US-Provider sollen mit Konjunkturprogramm auf Netzneutralität geeicht werden
Die Demokraten wollen Zugangsanbieter mit ihrem Entwurf für den 825 Milliarden US-Dollar schweren "American Recovery and Reinvestment Act" zur Einhaltung des offenen Prinzips des Internet verpflichten.
Die Demokraten im US-Repräsentantenhaus wollen die Teile des geplanten, insgesamt 825 Milliarden US-Dollar schweren Konjunkturprogramms, mit denen weiße Flecken bei der Breitband- oder Mobilfunkversorgung in den Vereinigten Staaten geschlossen werden sollen, an Bedingungen zur Einhaltung des offenen Prinzips des Internet knüpfen. Laut dem 258 Seiten starken Entwurf (PDF-Datei) für einen "American Recovery and Reinvestment Act" sollen die Fördergelder an die Provider nur fließen, wenn sich diese die Vorgaben der Federal Communications Commission (FCC) zur Netzneutralität beachten. Das federführende US-Wirtschaftsministerium wollen die Demokraten verpflichten, die Einhaltung der Regeln zu überwachen.
Die allgemeinen Prinzipien (PDF-Datei) zur Netzneutralität der US-Regulierungsbehörde von 2005 gestehen Endnutzern unter anderem Rechte zum Zugang zu Inhalten, zum Verwenden von Applikationen und Diensten sowie zum Anschluss eigener Geräte an ein Netzwerk zu. Zugleich soll damit der Wettbewerb zwischen Netz-, Dienste, Programm- und Inhalteanbietern festgeschrieben werden. Eine gesetzliche Fassung dieser Regeln gibt es bislang aber nicht. Der US-Kabelanbieter Comcast wehrt sich deswegen gerichtlich gegen eine Abmahnung der FCC nach einer Filesharing-Blockade.
Weiter enthält der Gesetzesentwurf eine Klausel, wonach die Empfänger der Fördergelder für ihre Breitbandnetze einen "offenen Zugang" zusichern müssen. Was genau darunter zu verstehen ist, definieren die Abgeordneten nicht. Der künftige US-Präsident Barack Obama, der am morgigen Dienstag in Washington offiziell in sein Amt eingeführt werden soll, hatte den Ausbau der Datenautobahn bereits im Dezember als ein Mittel gegen die Rezession ins Feld geführt. Er gilt zudem seit Langem als Verfechter des Prinzips eines offenen Internet.
Die auslaufende republikanische Regierung von George W. Bush sah dagegen keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Sanktionierung der Netzneutralität. So erhob das US-Justizministerium 2007 keine Einwände gegen die Pläne von Breitbandanbietern, den Ausbau ihrer Netze mit einer Art Maut für eine besonders schnelle und zugesicherte Übertragung von Inhalten oder Applikationen zu finanzieren. Zuvor hatte sich die US-Handelsaufsicht in Form der Federal Trade Commission (FTC) gegen Regulierungseingriffe zur Aufrechthaltung des offenen Internet ausgesprochen, da der Wettbewerb unter den Anbietern dafür sorge. Diverse Anläufe im US-Kongress, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern, blieben unter der Bush-Regierung erfolglos.
Großen US-Breitbandanbietern und einigen europäischen Carriern geht es in dem vor allem in den USA seit Jahren geführten Streit darum, im Rahmen des Aufbaus ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die besonders schnelle oder auch nur zugesicherte Übertragung von Daten zur Kasse zu bitten. Sie wollen zudem Möglichkeiten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones erhalten, abhängig etwa von Quelle, Dienst und Bandbreitenverbrauch. Die nach dem Gesetzgeber rufende Gegenseite, zu der Netzgrößen wie Amazon, Google, Microsoft oder Yahoo gehören, fürchtet dagegen, dass Telekommunikationsgiganten und Kabelanbieter das Internet in teure, mit Mautstationen abgesperrte Luxusbahnen und holprige Feldwege aufteilen. Damit sehen sie die Innovationskraft des Internet gefährdet.
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(Stefan Krempl) / (jk)