Herdentrieb

Apple hat den Durchbruch ins Tablet-Zeitalter eingeläutet, Google, Intel, Nokia, Microsoft und HP folgen. Wer liefert das beste Paket aus Hardware, Apps und Inhalten?

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Inhaltsverzeichnis

Apple hat den Durchbruch ins Tablet-Zeitalter geschafft und eilt der Konkurrenz davon. Google zieht als Erster nach, gefolgt von Intel, Nokia, Microsoft und HP. Wer liefert das beste Paket aus Hardware, Apps und Inhalten?

Ein Auditorium in Kalifornien. Der Redner trägt Brille, Jeans und einen schwarzen Rollkragenpulli. Er hat sein neues Spielzeug mitgebracht. Mit beiden Händen fuchtelt er auf dem Bildschirm herum, sortiert Fotos, vergrößert sie mit zwei Fingern und staucht sie wieder zusammen. „Es gibt keine Bedienungsanleitung. Es passiert genau, was man erwartet.“ Er dreht einen virtuellen Globus, zoomt heran, alles in einer einzigen, flüssigen Bewegung. Die anwesenden Fachleute sind verwirrt, als schauten sie einem Magier zu. Langsam dämmert ihnen, dass sie dem Beginn einer neuen Ära beiwohnen. „Wo ist Dein Labor?“, ruft einer. „Ich bin Forscher an der New York University“, antwortet der Redner. Sein Name: Jeff Han.

Der im Februar 2006 auf der TED-Konferenz gehaltene Vortrag befördert den jungen Wissenschaftler über Nacht zum Helden. Wired nennt ihn einen „Geek-Rockstar“, Time zählt ihn zu den 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Touchscreens gibt es zwar seit Jahrzehnten, auch Multitouch ist nichts Neues, aber Han zeigt das erste praxistaugliche und erschwingliche System, mit perfekt abgestimmten Anwendungen. Er gründet die Firma Perceptive Pixel und verkauft seine Multitouch-Computer an das Pentagon, die CIA und Fernsehsender wie CNN.

Für den Durchbruch auf dem Massenmarkt sorgt aber ein anderer Rolli-und-Jeans-Träger: Im Januar 2007 stellt Steve Jobs das iPhone vor, im Januar 2010 das iPad.

Seitdem steht fest, dass wir unsere Rechner bald streicheln werden, statt auf ihnen herumzuhacken. Das sanfte Antippen mit dem Finger ist der neue Klick. Die Frage ist nur: Wird Steve Jobs das Tablet-Zeitalter dominieren wie Bill Gates die Desktop-Ära? Oder beendet bald der omnipräsente Internetkonzern Google das iPad-Monopol? Gelingt Microsoft vielleicht doch das Comeback? Und welche Rolle spielen der Handy-Marktführer Nokia, der CPU-Marktführer Intel und der PC-Marktführer HP, die allesamt mitmischen wollen?

Diese Fragen bewegen nicht nur Analysten, die die Potenziale der Silicon-Valley-Konzerne bewerten. Apple sperrt seine Kunden in einen goldenen Käfig. Programme und Inhalte werden bequem serviert, vorher aber streng kontrolliert. Google bietet mehr Freiheit, umarmt die Nutzer aber mit so vielen netten Zusatzdiensten, dass viele sich freiwillig binden und die Werbemaschine mit Daten füttern.

Tablets bilden nicht nur eine neue Gerätekategorie. Tablets bedienen wir mit natürlichen Gesten statt mit Krücken wie dem Mauszeiger. Wir blättern fast mit den gleichen Bewegungen durch ein digitales Magazin wie durch ein gedrucktes. Zur Texteingabe wird eine virtuelle Tastatur eingeblendet, die ihre Sprache und Größe an unsere Bedürfnisse anpasst. Einige dieser flexiblen Tastaturen arbeiten sogar adaptiv, sie ahnen voraus, welchen Buchstaben man vermutlich als nächstes drückt und vergrößern die unsichtbare Touch-Fläche dieser Taste. Ein weiterer Vorteil: Geräte ohne Tastatur und Maus sind leichter und damit auch umweltfreundlicher.

Tablet-Historie (12 Bilder)

Tablet-Historie

1977: Samuel Hurst entwickelt den ersten Touchsensor. Seine Firma Elographics bringt einen 5-Wire-Touchscreen namens Accutouch auf den Markt. Seine Nachfolger werden heute in Ladenkassen, Industriesystemen und Info-Terminals eingesetzt. (Bild: Elo Touch Sytems)

HP, Dell und die asiatischen Hersteller stellen sich längst nicht mehr die Frage, ob sie eigene Tablets auf den Markt bringen. Sie müssen, wenn sie im PC-Markt der Zukunft eine Rolle spielen wollen. Das wurde auch auf der IFA Anfang September deutlich. Samsung und Toshiba zeigten ihre Geräte, zahlreiche weitere Hersteller ließen durchblicken, dass sie 2011 nachziehen wollen.