Vorstellung Volvo EM90: Elektrischer Kleinbus mit 116-kWh-Batterie

Volvo steigt in ein neues Segment ein: Der EM90 wird ein luxuriöser, ausschließlich elektrisch angetriebener Bus. 116 kWh in der Batterie sind erst der Anfang.

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Volvo EM90

(Bild: Volvo)

Lesezeit: 5 Min.
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Es mag auf den ersten Blick erstaunen: Vielerorts ist das Van-Angebot der Autohersteller bereits Geschichte, oder ein Ende zeichnet sich ab. Volvo dagegen steigt, erstmals in der Firmengeschichte, in dieses Segment ein. Doch der ausschließlich elektrisch angetriebene Volvo EM90 ist eigentlich eher kein Van, und Zielgruppe sind auch weniger Familien als vielmehr Businesskunden. Was hat die Marke vor?

Auch wenn der EM90 von Volvo als Van bezeichnet wird: Mit 5,21 m Länge ist er eher ein Bus vom Format einer bis zu 5,37 m langen Mercedes V-Klasse und damit kein Van mit kompakten Abmessungen, der sich für entspannte Touren durch die Großstadt empfiehlt. Positioniert ist der EM90 deshalb auch eher als luxuriöser Business-Transporter, und einen Markt dafür hat Volvo offenbar vor allem in China ausgemacht. Dort kann der EM90 bereits konfiguriert werden, und der Preis verdeutlicht, dass Familien nicht im Fokus stehen: Umgerechnet 106.000 Euro werden aufgerufen. Eckdaten, die Volvo nennt, weisen überdeutlich darauf hin, dass der EM90 auch in Europa kein Sonderangebot wird.

Volvo EM90 (9 Bilder)

In vielem folgt der Volvo EM90 dem bewährten Konzept eines Business-Transporters. Das umfasst auch die platzsparenden, aber eine breite Öffnung ermöglichenden Schiebetüren. (Bild: Volvo)

Die ersten Bilder zeigen einen nobel eingerichteten Innenraum mit sechs Einzelsitzen und reichlich verteilten, großen Bildschirmen. Eine Massage gibt es auch hinten. Beim Infotainment greift Volvo mit der Snapdragon-Cockpit-Plattform von Qualcomm Technologies zu einer aktuellen Basis. Der Unterbau der Software kommt, wenig überraschend, von Google. Mit Android Automotive als Betriebssystem sollte sich die Unterhaltungselektronik in einem gewissen Rahmen über einen Appstore erweitern lassen. Das Smartphone lässt sich als Autoschlüssel einrichten.

Updates werden selbstverständlich über das Mobilfunknetz gereicht. Eines hat Volvo schon angekündigt. Nachgerüstet wird auf diesem Weg eine Gegenschall-Anlage. Gegenläufige Schallwellen sollen Lärm entgegenwirken. Das Prinzip ist nicht neu und unterschiedlich erfolgreich: Ein Ford Mondeo Hybrid wurde auf dem Weg nicht sensationell leise, in einem Genesis GV70 Electrified hatten wir dagegen den Eindruck, dass dieser Gegenschall die Dämmung wirksam ergänzt. Einen guten Ruf haben die Soundsysteme bei Volvo. Im EM90 wird wieder Bowers & Wilkins der Zulieferer. Mit knapp 2,5 kW Leistung sollten auch jene zufriedengestellt sein, die an ihrem Musikgenuss unbedingt andere teilhaben lassen wollen.

Der Anspruch, sich im Markt möglichst weit oben zu positionieren, wird auch an anderer Stelle überdeutlich. Mit 116 kWh ist die Batterie vergleichsweise üppig dimensioniert. Spielen Infrastruktur und Rahmenbedingungen wie die Vorkonditionierung mit, soll die Aufladung von 10 auf 80 Prozent in rund 30 Minuten erledigt sein. Übersetzt heißt das: Die durchschnittliche Ladeleistung liegt im Idealfall in diesem Fenster bei mehr als 160 kW. Zu einer Spitzenladeleistung äußert sich Volvo noch nicht.

Volvo EM90 (16 Bilder)

Physische Bedienelemente sind nur noch am Lenkrad und der Mittelkonsole zu erkennen. Der Rest: Bildschirm- und – immer wichtiger – Sprachbedienung.

(Bild: Volvo )

Auch zur Reichweite gibt es bislang nur Angaben im chinesischen Zyklus CLTC. 738 km werden hier versprochen. Da dieses Messverfahren recht optimistische Werte auswirft, gehen wir von deutlich geringeren Praxiswerten aus. Ein mindestens 2,8 Tonnen schwerer Bus mit großer Stirnfläche dürfte eher selten mit weniger als 20 kWh/100 km auskommen. Auf der Autobahn sollten, sofern der Fahrer es nicht übertreibt, 400 km plus eine ordentliche Sicherheitsreserve zu erreichen sein.

Als Antrieb dient ein Elektromotor im Heck mit 200 kW und 343 Nm. Er soll den EM90 in minimal 8,3 Sekunden auf 100 km/h beschleunigen. Wie bei Volvo seit einigen Jahren üblich, wird bei 180 km/h dem Treiben ein Ende gesetzt. Vermutlich reicht Volvo schon bald eine Version mit erheblich mehr Leistung nachreichen. Denn der Zeekr 009 auf gleicher Basis bietet in der Spitze mit 400 kW doppelt so viel. Dort wird alternativ eine Qilin-Batterie von CATL mit einem Energiegehalt von 140 kWh angeboten. Wir rechnen damit, dass der EM90 diesen Speicher auch bekommt.

Volvo macht noch keine konkreten Angaben dazu, ab wann der EM90 in Europa zu haben sein wird. Da die Zielgruppe in Europa denkbar klein ist, wird der Hersteller zuerst andere Märkte bedienen. Und die europäische Konkurrenz? Von der Ausrichtung ist ihm der gerade minimal überarbeitete Mercedes EQV noch am ähnlichsten, bietet mit 150 kW Motorleistung und maximal 90-kWh-Batterie aber etwas weniger. Mit einem Preis von knapp 70.000 Euro ist diese Version des EQV allerdings auch weniger teuer. Der VW ID.Buzz mit langem Radstand soll 2024 auf den Markt kommen. Er bringt maximal 85 kWh Energiegehalt und bis zu 250 kW Motorleistung mit, bleibt allerdings mit 4,96 m etwas unterhalb der Abmessungen eines Volvo EM90. Der Opel Zafira Life Electric ist mit 5,3 m etwas länger, hat allerdings aktuell maximal 100 kW Motorleistung und 75 kWh zu bieten. So ausgestattet kostet auch er rund 70.000 Euro.

(mfz)