Elektro-Unterstützung: Mildhybrid Seat Leon 1.5 eTSI im Test
Ein Mildhybrid soll den Verbrauch im 150-PS-Benziner senken. Wie fährt sich der neue Leon damit?
Glaubt man Studien, haben es attraktive Menschen im Leben leichter. Sie machen eher Karriere, sind erfolgreicher. Lässt sich das auf Autos übertragen? Wenn ja, hat der vierte Seat Leon gute Chancen. Denn was sich auf Fotos bereits abzeichnete, zeigt sich auch live: Die Hülle ist ansprechend geformt, befanden einige in der Redaktion, darunter auch der Autor. Das ist natürlich Geschmackssache, Florian vergab ein „unauffällig anschlussfähig – Mainstream at its best“, ein Kollege aus der Techstage-Redaktion meinte, es sei unnötig, einen weiteren Focus (Test) auf den Markt zu bringen. Im Test erwies sich der Seat Leon 1.5 eTSI Mildhybrid als angenehmer Begleiter mit wenigen Schwächen. Die finden sich an Stellen, an denen nicht unbedingt damit zu rechnen war.
Zeitweise teilweise dicht
Die Basis des 1,5-Liter-Motors mit 110 kW (150 PS) ist aus dem Vorgänger bekannt. Im Teillastbereich können zwei Zylinder abgeschaltet werden. Dafür wird ein Teil der Nockenwelle so verschoben, dass die Ventile der beiden mittleren Zylinder nicht mehr öffnen. Zuvor werden sie mit Frischluft gefüllt. Die beiden äußeren Zylinder arbeiten so unter höherer Last, was der Effizienz zugutekommen soll.
Das gleiche Ziel hat die 48-Volt-Mildhybridisierung. Sie kann im Teillastbereich die Last leicht verschieben. Liegt die aktuelle Lastanforderung etwas unter dem Optimum des Verbrenners, wird eine kleine Batterie geladen, die natürlich auch über die Rekuperation mit Strom versorgt wird. Liegt die Last leicht oberhalb des Bereichs der maximalen Effizienz, wird dem Speicher Strom entnommen. Beim Beschleunigen kann der Startergenerator ein wenig zuarbeiten. Vorteile des Systems: Es lässt sich leicht integrieren und ist vergleichsweise günstig. Statt Lichtmaschine und Anlasser gibt es nur noch eine E-Maschine.
Test Seat Leon 1.5 eTSI (28 Bilder)
(Bild: Florian Pillau)
Im WLTP lässt sich ein Vorteil der Mildhybridisierung nicht so einfach ausmachen: Die Version mit Schaltgetriebe, die diese elektrische Unterstützung nicht bekommt, ist ebenso wie der Mildhybrid mit Doppelkupplungsgetriebe mit 5,8 bis 6,1 Litern angegeben. Doch im alten Leon 1.5 TSI DSG ohne Mildhybrid, der mit 1258 kg übrigens 103 kg leichter war, nannte Seat 6,3 bis 6,6 Liter. Im Test kamen wir auf minimal 4,6 Liter/100 km, maximal waren es 8. Für letzteres mussten wir den Leon aber schon recht beherzt bewegen. Im Alltag sind Werte von unter sechs Litern problemlos machbar.
Update folgt
Der Leon ist ein flammneues Auto, doch das nächste Update ist bereits absehbar. Die ersten Modelle werden noch mit der Abgasnorm Euro 6d-Temp ausgeliefert, erst im Spätsommer 2020 wird auf die ab kommenden Januar in der EU für Neuwagen verbindliche Euro 6d-ISC-FCM umgestellt. Möge die wissende Kundschaft den Herstellern – Seat ist damit schließlich keineswegs allein – via Abstimmung per Kaufvertrag zeigen, was von einer solchen Politik zu halten ist.
Unterwegs ist der Unterschied zum kürzlich gefahrenen VW Golf 1.5 TSI (Test) frappant. Obwohl nur 14 kW Motorleistung zwischen beiden liegen, legt der Leon viel entschlossener los. Das Upgrade hebt die gefühlten Fahrleistungen stärker an, als es die Messwerte vermuten lassen. Ein kleiner Teil dieses subjektiven Eindrucks beruht auch darauf, dass der Leon etwas sparsamer gedämmt ist. Für sich betrachtet ist er zwar keineswegs laut, doch den Geräuschkomfort des VW Golf erreicht er nicht ganz.
Sorgenfreies DSG?
Das Zusammenspiel mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (intern DQ200) klappt insgesamt gut. Nur im Sportmodus missfällt mitunter ein etwas zu langes Verharren in hohen Drehzahlen. An den sehr kleinen Wählschalter gewöhnt man sich rasch. In der Vergangenheit hatte der Konzern mit diesem Getriebe reichlich Ärger, der hoffentlich endgültig ausgestanden ist.
Insgesamt bietet die Antriebseinheit schon einigen Luxus, was die Fahrleistungen anbelangt. Es ist noch gar nicht so lange her, da musst der Interessent für ein vergleichbares Temperament verdammt weit oben in der Modell-Hierarchie einsteigen und mit Verbrauchswerten leben, die dieser Leon klar unterbietet – in der Praxis, nicht nur im Labor.
Schlichte Auskleidung
Doch nicht alles ist so gut gelungen. Im Golf haben wir die teilweise sehr einfache Auskleidung kritisiert. Der Leon unterbietet das noch einmal. Wie im VW ist auch hier der Rückschritt gegenüber dem Vorgänger in dieser Hinsicht eine kühne Ansage, denn der Leon ist zwar etwas weniger teuer als der Golf, vom automobilen Wühltisch stammt er aber keineswegs. Mit ein paar Extras sind auch bei ihm schon mit weniger als 150 PS die 30.000 Euro rasch überschritten.
Immerhin war der Testwagen aus einer sehr frühen Produktion ordentlich verarbeitet. Ausnahmen waren der bei Berührung knarzende Dachhimmel und der Türgriff auf der Fahrerseite innen, der einen festen Händedruck mit einer Art Ächzen beantwortete. Man darf mir gern unterstellen, in dieser Hinsicht ziemlich empfindlich zu sein, doch für die Summen, die ein neuer Leon kostet, erwarte ich, dass sich ein Hersteller ein bisschen Mühe gibt. Gut möglich, dass sich solch kleine Schwächen mit steigender Produktionsroutine geben.
Bunte Oberfläche
Viel Geld und Zeit hat Volkswagen in den Bereich Infotainment gesteckt. Seat setzt das oberflächlich etwas bunter um als VW, im Kern gleichen sich die Systeme aber natürlich. Verzichtet wurde auf eine weitreichende und tiefe Struktur, was der Bedienung im Alltag guttut. Die Reaktion auf Eingaben ist flott, die meisten Bedienflächen auf dem Schirm so groß, dass man nicht übertrieben genau zielen muss. Die Furche vor dem Bildschirm für Temperatur und Lautstärke ist hier stärker abgewinkelt als im Golf und lässt sich damit besser bedienen.
Bordcomputer, Fahrwerk, Preise
Nicht verschwiegen sei, dass ich an zwei Stellen im Testwagen gescheitert bin. Der Tages-Kilometerzähler soll sich laut Anleitung mit der „OK“-Taste im Lenkrad zurückstellen lassen. Was auch immer ich falsch gemacht haben mag – es ging nicht. Erst in den Tiefen des Infotainmentsystems fand ich eine in der Anleitung nicht erwähnte Möglichkeit. Vor der Abgabe hätte ich zudem gern die letzten Ziele gelöscht. Falls es da einen Weg geben sollte, habe ich ihn nicht gefunden.
Der umfangreiche Bordcomputer ist übersichtlich und gut zu bedienen. Etwas schade fand ich, dass sich das Kombiinstrument – stets ein Display – im Leon nicht ganz so weitreichend konfigurieren lässt wie im Golf. Im direkten Vergleich wirkt es so, als würde Volkswagen hier mutwillig die Software beschneiden, um den Golf im Detail teurer wirken zu lassen.
Ungeschickte Aufteilung
Ärgerlich ist die ungeschickte Skalierung des Tachos. Der Bereich zwischen 40 und 60 ist so groß wie der zwischen 60 und 100 km/h – und damit schlecht ablesbar. Nett, dass die Programmierer die Geschwindigkeit als Zahlenwert klein einblenden. Zwei Kollegen ist das allerdings gar nicht aufgefallen, was nicht unbedingt für die Übersichtlichkeit des Kombiinstrumentes spricht.
Test Seat Leon 1.5 eTSI (0 Bilder)
Wie im Golf ist bei jedem Neustart die Privatsphäre auf Maximum gestellt. Das ist nett gemeint, doch so kommen keine Online-Verkehrsdaten rein. Das lässt sich vermutlich umgehen, wenn man ein eigenes Profil anlegt. In Testwagen geht das nicht so ohne Weiteres, denn die Fahrgestellnummern sind meist gesperrt. Anders als im Vorgänger ist im Preis für das Navigationssystem auch gleich ein Drei-Jahres-Abo für Kartenupdates enthalten.
Blendend
Störend fand ich, dass die silberne Verkleidung im Lenkrad bei einem gewissen Winkel das Sonnenlicht reflektiert – und zwar genau ins Gesicht. Fällt so etwas bei Testfahrten vor der Markteinführung wirklich nicht auf? Uncharmant ist auch die hohe Ladekante innen, die fast eine c‘t hoch ist. Einen höhenverstellbaren Kofferraumboden gibt es bislang nur für den Leon Kombi.
Der Testwagen war mit allen lieferbaren Assistenten ausgestattet. Sie funktionieren unterschiedlich zufriedenstellend. Der Spurhalte-Assistent ließ sich in Autobahnbaustellen von den dauerhaften, weißen und den temporären, gelben Markierungen in die Irre führen. Die Verkehrszeichenerkennung gehört ganz klar zu den weniger schlechten, doch komplett überzeugt auch sie nicht.
Straff abgestimmt
Im Testwagen war das aufpreispflichtige, adaptive Fahrwerk eingebaut. Die Spanne zwischen „komfortabel“ und „sportlich“ ist deutlich spürbar, grundsätzlich ist der Leon etwas straffer als der Golf abgestimmt. Im Falle des Testwagens kam noch die geringe Flankenhöhe der Reifen (225/40 R18) hinzu, die diesen Eindruck noch verstärkte. Im Ergebnis lässt sich der Leon so gerüstet ziemlich flott um Kurven treiben, leitet aber dafür Untergrundinformationen spürbar an die Insassen weiter. Dazu passt die feinnervige, exakte Lenkung, die Antriebseinflüsse geschickt filtert, ohne sich deshalb synthetisch anzufühlen. Es macht durchaus Freude, den Leon FR zu scheuchen, die Abstimmung wirkt in sich harmonisch. Wer mehr Komfort haben will, dem sei eine andere Rad-Reifen-Kombination ans Herz gelegt.
Der sehr umfangreich ausgestattete Testwagen kommt auf einen Listenpreis von knapp 36.000 Euro. Der 150-PS-Mildhybridantrieb ist in der Limousine nur in Verbindung mit einer der beiden teuren Ausstattungslinien zu haben und kostet mindestens 29.050 Euro. Klimaautomatik mit drei Zonen, 17-Zoll-Leichtmetallfelgen und bequeme Sportsitze sind inklusive, Kleinigkeiten wie Sitzheizung und DAB+-Tuner werden extra in Rechnung gestellt. Das gilt auch für das große Infotainmentsystem, das mit 740 Euro aber vergleichsweise günstig ist. Apple CarPlay und Android Auto gibt es für 195 Euro nur zusammen mit dem Navigationssystem, was irgendwie kein feiner Zug ist. Denn wer nur gelegentlich einen Wegweiser benötigt, braucht eigentlich kein Navi ab Werk.
Erstaunlich ist, was der Konzern dem Leon alles vorenthält. Head-up-Display, Massage-Sitze oder Matrix-Licht – im VW Golf kosten solche Zutaten zwar teilweise unverschämt viel Geld, sind aber zu haben. Im Leon nicht. Dazu kommt, dass auch im Seat einige Aufpreise tapfer kalkuliert sind. „LED-Technologie für Scheinwerfer, Tagfahrlicht und Heckleuchten“ ist stets serienmäßig. „Voll-LED-Scheinwerfer“ kosten 970 Euro extra. Der funktionale Unterschied ist vergleichsweise gering: Hinzu kommen unter anderem Begrüßungs-, Schlechtwetter- und Abbiegelicht. Ich würde das Geld im Zweifelsfall eher in andere Dinge stecken.
Fazit
Die Grundtugenden eines gut gemachten Autos beherrscht der Seat Leon noch immer. Er ist als 1.5 eTSI temperamentvoll motorisiert, Fahrwerk und Lenkung sind gekonnt abgestimmt. Es bereitet Freude, den Leon flott zu fahren. Wem die straffe Anmutung des Testwagens nicht behagt, kann in mehreren Schritten abrüsten – eine andere Rad-Reifen-Kombination dürfte schon eine gewisse Linderung bringen.
Insgesamt gelungen finde ich auch die Umsetzung der neuen Unterhaltungselektronik. Es ist nicht alles perfekt gelöst, bei der Sprachsteuerung etwa sind Verbesserungen problemlos vorstellbar. Doch ein Blick in populäre Konkurrenten zeigt: Der Volkswagen-Konzern macht in diesem Bereich aktuell vieles richtig. Dazu sind die verlangten Aufpreise vergleichsweise fair kalkuliert.
Keine neuen Bestmarken setzt der Leon bei Verbrauch, Platzangebot und der oberflächlichen Qualität. Gerade der letzte Punkt ist ein Wagnis, denn er ist auf den ersten Blick für jeden offensichtlich. Gut möglich, dass der Konzern in dieser Hinsicht bald nachbessern muss.
Die Kosten für die Überführung des Testwagens hat der Hersteller übernommen, jene für Kraftstoff der Autor.
Datenblatt
Hersteller | Seat |
Modell | Leon 1.5 eTSI |
Motor und Antrieb | |
Motorart | Turbobenziner |
Zylinder | 4 |
Ventile pro Zylinder | 4 |
Hubraum in ccm | 1498 |
Bohrung x Hub | 74,5 x 85,9 |
Leistung in kW (PS) | 110 (150) |
bei U/min | 5000 bis 6000 |
Drehmoment in Nm | 250 |
bei U/min | 1500 bis 3500 |
Antrieb | vorn |
Getriebe | DSG |
Gänge | 7 |
Fahrwerk | |
Spurweite vorn in mm | 1534 |
Spurweite hinten in mm | 1516 |
Wendekreis | 10,5 |
Reifengröße | 225/40 R18 |
Maße und Gewichte | |
Länge in mm | 4368 |
Breite in mm | 1800 |
Höhe in mm | 1442 (FR) |
Radstand in mm | 2686 |
Kofferraumvolumen in Litern | 380 |
max. Kofferraumvolumen in Litern | 1301 |
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck | 1361 |
Dachlast in kg | 75 |
Anhängelast in kg | 1500 |
Tankinhalt in Litern | 50 |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden | 8,4 |
Höchstgeschwindigkeit in km/h | 221 |
Verbrauch | |
Verbrauch WLTP in Litern/100 km | 5,8 bis 6,1 |
Testverbrauch Minimum in Litern | 4,6 |
Testverbrauch Durchschnitt Litern | 5,5 |
CO2-Emission WLTP in g/km | 132 bis 139 |
Abgasnorm | Euro 6d-Temp |
Schlüsselnummern zu 2.1 / zu 2.2 | 7593 / AQN |
Daten Stand | Juni 2020 |
Preisliste
Modell | Seat Leon 1.5 eTSI |
Ausstattungslinie | FR |
Preis für diese Ausstattungslinie | 29.050 |
Infotainment | |
DAB+ | 215 |
USB-Anschluss | Serie |
Soundsystem | 545 |
Navigationssystem | 740 |
Verkehrsdaten in Echtzeit | bei Navi inklusive |
Freisprecheinrichtung | Serie |
Head-up-Display | - |
Android Auto / Apple CarPlay | 195 (nur mit Navi) |
Assistenz | |
Tempomat | Serie |
Abstandstempomat | 255 |
Einparksensoren vorn | 390 |
Einparksensoren hinten | Serie |
Einparkassistent | 390 |
Rückfahrkamera | 275 |
Totwinkelwarner | 705 |
Müdigkeitserkennung | Serie |
Spurhalteassistent | 705 |
Matrix-Licht | - |
Funktion | |
LED-Scheinwerfer | Serie |
elektrische Heckklappe | - |
Alarmanlage | 295 |
schlüsselloser Zugang | 255 |
Fahrwerksoption | 815 (DCC) |
Seitenairbags hinten | 335 |
Komfort | |
Sitzheizung | 405 (Winterpaket) |
Ledersitze | - |
Optionssitze | - |
beheizbares Lenkrad | 405 (Winterpaket) |
Lederlenkrad | Serie |
Klimaautomatik | Serie |
Automatikgetriebe | Serie |
Schiebedach | 1100 |
Sonstiges | |
Metalliclack | ab 610 |
Leichtmetallfelgen | Serie (17 Zoll) |
Preisliste Stand | Juni 2020 |
(mfz)