Gleichstrom-Ladegeschwindigkeit und Langstreckentauglichkeit beim Elektroauto

Seite 2: Aktives Temperaturmanagement hilft

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Denn darum geht es: Die Batterie soll so zügig wie machbar mit Strom gefüllt werden, ohne sie zu schädigen. Wenn es anders als bei Tesla, Audi oder Porsche aber kein aktives Temperaturmanagement gibt, bleibt dem Hersteller nur, die Ladeleistung per Software auf Vorsicht auszulegen – was zu diversen Problemen führt.

Bekannt geworden ist das Phänomen des Batterieschutzes durch den Nissan Leaf (Test). Die zweite Generation fiel bei wiederholter DC-Schnellladung mit einem Einbruch der Ladeleistung auf. In Social Media-Kanälen wurde der heute übliche Begriff „Rapidgate” geprägt. Rapidgate (oder auch als Verb „rapidgating”) beschreibt die gezielte Reduktion der Ladeleistung, um die Batterie vor Überhitzung und damit vor Verschleiß zu bewahren.

Neben zu hohen sind auch sehr niedrige Temperaturen schlecht. Eine kalte Batterie kann weniger Leistung aufnehmen. War es der norwegische Blogger Björn Nyland, der den Begriff „Coldgate” bzw. „coldgating” zuerst aufgebracht hat? So oder so ist es inzwischen etabliert, von Coldgate zu sprechen, wenn die Ladeleistung bei zu niedrigen Außen- und Batterietemperaturen einbricht.

Auch dagegen gibt es ein Mittel, nämlich die Batterieheizung. Das frisst zwar zu Beginn ein paar Kilowattstunden, zahlt sich jedoch aus. Beim Tesla Model 3 und beim Audi e-tron ist sie serienmäßig; bei Audi kann für Kaltländer wie in Skandinavien, aber auch für Deutschland ein zweiter Zuheizer (380 Euro) geordert werden. Kunden sollten darauf achten.

Elektrochemische Speicher ohne aktives Temperaturmanagement schneiden bei der DC-Ladung schlecht ab. So ist der VW e-Up (Test) zwar vorbildlich, weil die Kapazität nach einem Facelift nahezu doppelt so groß ist wie vorher und der Preis deutlich sank. An der DC-Säule sind die 40 kW Werksangabe trotzdem ein theoretischer Wert, im Praxistest von heise/Autos reduzierte sich die durchschnittliche Leistung in einem Fall auf 13 kW. Bei einem Kleinstwagen ist das wohl hinnehmbar.

Kritik musste auch Hyundai nach der Überarbeitung des Ioniq einstecken. Der Ioniq überzeugt mit einem sehr niedrigen Stromverbrauch, er war bei heise Autos das bisher sparsamste Elektroauto überhaupt. Die von 28 auf 38 kWh gewachsene neue Batterie lädt aber langsamer als die alte, weswegen manche Fans auf die erste Generation schwören. Die Renault Zoe ermöglicht mit der DC-Option für 1090 zwar durchweg schnelleres Laden als mit Wechselstrom (AC). Die Differenz ist wegen des serienmäßigen 22 kW AC-Ladegeräts aber nicht sonderlich hoch und das Extra damit fragwürdig. Oder, anders formuliert: Auch mit der DC-Fähigkeit wird die Zoe nicht zum Autobahnliebling.

In Einzelfällen wie beim Audi e-tron veröffentlichen die Hersteller selbst die Ladekurven. Eine gute Unterstützung sind auch die Ladekurven des niederländischen Infrastrukturbetreibers Fastned. Fastned übernimmt nicht die Daten der Hersteller, sondern veröffentlicht eigene Messwerte. Forenberichte sind ein weiterer guter Wissensbeitrag, solange die Quelle transparent und erkennbar verlässlich ist. Beim Verständnis aller Ladekurven ist es wichtig zu begreifen, dass sie bei unterschiedlichen Batterietemperaturen auch anders verlaufen können, die Werte sind also nicht verbindlich.

Eigentlich sollte es diese Kurvendiskussion gar nicht geben. Sie ist das Zeugnis für Probleme und Varianz, die es beim DC-Laden von batterieelektrischen Autos weiterhin gibt und die zu Einschränkungen bis hin zu einer gewissen Autobahn-Untauglichkeit führen. Die Spanne ist groß und reicht von preisgünstigen Elektroautos ohne aktives Temperaturmanagement mit schlechten Ergebnissen bis zu Spitzenprodukten wie dem Audi e-tron, dem Porsche Taycan oder dem Tesla Model 3. Übrigens: Auch der Plug-in-Hybrid Mercedes GLE 350de (Test) konnte im DC-Test durch sehr gute Werte überzeugen, was bei dieser Antriebsart einzigartig ist.

Neugierige und Kaufinteressenten sollten darüber hinaus lieber etwas skeptischer sein: Allzu oft neigen die Besitzer eines Elektroautos (wie alle anderen auch) dazu, gute Ergebnisse zu betonen und schlechte zu vergessen. Es ist ebenfalls möglich, dass einzelne Hersteller im Lebenszyklus eine Reduktion der Ladeleistung vorsehen. Bedenkt man jetzt noch, dass die Kapazität langfristig ohnehin sinkt und damit die Reichweite im Alltag, bleibt Geduld weiterhin eine Tugend, die jeder Elektroautofahrer mitbringen sollte.

(fpi)