Energiekosten für Elektroautos: Wie teuer wird der Fahrstrom noch?

Seite 2: Kundentarife und Heimlader

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Porsches Tarif schützt den Kunden mit einem Kostendeckel bei 39 Cent und keinerleit Zeitkosten, auch keine Blockiergebühren. Dazu kommen garantiert kostenlose Porsche Destination Charger (bei Tesla entscheidet der Betreiber, ob das etwas kostet), günstige Ionity-Preise und Porsche-eigene Schnelllader. Taycan-Fahrer können also getrost ohne weitere Tarife vom Händlerhof fahren.

Zudem befreien praktisch alle Hersteller Neuwagenkunden 1 bis 3 Jahre von den Grundgebühren. Die Herstellerangebote gelten jedoch nur für die eigenen Neufahrzeug-Kunden, bei denen die Hersteller gewillt sind, den Verlust beim Stromverkauf anderweitig zu kompensieren, denn, wir erinnern uns: Meistens laden die Leute ohnehin daheim.

Porsche Taycan an Fastned: Auf 1700 Kilometern die einzige Ladesäule, die nicht im Porsche-Roaming enthalten ist, und die fuhr ich absichtlich an, um den Ladepark zu sehen. Porsche-Kunden können also ruhig sehen, wie weit sie mit dem Herstellerangebot kommen. Es ist sehr kundenfreundlich gestaltet.

(Bild: Clemens Gleich)

Doch die wenigsten privaten Autokäufer kaufen neu, und das wird sich auch bei E-Autos wieder so normalisieren, wenn die Kaufprämien dereinst verebben. Wer einen gebrauchten Wagen kauft, ist bei EnBW/ADAC gut aufgehoben, hat aber meistens noch mindestens eine andere Option: den Energieversorger. Viele Energieversorger kümmern sich besonders um Elektroauto-Kunden. Da es so viele engagierte kleine Firmen gibt, lohnt es sich, zuerst lokale Energieanbieter auf Fahrstromtarife abzuklopfen. Die Schlagwörter lauten eher "Mobilität" oder "Elektromobilität" als "Fahrstrom". Bei den lokalen kleinen Anbietern geht es meistens schneller, einen Experten vom Fach zu fragen, als im Internet durchzuklicken. Es gibt einfach zu viele kleine, gute Betriebe mit kleinen, nicht so guten Websites. Ein nicht so kleines Beispiel mit nicht so schlechter Website: Hamburg Energie bietet im Einzugsgebiet Ladesäulenstrom für 29,5 ct / kWh an – keine Grundgebühr.

Einige Empfehlungen sind bundesweit verfügbar. Wer von der EnBW Strom bezieht, erhält Mobility+ ohne Grundgebühr. Lichtblick-Kunden erhalten einen Ladestromtarif mit kWh-Preisen wie Mobility+, allerdings ohne Blockiergebühr und inklusive Ionity für 39 Cent/kWh – mehr als fair. Achtung jedoch: Im europäischen Ausland kostet die kWh dann 89 Cent. Maingau Energie berechnet Stromkunden 28 Cent (AC) und 38 Cent (DC) plus Blockiergebühren von 10 Cent/Minute ab 4 Stunden (AC) beziehungsweise einer Stunde (DC). Ionity kostet 75 Cent/kWh, kann aber zumindest über diesen Tarif abgerechnet werden. Es gibt den Maingau-Tarif ("EinfachStromLaden") auch für Fremdkunden, dann kostet die kWh jeweils 10 Cent mehr.

Anbieter Tarifname AC-Ladung* DC-Ladung* Ionity* Blockierkosten Blockiergebühr * in ct / kWh ** im eigenen Netz 4 Cent günstiger
EnBW Vorteilstarif 42** 52** 79 nach 4h 10 ct / Minute bis maximal 12 Euro
Maingau Energie EinfachStromLaden 28 38 75 AC nach 4h, DC nach 1h 10 ct / Minute  
Lichtblick FahrStrom 29 39 39 AC nach 4h, DC nach 1h 10 ct / Minute  

Maingaus Kostenkontrollmaßnahmen sorgten kürzlich für schlechte Presse: Kunden können individuelle Tarife zugeteilt bekommen, die sich nach dem Ladeverhalten berechnen und bis auf 99 Cent/kWh (AC) hochgehen. Die Einordnungs-Mechanismen sind für den Kunden nicht nachvollziehbar. Wer einen solchen persönlichen, teuren Tarif zugeteilt erhält, kündigt danach also am besten den Vertrag, denn verwertbare Erklärungen zu einer etwaigen Änderung des Ladeverhaltens gibt es von Maingau nicht. Auch hier geht es letztendlich um einen Kostendeckel im Roaming.

Der Energieversorger ist wegen des dominanten Heimladens ohnehin der wichtigste Partner für die Anschaffung des Elektroautos. Manchmal rabattiert er den Gesamt-Strompreis, wenn ein E-Auto als großer Verbraucher hinzukommt (etwa Yello Autostrom Klima Home) Manchmal bietet er einen Niedertarif für das Elektroauto an. Voraussetzung sind meist eine von Ferne abschaltbare Wallbox fürs netzdienliche Laden und manchmal ein Zweitarifzähler. Ob sich das lohnt, hängt von den individuellen Verbrauchswerten ab. Die Fixkosten steigen, die Stromkosten sinken.

Beim Versorger Polarstern gibt es einen Web-Rechner und eine umfangreiche Text-Beratung, wann sich das typischerweise lohnt. Den aktuellen eigenen Energieversorger danach fragen kostet auch nichts und kann sogar dazu führen, dass bei genügend Fragern ein Anstoß zu so einem Angebot entsteht. Üblicherweise lohnen sich solche Angebote aufgrund der höheren Grundgebühren erst bei höheren Fahrstromverbräuchen. Auch hier lohnt es sich, auf den Dorf-Flurfunk zu hören, denn es gibt lokale Anbieter, die Fahrstrom an einer netzdienlich abschaltbaren Wallbox für um die 20 Cent/kWh anbieten:

Anbieter Ort kWh-Preis in ct Grundgebühr in Euro
Stadtwerke Stuttgart Raum Stuttgart 23,64 6,72
Erenja NRW 20,19 9,95
eq Strom Brandenburg 20,67 3,30

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Anders arbeiten Anbieter wie Awattar und Tibber. Die Angebote versprechen eine stundengenau vom Strommarkt bepreiste, monatliche Abrechnung des tatsächlich verbrauchten Stroms: Keine Überraschungen mehr am Ende der Abrechnungsperiode. Da der Haushaltsstrom jedoch hauptsächlich aus Abgaben besteht, sind die üblichen Schwankungen geringer, als der Laie zunächst vermuten würde. Meistens lohnt sich der Aufriss mit Internet-verbundenem Smart Meter und stündlichem Tarif erst bei Usern, die a) sehr interessiert sind und ihr Verhalten der Strombörse anpassen wollen und b) die sich von der monatlichen Abrechnung zu optimierten Verbräuchen motivieren lassen. Wer sich schon in diesem Artikel fühlt wie Indiana Jones im Intro von "Die Jäger des Verlorenen Schatzes", dem rate ich eher davon ab. Wer dagegen ein Raspi und drei Arduino-Boards im Blickfeld liegen sieht: Viel Spaß bei dieser Optimierungsaufgabe.

Zuletzt noch ein Punkt, den jeder schon gelesen hat: Eigene Solaranlage. Angesichts steigender Strompreise und sinkender Preise für Photovoltaik-Hardware lohnt es sich, eine neue Wirtschaftlichkeitsrechnung für eigene Gebäude aufzustellen. Engagierte Mieter lassen sich dabei gerne ins Boot holen. Das Fraunhofer-Institut hat für Kleinanlagen in Einfamilienhaus-Größe einen Preis von 10 bis 12 Cent/ kWh über 25 Jahre geschätzt.

Idee von BMW damals zu den ambitionierten Plänen von BMW i: Vertrieb von Solar-Carports. Egal wie: Es lohnt sich bei den aktuellen Änderungen, das Thema PV auf dem Dach neu durchzurechnen.

(Bild: BMW)

Bei größeren Anlagen lag der ermittelte Gestehungspreis 2018 bei 5 bis 8 Cent/kWh, sodass man bei der Einspeisung zumindest nicht draufzahlt. Die Hardware-Kosten sanken ja seitdem auch. Da die Einspeisevergütung niedrig liegt und weiter sinkt, lohnt sich die Optimierung der Anlage auf maximalen Eigenverbrauch. Die EEG-Novelle hat das Limit von 10 kWp auf 30 kWp erhöht, ab der eine anteilige EEG-Umlage auf den eigenen Strom gezahlt werden muss. Alles gute Gründe, PV auf dem Dach einmal individuell neu zu rechnen – vor allem mit dem Elektroauto als Großverbraucher.

Das Grundproblem des deutschen Strompreises ist seine enorme Abgabenlast, vor allem aus Umlagen. Verbrennerfahrer schimpfen gern über die Steuerlast von Treibstoff. Stromverbraucher haben deutlich mehr Grund zum Schimpfen, weil deutlich mehr Last. Wenn Fahrstrom signifikant billiger werden soll, muss der Staat ihn von einigen Umlagen befreien. EEG- und Offshore-Umlage plus Konzessionsabgabe weg: Zack, über ein Viertel billiger! Dass so etwas passiert, ist jedoch sehr unwahrscheinlich.

Im Gegenteil hat ein Leser errechnet, was der Strom mehr kosten müsste, wenn Fahrstrom nicht weniger, sondern mehr belastet würde als Haushaltsstrom, um nämlich die Einnahmen aus der Mineralölsteuer zu ersetzen, wenn wir alle aktuell am KBA ermittelten PKW-Jahreskilometer elektrisch führen. Die Schätzung bewegt sich im Bereich +17 Cent/kWh bei voll elektrischer PKW-Flotte. Es ist nur eine Schätzung, aber ich hoffe, Sie rechnen die Fahrstromkosten schon heute realistisch und ohne unbegründete Hoffnung auf sinkende Strompreise. Der Staat hat einen anderen Weg gewählt: Nicht Strom soll günstiger werden, sondern fossiler Brennstoff schrittweise teurer über die CO2-Abgabe. Warten wir ab, wie das ausgeht.

Es gibt geschätzt über 250 Fahrstromtarife in Deutschland. Die überwältigende Mehrzahl davon ist uninteressant, weil es Besseres gibt. Manche Tarife sind sogar eine Falle für Neulinge, siehe Plugsurfings Ionity-Preise. Vor diesem Hintergrund freue ich mich über jeden Fahrstrom-Tipp. Unser Ziel ist es, diesen Artikel für die nächste Welle von Elektroautofahrern über mindestens die ersten beiden Quartale von 2021 aktuell zu halten, damit diese Menschen nicht in ein Messer laufen, das aus Vernachlässigung offen steht.

(cgl)