Elektro-Unterstützung: Mildhybrid Seat Leon 1.5 eTSI im Test

Ein Mildhybrid soll den Verbrauch im 150-PS-Benziner senken. Wie fährt sich der neue Leon damit?

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Seat Leon

(Bild: Pillau)

Lesezeit: 11 Min.
Inhaltsverzeichnis

Glaubt man Studien, haben es attraktive Menschen im Leben leichter. Sie machen eher Karriere, sind erfolgreicher. Lässt sich das auf Autos übertragen? Wenn ja, hat der vierte Seat Leon gute Chancen. Denn was sich auf Fotos bereits abzeichnete, zeigt sich auch live: Die Hülle ist ansprechend geformt, befanden einige in der Redaktion, darunter auch der Autor. Das ist natürlich Geschmackssache, Florian vergab ein „unauffällig anschlussfähig – Mainstream at its best“, ein Kollege aus der Techstage-Redaktion meinte, es sei unnötig, einen weiteren Focus (Test) auf den Markt zu bringen. Im Test erwies sich der Seat Leon 1.5 eTSI Mildhybrid als angenehmer Begleiter mit wenigen Schwächen. Die finden sich an Stellen, an denen nicht unbedingt damit zu rechnen war.

Die Basis des 1,5-Liter-Motors mit 110 kW (150 PS) ist aus dem Vorgänger bekannt. Im Teillastbereich können zwei Zylinder abgeschaltet werden. Dafür wird ein Teil der Nockenwelle so verschoben, dass die Ventile der beiden mittleren Zylinder nicht mehr öffnen. Zuvor werden sie mit Frischluft gefüllt. Die beiden äußeren Zylinder arbeiten so unter höherer Last, was der Effizienz zugutekommen soll.

Das gleiche Ziel hat die 48-Volt-Mildhybridisierung. Sie kann im Teillastbereich die Last leicht verschieben. Liegt die aktuelle Lastanforderung etwas unter dem Optimum des Verbrenners, wird eine kleine Batterie geladen, die natürlich auch über die Rekuperation mit Strom versorgt wird. Liegt die Last leicht oberhalb des Bereichs der maximalen Effizienz, wird dem Speicher Strom entnommen. Beim Beschleunigen kann der Startergenerator ein wenig zuarbeiten. Vorteile des Systems: Es lässt sich leicht integrieren und ist vergleichsweise günstig. Statt Lichtmaschine und Anlasser gibt es nur noch eine E-Maschine.

Test Seat Leon 1.5 eTSI (28 Bilder)

Mainstream, ein zweiter Focus oder ...
(Bild: Florian Pillau)

Im WLTP lässt sich ein Vorteil der Mildhybridisierung nicht so einfach ausmachen: Die Version mit Schaltgetriebe, die diese elektrische Unterstützung nicht bekommt, ist ebenso wie der Mildhybrid mit Doppelkupplungsgetriebe mit 5,8 bis 6,1 Litern angegeben. Doch im alten Leon 1.5 TSI DSG ohne Mildhybrid, der mit 1258 kg übrigens 103 kg leichter war, nannte Seat 6,3 bis 6,6 Liter. Im Test kamen wir auf minimal 4,6 Liter/100 km, maximal waren es 8. Für letzteres mussten wir den Leon aber schon recht beherzt bewegen. Im Alltag sind Werte von unter sechs Litern problemlos machbar.

Der Leon ist ein flammneues Auto, doch das nächste Update ist bereits absehbar. Die ersten Modelle werden noch mit der Abgasnorm Euro 6d-Temp ausgeliefert, erst im Spätsommer 2020 wird auf die ab kommenden Januar in der EU für Neuwagen verbindliche Euro 6d-ISC-FCM umgestellt. Möge die wissende Kundschaft den Herstellern – Seat ist damit schließlich keineswegs allein – via Abstimmung per Kaufvertrag zeigen, was von einer solchen Politik zu halten ist.

Unterwegs ist der Unterschied zum kürzlich gefahrenen VW Golf 1.5 TSI (Test) frappant. Obwohl nur 14 kW Motorleistung zwischen beiden liegen, legt der Leon viel entschlossener los. Das Upgrade hebt die gefühlten Fahrleistungen stärker an, als es die Messwerte vermuten lassen. Ein kleiner Teil dieses subjektiven Eindrucks beruht auch darauf, dass der Leon etwas sparsamer gedämmt ist. Für sich betrachtet ist er zwar keineswegs laut, doch den Geräuschkomfort des VW Golf erreicht er nicht ganz.

Das Zusammenspiel mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (intern DQ200) klappt insgesamt gut. Nur im Sportmodus missfällt mitunter ein etwas zu langes Verharren in hohen Drehzahlen. An den sehr kleinen Wählschalter gewöhnt man sich rasch. In der Vergangenheit hatte der Konzern mit diesem Getriebe reichlich Ärger, der hoffentlich endgültig ausgestanden ist.

Insgesamt bietet die Antriebseinheit schon einigen Luxus, was die Fahrleistungen anbelangt. Es ist noch gar nicht so lange her, da musst der Interessent für ein vergleichbares Temperament verdammt weit oben in der Modell-Hierarchie einsteigen und mit Verbrauchswerten leben, die dieser Leon klar unterbietet – in der Praxis, nicht nur im Labor.

Doch nicht alles ist so gut gelungen. Im Golf haben wir die teilweise sehr einfache Auskleidung kritisiert. Der Leon unterbietet das noch einmal. Wie im VW ist auch hier der Rückschritt gegenüber dem Vorgänger in dieser Hinsicht eine kühne Ansage, denn der Leon ist zwar etwas weniger teuer als der Golf, vom automobilen Wühltisch stammt er aber keineswegs. Mit ein paar Extras sind auch bei ihm schon mit weniger als 150 PS die 30.000 Euro rasch überschritten.

Immerhin war der Testwagen aus einer sehr frühen Produktion ordentlich verarbeitet. Ausnahmen waren der bei Berührung knarzende Dachhimmel und der Türgriff auf der Fahrerseite innen, der einen festen Händedruck mit einer Art Ächzen beantwortete. Man darf mir gern unterstellen, in dieser Hinsicht ziemlich empfindlich zu sein, doch für die Summen, die ein neuer Leon kostet, erwarte ich, dass sich ein Hersteller ein bisschen Mühe gibt. Gut möglich, dass sich solch kleine Schwächen mit steigender Produktionsroutine geben.

Viel Geld und Zeit hat Volkswagen in den Bereich Infotainment gesteckt. Seat setzt das oberflächlich etwas bunter um als VW, im Kern gleichen sich die Systeme aber natürlich. Verzichtet wurde auf eine weitreichende und tiefe Struktur, was der Bedienung im Alltag guttut. Die Reaktion auf Eingaben ist flott, die meisten Bedienflächen auf dem Schirm so groß, dass man nicht übertrieben genau zielen muss. Die Furche vor dem Bildschirm für Temperatur und Lautstärke ist hier stärker abgewinkelt als im Golf und lässt sich damit besser bedienen.

Nicht verschwiegen sei, dass ich an zwei Stellen im Testwagen gescheitert bin. Der Tages-Kilometerzähler soll sich laut Anleitung mit der „OK“-Taste im Lenkrad zurückstellen lassen. Was auch immer ich falsch gemacht haben mag – es ging nicht. Erst in den Tiefen des Infotainmentsystems fand ich eine in der Anleitung nicht erwähnte Möglichkeit. Vor der Abgabe hätte ich zudem gern die letzten Ziele gelöscht. Falls es da einen Weg geben sollte, habe ich ihn nicht gefunden.

Der umfangreiche Bordcomputer ist übersichtlich und gut zu bedienen. Etwas schade fand ich, dass sich das Kombiinstrument – stets ein Display – im Leon nicht ganz so weitreichend konfigurieren lässt wie im Golf. Im direkten Vergleich wirkt es so, als würde Volkswagen hier mutwillig die Software beschneiden, um den Golf im Detail teurer wirken zu lassen.

Ärgerlich ist die ungeschickte Skalierung des Tachos. Der Bereich zwischen 40 und 60 ist so groß wie der zwischen 60 und 100 km/h – und damit schlecht ablesbar. Nett, dass die Programmierer die Geschwindigkeit als Zahlenwert klein einblenden. Zwei Kollegen ist das allerdings gar nicht aufgefallen, was nicht unbedingt für die Übersichtlichkeit des Kombiinstrumentes spricht.

Test Seat Leon 1.5 eTSI (0 Bilder)

Wie im Golf ist bei jedem Neustart die Privatsphäre auf Maximum gestellt. Das ist nett gemeint, doch so kommen keine Online-Verkehrsdaten rein. Das lässt sich vermutlich umgehen, wenn man ein eigenes Profil anlegt. In Testwagen geht das nicht so ohne Weiteres, denn die Fahrgestellnummern sind meist gesperrt. Anders als im Vorgänger ist im Preis für das Navigationssystem auch gleich ein Drei-Jahres-Abo für Kartenupdates enthalten.

Störend fand ich, dass die silberne Verkleidung im Lenkrad bei einem gewissen Winkel das Sonnenlicht reflektiert – und zwar genau ins Gesicht. Fällt so etwas bei Testfahrten vor der Markteinführung wirklich nicht auf? Uncharmant ist auch die hohe Ladekante innen, die fast eine c‘t hoch ist. Einen höhenverstellbaren Kofferraumboden gibt es bislang nur für den Leon Kombi.

Der Testwagen war mit allen lieferbaren Assistenten ausgestattet. Sie funktionieren unterschiedlich zufriedenstellend. Der Spurhalte-Assistent ließ sich in Autobahnbaustellen von den dauerhaften, weißen und den temporären, gelben Markierungen in die Irre führen. Die Verkehrszeichenerkennung gehört ganz klar zu den weniger schlechten, doch komplett überzeugt auch sie nicht.

Im Testwagen war das aufpreispflichtige, adaptive Fahrwerk eingebaut. Die Spanne zwischen „komfortabel“ und „sportlich“ ist deutlich spürbar, grundsätzlich ist der Leon etwas straffer als der Golf abgestimmt. Im Falle des Testwagens kam noch die geringe Flankenhöhe der Reifen (225/40 R18) hinzu, die diesen Eindruck noch verstärkte. Im Ergebnis lässt sich der Leon so gerüstet ziemlich flott um Kurven treiben, leitet aber dafür Untergrundinformationen spürbar an die Insassen weiter. Dazu passt die feinnervige, exakte Lenkung, die Antriebseinflüsse geschickt filtert, ohne sich deshalb synthetisch anzufühlen. Es macht durchaus Freude, den Leon FR zu scheuchen, die Abstimmung wirkt in sich harmonisch. Wer mehr Komfort haben will, dem sei eine andere Rad-Reifen-Kombination ans Herz gelegt.

Der sehr umfangreich ausgestattete Testwagen kommt auf einen Listenpreis von knapp 36.000 Euro. Der 150-PS-Mildhybridantrieb ist in der Limousine nur in Verbindung mit einer der beiden teuren Ausstattungslinien zu haben und kostet mindestens 29.050 Euro. Klimaautomatik mit drei Zonen, 17-Zoll-Leichtmetallfelgen und bequeme Sportsitze sind inklusive, Kleinigkeiten wie Sitzheizung und DAB+-Tuner werden extra in Rechnung gestellt. Das gilt auch für das große Infotainmentsystem, das mit 740 Euro aber vergleichsweise günstig ist. Apple CarPlay und Android Auto gibt es für 195 Euro nur zusammen mit dem Navigationssystem, was irgendwie kein feiner Zug ist. Denn wer nur gelegentlich einen Wegweiser benötigt, braucht eigentlich kein Navi ab Werk.

Erstaunlich ist, was der Konzern dem Leon alles vorenthält. Head-up-Display, Massage-Sitze oder Matrix-Licht – im VW Golf kosten solche Zutaten zwar teilweise unverschämt viel Geld, sind aber zu haben. Im Leon nicht. Dazu kommt, dass auch im Seat einige Aufpreise tapfer kalkuliert sind. „LED-Technologie für Scheinwerfer, Tagfahrlicht und Heckleuchten“ ist stets serienmäßig. „Voll-LED-Scheinwerfer“ kosten 970 Euro extra. Der funktionale Unterschied ist vergleichsweise gering: Hinzu kommen unter anderem Begrüßungs-, Schlechtwetter- und Abbiegelicht. Ich würde das Geld im Zweifelsfall eher in andere Dinge stecken.

Die Grundtugenden eines gut gemachten Autos beherrscht der Seat Leon noch immer. Er ist als 1.5 eTSI temperamentvoll motorisiert, Fahrwerk und Lenkung sind gekonnt abgestimmt. Es bereitet Freude, den Leon flott zu fahren. Wem die straffe Anmutung des Testwagens nicht behagt, kann in mehreren Schritten abrüsten – eine andere Rad-Reifen-Kombination dürfte schon eine gewisse Linderung bringen.

Insgesamt gelungen finde ich auch die Umsetzung der neuen Unterhaltungselektronik. Es ist nicht alles perfekt gelöst, bei der Sprachsteuerung etwa sind Verbesserungen problemlos vorstellbar. Doch ein Blick in populäre Konkurrenten zeigt: Der Volkswagen-Konzern macht in diesem Bereich aktuell vieles richtig. Dazu sind die verlangten Aufpreise vergleichsweise fair kalkuliert.

Keine neuen Bestmarken setzt der Leon bei Verbrauch, Platzangebot und der oberflächlichen Qualität. Gerade der letzte Punkt ist ein Wagnis, denn er ist auf den ersten Blick für jeden offensichtlich. Gut möglich, dass der Konzern in dieser Hinsicht bald nachbessern muss.

Die Kosten für die Überführung des Testwagens hat der Hersteller übernommen, jene für Kraftstoff der Autor.

Hersteller Seat
Modell Leon 1.5 eTSI
Motor und Antrieb
Motorart Turbobenziner
Zylinder 4
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 1498
Bohrung x Hub 74,5 x 85,9
Leistung in kW (PS) 110 (150)
bei U/min 5000 bis 6000
Drehmoment in Nm 250
bei U/min 1500 bis 3500
Antrieb vorn
Getriebe DSG
Gänge 7
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1534
Spurweite hinten in mm 1516
Wendekreis 10,5
Reifengröße 225/40 R18
Maße und Gewichte
Länge in mm 4368
Breite in mm 1800
Höhe in mm 1442 (FR)
Radstand in mm 2686
Kofferraumvolumen in Litern 380
max. Kofferraumvolumen in Litern 1301
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 1361
Dachlast in kg 75
Anhängelast in kg 1500
Tankinhalt in Litern 50
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 8,4
Höchstgeschwindigkeit in km/h 221
Verbrauch
Verbrauch WLTP in Litern/100 km 5,8 bis 6,1
Testverbrauch Minimum in Litern 4,6
Testverbrauch Durchschnitt Litern 5,5
CO2-Emission WLTP in g/km 132 bis 139
Abgasnorm Euro 6d-Temp
Schlüsselnummern zu 2.1 / zu 2.2 7593 / AQN
Daten Stand Juni 2020
Modell Seat Leon 1.5 eTSI
Ausstattungslinie FR
Preis für diese Ausstattungslinie 29.050
Infotainment
DAB+ 215
USB-Anschluss Serie
Soundsystem 545
Navigationssystem 740
Verkehrsdaten in Echtzeit bei Navi inklusive
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display -
Android Auto / Apple CarPlay 195 (nur mit Navi)
Assistenz
Tempomat Serie
Abstandstempomat 255
Einparksensoren vorn 390
Einparksensoren hinten Serie
Einparkassistent 390
Rückfahrkamera 275
Totwinkelwarner 705
Müdigkeitserkennung Serie
Spurhalteassistent 705
Matrix-Licht -
Funktion
LED-Scheinwerfer Serie
elektrische Heckklappe -
Alarmanlage 295
schlüsselloser Zugang 255
Fahrwerksoption 815 (DCC)
Seitenairbags hinten 335
Komfort
Sitzheizung 405 (Winterpaket)
Ledersitze -
Optionssitze -
beheizbares Lenkrad 405 (Winterpaket)
Lederlenkrad Serie
Klimaautomatik Serie
Automatikgetriebe Serie
Schiebedach 1100
Sonstiges
Metalliclack ab 610
Leichtmetallfelgen Serie (17 Zoll)
Preisliste Stand Juni 2020

(mfz)