US-Investmentgesellschaft macht gegen Netzneutralität mobil

Eine US-Fondsgesellschaft verlangt von Technologiefirmen wie Microsoft, die sich für das Prinzip des offenen Internet ohne Mautstellen stark machen, eine Erklärung für ihre "regulierungsfreundliche" Lobbying-Aktivitäten.

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Der Streit um die Aufrechterhaltung der Netzneutralität und des Prinzips des offenen Internet ohne Mautstellen im Breitbandzeitalter, der in den USA momentan hitzig geführt wird, beschäftigt nun auch Anteilseigner von Technologiefirmen. So will die US-Fondsgesellschaft Free Enterprise Action Fund (FEAF) laut diversen Medienberichten von börsennotierten Netzgrößen, die sich für die Bewahrung der so genannten Netzneutralität stark machen, Erklärungen für ihre "regulierungsfreundlichen" Lobby-Aktivitäten abverlangen. Als erstes hat sich die Fondsgesellschaft Microsoft herausgesucht: Sie will von den Redmondern auf der kommenden Aktionärshauptversammlung wissen, wieso diese sich um staatliche Eingriffe in den Breitbandmarkt bemühen. Nach Ansicht des FEAF wäre den Shareholdern besser gedient, wenn sich Microsoft stattdessen mehr um "Innovationen und Wettbewerb" kümmern würde.

Microsoft und die "It's Our Net"-Koalition der Verfechter strenger Netzneutralitäts-Regeln fürchten, dass Telekommunikationskonzerne und TV-Kabelanbieter das Internet in teure, mit Mautstationen abgesperrte Luxusbahnen und holprige Feldwege aufteilen sowie innovative junge Netzfirmen behindern wollen. Großen US-Breitbandanbieter und mittlerweile auch einigen europäischen Carriern wie der Deutschen Telekom geht es darum, für den Aufbau ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die zugesicherte oder besonders rasche Übertragung von Content zur Kasse zu bitten. Sie wollen Möglichkeiten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones erhalten, abhängig beispielsweise von Quelle, Dienst und Bandbreitenverbrauch. So könnten sie dann Datenverkehr von besser zahlenden Kunden bevorzugt behandeln oder VoIP-Anbieter, die ihrem Festnetzgeschäft Konkurrenz machen, benachteiligen.

Der FEAF verwaltet 5,5 Millionen US-Dollar und gehört damit zu den kleineren Vermögensbetreuern in den USA. Die konservative Investitionsgesellschaft, die bereits mehrere Aktionen gegen Firmen gestartet hat, die ihrer Ansicht nach den freien Wettbewerb und den Kapitalismus durch Unterstützung von Regulierung in den verschiedensten Bereichen behindern, hält 4000 bis 5000 Anteile an Microsoft. Nichtsdestoweniger möchte sie mit ihren Anfragen Sand ins Getriebe der bunt gemischten Koalition der Netzneutralitätsbefürworter streuen, der neben den Redmondern und zivilgesellschaftlichen Organisationen aus allen politischen Lagern im Konzernbereich auch Webfirmen wie Amazon, eBay, Google oder Yahoo angehören. Diese Unternehmen sollen ebenfalls bereits auf der Anfragenliste der Fondsgesellschaft stehen. Bei dem Investor würden immer die Alarmglocken schrillen, wenn Konzerne sich an die Regierung mit der Bitte um Marktregulierung wenden, erklärte ein FEAF-Portfoliomanager. Die Firmen sollten sich weniger auf die Gesetzgebung und stärker auf die Verbesserung ihrer Produkte konzentrieren.

Der von Microsoft verlangte Report soll laut der Investitionsgesellschaft die "geschäftliche und wirtschaftliche Logik, die regulatorischen Auswirkungen, die rechtlichen Verbindlichkeiten sowie jegliche Effekte auf die Produktentwicklung und der Kunden" detailliert beschreiben, welche die Unterstützung des Netzneutralitätsprinzips mit sich bringen könnte. Dies geht den Redmondern aber zu weit: Sie wollen mit Hilfe der Regeln der US-Börsenaufsicht, der Securities and Exchange Commission (SEC), erreichen, dass das FEAF-Begehr abgeblockt wird. Bei den Lobby-Aktivitäten handle es sich um eine ganz normale Firmentätigkeit, heißt es bei Microsoft. Diese sei nicht gesondert gegenüber Aktienbesitzern zu erläutern. Man glaube weiter daran, dass mehr getan werde müsse, um einen fairen Zugang für alle Inhalte- und Diensteanbieter zu Breitbandnetzen zu sichern.

Im US-Kongress mussten die Befürworter des offenen Internet bereits zwei schwere Niederlagen einstecken. Im federführenden Wirtschaftausschuss des Senats scheiterte Ende Juni ein Änderungsantrag zur geplanten Novelle des Telekommunikationsrechts, mit dem die "Netzneutralität" festgeschrieben werden sollte, knapp an der Mehrheit der Republikaner. Der durchgefallene Korrekturvorschlag wollte es Breitbandanbietern untersagen, den Zugang zu bestimmten Inhalten zu blockieren. Die Netzbetreiber sollten auch daran gehindert werden, spezielle Vereinbarungen mit Inhalteanbietern für die schnellere oder garantierte Übertragung ihrer Daten abzuschließen. Im US-Repräsentantenhaus hatte zuvor ein Antrag für eine umfassende Netzneutralitätsregelung des Demokraten Ed Markey keine Mehrheit gefunden. Angesichts der weiter hoch kochenden Lobbyschlacht um die Reform, droht momentan das gesamte Gesetzespaket zu scheitern.

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(Stefan Krempl) / (jk)