Differenzial 2.0

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GKN präsentierte bei dieser Gelegenheit auch die Kombination des Twinster-Systems mit ihrem E-Antrieb für die Hinterachse, der für Autos mit Verbrenner-Frontantrieb gedacht ist. PSA verwendet diesen E-Antrieb ohne Twinster zum Beispiel seit einiger Zeit in ihren Diesel-Hybrid-Modellen, Volvo verbaut eine stärkere Version im aktuellen Volvo XC90. Wie bei PSA treibt auch bei den Schweden der Dieselmotor nur die Vorderräder an. Die Hinterräder treibt der Elektromotor über ein Eingang-Untersetzungsgetriebe an. Es gibt keine mechanische Kopplung beider Achsen mehr außer die der Straße. Übersteigt die Raddrehzahl den sinnvollen Bereich des E-Motors in der Gegend von 120 km/h, kuppelt ihn eine Klauenkupplung komplett von der Hinterachse ab. Dasselbe passiert, wenn der Permanentmagnet-Motor nicht geschleppt werden soll, zum Beispiel beim Abschleppen des Autos.

Zu interessant für ein Familienauto

Statt eines offenen Differenzials und der Klauenkupplung bietet GKN ihren E-Antrieb für die Hinterachse mit den beiden Torque-Vectoring-Kupplungen an. Bisher gibt es noch kein Serienfahrzeug, dass den "eDrive Twinster" getauften Antrieb verwendet, GKN hat aber einen Volvo XC90 zum Vergleich damit ausgestattet. Der 60-kW-Elektromotor legt über ein zehnfach übersetztes Getriebe maximal 2400 Nm an die Achsen, was der Auslegung der Kupplungen entspricht. Wie bei den Systemen in Evoque oder Focus RS verteilen die beiden Kupplungen Antriebs- und Schleppmomente so auf die Abtriebswellen, dass der Fahrer beim Lenken unterstützt wird und länger außerhalb des ESP-Regelbereichs bleibt.

Um zu zeigen, was das System kann, hatten es GKNs Ingenieure jedoch auf Werte eingestellt, die Volvo so wohl nie im Familienauto XC90 verkaufen würde, weil sie zu interessant sind. Erstens verbesserte sich wie beim Evoque das Handling des XC90 frappant; das nicht abschaltbare ESP griff viel seltener ein. Wirklich erstaunlich war jedoch, dass dieser Elefant von Auto plötzlich 180° des großen Schnee-Kreisverkehrs im Drift fuhr, sobald man ihn sanft dazu aufforderte. Es war, als würde Ottfried Fischer plötzlich im Staatsballett tanzen wie ein junger Russe.

Letztendlich zeigt der Evoque genauso wie der Elefant oder der RS dasselbe: Diese Torque-Vectoring-Systeme sind auch guten mechanischen Sperrdifferenzialen fahrtechnisch überlegen, ESP-simulierten Differenzialsperren sowieso. Denn ESP oder das Torsen-Differenzial korrigieren einen Fehler, der bereits passiert ist. Systeme wie der Twinster dagegen agieren schon im Voraus. Sie vermeiden Traktion stehlende Fehler. Sie machen also nicht nur sicherer, sondern auch schneller. Da es Torque Vectoring im Großserienbau jetzt seit 20 Jahren gibt, interessieren uns auch Langzeit-Erfahrungen der Leser mit der Funktion über die Zeit und die Laufleistung. Schreiben Sie Ihre Erfahrungen an autos@heise.de. (cgl)