Fahrbericht Audi S6 Avant e-tron: Nur vorläufig die Spitze

Bis zum Erscheinen des noch stärkeren RS6 ist der S6 das Topmodell. Schon der S6 erfüllt gehobene Ansprüche, tut dies allerdings ziemlich zurückhaltend.

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Audi S6 Avant e-tron

(Bild: Audi)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Wolfgang Gomoll
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Es hat geraume Zeit gedauert, bis Kombis mit batterieelektrischem Antrieb überhaupt zu haben waren. Was nun langsam auf den Markt tröpfelt, hat jedoch zumindest mit dem klassischen Bild eines Familienautos meistens nur sehr wenig zu tun. Denn finanziell dürften schon die batterieelektrischen Versionen von Opel Astra und Peugeot 308 viele Familienbudgets überschreiten, und Modelle wie BMW 5er Touring oder Audi A6 Avant tun dies schon als Verbrenner. Dennoch gibt es einen Markt für E-Kombis, selbst in den besonders flotten Varianten. Der Audi S6 Avant e-tron darf zweifelsohne zu diesen gezählt werden. Wir konnten bereits eine erste Proberunde drehen.

Im ersten Audi S6 arbeitete ein 2,2-Liter-Fünfzylinder mit 169 kW, der den großen Kombi in weniger als sieben Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigte. Das war für die damalige Zeit schon recht flott. Sein Nachfahr ist im Standardsprint mit 3,9 Sekunden nochmals erheblich schneller, und in der Elastizität hängt er den S6 von 1991 natürlich auch dramatisch ab. Das Problem solcher E-Sportwagen im Kombi-Kleid ist allerdings, dass es zunehmend schwerer wird, sich bei den Fahrleistungen abzusetzen. Anders als damals gibt es inzwischen viele Elektroautos, die von den Fahrern als rasant empfunden werden dürften.

Die Motoren im S6 leisten zusammen 370 kW, im Overboost sind es sogar kurzzeitig 405. Damit bleibt der Audi leicht unter den Werten des schnellsten BMW i5, was in der Praxis keinerlei Relevanz hat. Beides sind sauschnelle Kombis, selbst unter den Verhältnissen der aktuell galoppierenden Leistungsinflation. Wie viele Hersteller setzt auch Audi auf eine Kombination aus Synchronmotor hinten, der als primärer Antrieb dient, und einer Asynchronmaschine vorn. Letzterer wird nur dazugeholt, wenn der Fahrer eine besonders hohe Lastanforderung stellt. Ansonsten kann er verlustfrei mitlaufen.

Leistung bei Elektroautos kein Unterscheidungsmerkmal mehr. Aber etwas mehr Biss und ein wenig mehr Dynamik hätten wir uns auch von dieser S-Variante gewünscht. Beim Beschleunigen aus der Kurve merkt man, sobald sich der Asynchronmotor vorn einschaltet und den Kombi sauber in der Spur hält. So kommt der Avant recht flott um die Ecken. Aber das echte S-Feeling früherer Tage kommt nicht auf. Der S6 ist exzellent gedämmt, sodass der Fahrer zunächst nur wenig davon mitbekommt, wie hurtig es vorangeht. Dass das Ganze ein bisschen reizarm erscheint, liegt auch daran, dass es beim S6 Avant e-tron weder aktives Torque Vectoring noch ein Sperrdifferential an der Hinterachse gibt. Wer den Kombi wirklich voll fordert, bekommt schnell den Eindruck, dass Audi noch etwas Luft für den kommenden RS6 lassen wollte.

Audi S6 Avant e-tron (7 Bilder)

Der S6 Avant e-tron ist das vorläufige Topmodell der Baureihe. Mit 4,93 m ist der Audi-Kombi übrigens ähnlich lang wie der VW ID.7. (Bild:

Audi

)

Die Batterie einen Nettoenergiegehalt von 94,9 kWh, was beim S6 e-tron Avant für eine WLTP-Reichweite von bis zu 647 km reicht. Bei einem Ladestand von 98 Prozent zeigte der Bordcomputer eine Reichweite von 418 km an – da war der Fahrer zuvor vermutlich flott unterwegs. Wir kletterten mit dem Kombi bis auf 2300 m Höhe und kamen auf einen Verbrauch von 23,2 kWh/100 km. Audi nennt im WLTP 16,4 bis 17,4 kWh. Zur Orientierung: Der BMW i5 M60 xDrive Touring ist im WLTP mit 20,8 kWh angegeben, die Reichweite ist mit maximal 506 km deutlich geringer, was auch an der Batterie liegt, die mit 81 kWh Energiegehalt kleiner dimensioniert ist.

Technisch hat der Audi dem BMW außerdem das schnellere Laden voraus. BMW setzt auf eine Spannungsebene von 400 Volt, die Ladezeit von 10 auf 80 Prozent ist mit 30 Minuten angegeben. In der Spitze lädt der i5 mit maximal 205 kW. Das überbietet der S6 deutlich, was auch an der höheren Spannung liegt. Er lädt mit maximal 270 kW. Das Fenster zwischen 10 und 80 Prozent, hier immerhin knapp 66,5 kWh mächtig, ist unter idealen Bedingungen nach gerade einmal 21 Minuten gefüllt – das entspricht in diesem Bereich einer durchschnittlichen Ladeleistung von knapp 190 kW. Der S6 e-tron kann bis zu 2,1 Tonnen schwere Anhänger ziehen. Allerdings halbiert sich dann die Reichweite. Ist lediglich eine Dachbox montiert, hat der Aerodynamiker Matteo Ghelfi von Audi einen konkreten Wert parat: „Im Langstreckenzyklus bei 112 km/h mittlerer Geschwindigkeit reduziert der gesteigerte Luftwiderstand durch die Dachbox die Reichweite beim Avant um circa 121 km.“

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Der S6 Avant wendet sich erwartungsgemäß an eine sehr solvente Zielgruppe. Der Grundpreis für das bereits ab Werk üppig ausgestattete Auto liegt bei 101.150 Euro. Wer mag, kann den Preis auf mehr als 120.000 Euro anheben. Bei Audi hofft man vermutlich, an die Tradition einer Reihe von sehr kräftigen Kombis aus den frühen 1990er-Jahren anknüpfen zu können. Leisten konnten sich die damals nur die Wenigsten, haben wollten sie dagegen viele. In dieses Raster passt problemlos auch der S6 Avant e-tron.

(mfz)