewissen Klebrigkeit beim Scrollen und App-Handling. Neben allgemein trägeren Reaktionen, längeren App-Startzeiten, Ruckeln beim Scrollen und etwas geringerer Lautsprecherlautstärke kommt es zu allgemein niedrigerer Rechenleistung bei Spielen und anspruchsvollen Apps.

Nicht betroffen sind laut Apple die Mobilfunk-, GPS- und Ortungsdienste, die Sensoren wie Gyroskop, Beschleunigungsmesser und Barometer, die Foto- und Videoqualität sowie Apple Pay.

Auch das Anstöpseln eines leistungsstarken iPad-Ladegeräts bringt keine Besserung. Der von uns zu dem Thema befragte iOS-Code-Experte Guilherme Rambo erklärt das so: „Auch während des Ladens bezieht das Gerät seinen Strom vom Akku.“ Dieser ist für das Abfangen von Spannungsspitzen immer selbst verantwortlich.

Erst nach zahlreichen Sammelklagen hat Apple mit iOS 11.3 nachgebessert: Das Update schaltet eine bereits gesetzte Drosselung erst einmal ab – bis der Schutz vor dem unerwarteten Abschalten wieder automatisch greift. Wird der Prozessor wieder gebremst, erhält der Nutzer nun eine Mitteilung und kann die Drosselung in den Einstellungen abschalten – ist der Akku schwach, kann die iPhone-Zwangsausbremsung aber jederzeit erneut aktiv werden.

Laut Apple ist das Heruntertakten gegenwärtig auf die Modelle iPhone 6, 6 Plus, 6s, 6s Plus und SE ab iOS 10.2.1 sowie iPhone 7 und 7 Plus ab iOS 11.2 beschränkt. Man prüfe allerdings, ob das „Energiesparfeature“ auch auf weitere Geräte angewandt wird, heißt es in einer Erklärung vom 20. Dezember. Vermutlich geht es hier um spätere Modelle ab dem 8er, deren Akkus jetzt noch nicht die chemische Alterungsgrenze erreicht haben dürften.

Um Apples Aussage zu überprüfen, haben wir den ganzen im Laufe der Jahre angesammelten Mac & i-Geräte-Zoo auf Takteinbußen durchgetestet, darunter ein iPod touch 6, iPhones 4, 4s, 5, 5c, 5s, 6, 6 Plus, 6s, 6s Plus, 7 Plus, 8 und 8 Plus sowie die iPads 2, 3, 3 UMTS, Air, 9,7" und Pro 12,9" 2017. Erfreulich: Außer den von Apple genannten Geräten fiel keines negativ auf.

Der bei der Entdeckung des Skandals beteiligte Guilherme Rambo lieferte uns auch dafür eine plausible technische Erklärung: „Vermutlich benötigen ältere Geräte ohnehin keine so dramatischen Spannungsspitzen“.

Ab dem iPhone 6 habe Apple zwar den Leistungshunger der CPU und GPU erhöht, aber nicht den Akku vergrößert. „iPads haben im Vergleich zu iPhone riesige Akkus“, wodurch sie weniger anfällig gegen Spannungsspitzen sind. Übrigens war in unseren Tests auch keines der vier Plus-Modelle betroffen, obwohl eines beachtliche 544 Ladezyklen hinter sich hatte: Ihre Akkus haben erheblich mehr Kapazität als die der Geräte ohne Plus im Namen.

Bei iPhone X, iPhone 8 und iPhone 8 Plus hat Apple offenbar Verbesserungen vorgenommen, die ein unerwartetes Abschalten der Geräte verhindern sollen. Diese "Hardware-Updates" ermöglichen ein verbessertes Power-Management, durch das iOS ein unerwartetes Abschalten "vorhersehen und vermeiden" betonte der Hersteller im Februar gegenüber US-Politikern.