Venezuela reiht sich in die Phalanx der OOXML-Widersacher ein

Die Südamerikaner haben nach Südafrika, Brasilien und Indien auch noch einen offiziellen Widerspruch gegen die umstrittene Zertifizierung von Microsofts Dokumentenformat Office Open XML (OOXML) bei der ISO eingelegt.

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Venezuela hat nach Südafrika, Brasilien und Indien ebenfalls noch offiziell Widerspruch gegen die umstrittene Zertifizierung von Microsofts Dokumentenformat Office Open XML (OOXML) im Schnellverfahren bei der Internationalen Organisation für Normung (ISO) eingelegt. Ein Sprecher der ISO-Partnereinrichtung IEC (Internationale elektrotechnische Kommission) hatte die Frist für Einsprüche zwar zunächst bereits am Freitagabend für beendet erklärt. Der Protest Venezuelas sei im Lauf des Wochenendes aber auch noch innerhalb der zweimonatigen Reaktionsperiode nach der Einspruchberatung und der darauf folgenden vierwöchigen Endabstimmung in Genf eingetroffen, hieß es nun laut US-Medienberichten bei der IEC. Die Geschäftsführung der ISO und der IEC würden nun gemeinsam als erste über die vier Eingaben entscheiden.

Die Beweggründe der Schwellenländer sind laut den bisher veröffentlichten Schreiben an die Genfer Normierungsgremien vergleichbar. Sie monieren, dass bei der Besprechung der zahlreichen eingereichten Kommentare Ende Februar nach dem vorläufigen Scheitern der OOXML-Normierung in der ersten Abstimmungsrunde 2007 kein Konsens über nötige Änderungen an der über 6000 Seiten umfassenden Spezifikation erzielt worden sei. Konkrete technische Einwände hätten nicht in Einzelnen beraten werden können, stattdessen sei über den Großteil der Änderungsvorschläge en bloc abgestimmt worden. Zudem liege entgegen der Regeln nach wie vor keine endgültige Version der in zweiter Runde als Norm mit der Nummer 29500 angenommenen Spezifikation vor.

Diesen Punkt greift auch ein Protestbrief (PDF-Datei) der dänischen Open Source Business Association an die ISO auf, den die Blogger von Groklaw veröffentlicht haben. Weiter beklagen die Dänen demnach, dass OOXML den Anforderungen an einen offenen Standard des Dänischen Normierungsinstituts nicht gerecht werde. Microsofts Office-Formate verhinderten Interoperabilität, XML-Formate fehlten darin. Zudem gebe es widersprüchliche Formulierungen in der Spezifikation, um deren Pflege sich zudem niemand kümmere. Zugleich beklagt die Open-Source-Vereinigung Unregelmäßigkeiten bei der finalen Abstimmung bei der dänischen Standardisierungseinrichtung im Einklang mit ähnlichen Berichten aus anderen Mitgliedsstaaten einschließlich Deutschlands.

Bei Groklaw wird die ISO unterdessen an ihren Verhaltenskodex (PDF-Datei) erinnert, mit dem die Mitglieder auf ein ethisches Handeln eingeschworenen werden, "welches das Vertrauen aller an der Normierung beteiligten Parteien und der allgemeinen Öffentlichkeit verdient". Prinzipien wie Transparenz, Offenheit und Unabhängigkeit müssten eingehalten, Interessenskonflikte im Konsensverfahren ausgeräumt werden.

Wenig Hoffnung auf die praktische Anwendung dieser Regeln bei der weiteren Behandlung des Verfahrens und der erhobenen Einsprüche hat derweil der dem Open-Source-Lager nahe stehende Standardisierungsexperte Andy Updegrove. Er moniert, dass die Weichenstellung weiterhin den schwer durchschaubaren Hierarchien der ISO beziehungsweise der IEC überlassen bleibe. Die Kontrolle obliege den gleichen Individuen, die bereits die Einspruchsberatung und das Schlussvotum gebilligt hätten, sowie deren engen Kollegen.

Siehe zu den Dokumentenformaten und ihrer Standardisierung auch:

(Stefan Krempl) / (jk)