Bundestagswahl: Regulierer nehmen X, TikTok, Meta & Co. in die Pflicht
Die Bundesnetzagentur lud Plattform-Betreiber mit der EU-Kommission zu einem Runden Tisch in Berlin. Es ging um den Schutz der Integrität der Wahl im Februar.
In Deutschland ist die Sorge vor ausländischer Einflussnahme und gezielter Desinformation über soziale Netzwerke vor der Bundestagswahl groß. Das liegt nicht nur an weiteren Berichten über russische Propagandakampagnen wie der Operation Doppelgänger, sondern auch am neuen, auf US-Präsident Donald Trump abgestimmten Moderationskurs bei Meta und seinen Plattformen Facebook sowie Instagram. Die Bundesnetzagentur lud daher am Freitag zusammen mit der EU-Kommission große Betreiber zu einem Runden Tisch in Berlin. In dem Gespräch haben die Gastgeber nach eigenen Angaben "die Verantwortung der sehr großen Online-Plattformen und -Suchmaschinen im Vorfeld von Wahlen und die entsprechenden Verpflichtungen nach dem Digital Services Act (DSA) herausgestellt".
Die Regulierungsbehörde fungiert hierzulande als Digital Services Coordinator (DSC), der für die nationale Durchsetzung des DSA zuständig ist. Nach dem Plattform-Gesetz müssen Dienste mit über 45 Millionen aktiven europäischen Nutzern unter anderem systemische Online-Risiken rund um die Integrität von Wahlen analysieren, bewerten und gegebenenfalls reduzieren. Ziel des Gesprächs war es nun, mögliche Verstöße gegen den DSA, die im Zusammenhang mit der Bundestagswahl im Februar 2025 auftreten könnten, sowie risikominimierende Maßnahmen unter allen beteiligten Akteuren zu besprechen. Dabei waren Vertreter von Google (YouTube), LinkedIn und dem Mutterkonzern Microsoft, Meta, Snapchat, TikTok und X sowie von nationalen Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen (NGOs).
"Wir nehmen die sehr großen Online-Plattformen beim Wort, dass sie die Vorgaben des Digital Services Act engagiert umsetzen wollen und werden", betonte Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur und kommissarischer Leiter des DSC, nach der Runde. "Wir arbeiten eng mit der EU-Kommission zusammen und beobachten die Entwicklung im Vorfeld der Bundestagswahl – gemeinsam mit weiteren nationalen Behörden – sehr genau." Etwaige Verstöße gegen den DSA leite man an die zuständige Exekutivinstanz in Brüssel weiter. Dies sei etwa der Fall, wenn "illegale Inhalte nicht gelöscht oder Accounts zu Unrecht gesperrt werden".
EU-Kommission hat Leitlinien veröffentlicht
Die EU-Kommission gab bereits im vorigen Jahr Empfehlungen für Maßnahmen heraus, die unter den DSA fallende Dienstleister ergreifen sollen, um systemische Online-Risiken für die Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit von Wahlen zu mindern. Laut den Leitlinien müssen die Betreiber zugleich die Grundrechte wahren – einschließlich des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Ein Aspekt bezieht sich auf Gefahren im Zusammenhang mit generativer Künstlicher Intelligenz (KI) wie ChatGPT. Demnach müssen die betroffenen Plattformen "künstliche oder manipulierte Bilder, Audio- oder Videoinhalte, die vorhandenen Personen, Objekten, Orten, Entitäten oder Ereignissen merklich ähneln", eindeutig kennzeichnen oder auf andere auffällige Weise markieren.
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Während einer laufenden Wahl sind die die Betreiber angehalten, Nutzern Zugang zu "zuverlässigen, aktuellen und verständlichen Informationen aus offiziellen Quellen über die Stimmabgabe und den Abstimmungsprozess" zu geben. Dies soll helfen, potenzielle Schäden durch schwerwiegende Probleme wie manipulierte Bilder, Stimmen oder Deepfakes etwa von politischen Akteuren zu verringern. Zu unterbinden sind Versuche, "Desinformation und Informationsmanipulation zur Unterdrückung von Wählern einzusetzen".
In den USA geht der Kurs unter Trump in die entgegengesetzte Richtung. Meta hat es dort Elon Musk und seinem Dienst X gleichgetan und Faktenchecker vor die TĂĽr gesetzt. In Europa sollen sie aber vorerst im Einsatz bleiben. Trump selbst vergleicht den Kampf gegen Desinformation mit Zensur, Meta-Chef Mark Zuckerberg ist auf diesen Zug aufgesprungen. Was aber diese Woche etwa dazu fĂĽhrte, dass auf Instagram die Suche nach dem Hashtag #democrats offenbar zeitweilig keine Ergebnisse lieferte.
"Stresstest" mit Betreibern auch fĂĽr die Bundestagswahl
Ende April führte die EU-Kommission auch erstmals einen "Stresstest" mit sehr großen Plattformbetreibern durch, um den eingerichteten Instrumenten und Kooperationsmechanismen mit Fokus auf die damals anstehenden Europa-Wahlen auf den Zahn zu fühlen. Eine Wiederholung soll nun die Bundestagswahl ins Zentrum stellen. Man habe Microsoft, TikTok, LinkedIn, Google, Snap, Meta und X gebeten, an dieser Prüfung am 31. Januar teilzunehmen, erklärte ein Kommissionssprecher am Freitag. Im Rahmen dieser Aktion würden zusammen mit deutschen Behörden potenzielle Szenarien durchgegangen, "in denen der DSA ins Spiel kommt". Im Vordergrund stehe, wie die Betreiber auf diese spezifischen Szenarien reagierten. TikTok versicherte laut Reuters als erster Dienst, an dem Test teilnehmen zu wollen.
Schon am Mittwoch hatte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit Abgesandten großer Social-Media-Plattformen und von Digitalkonzernen, mit den zuständigen Bundesressorts und Sicherheitsbehörden sowie NGOs getroffen. Auch Bundeswahlleiterin Ruth Brand nahm an dem Gespräch teil. Im Mittelpunkt hier standen Maßnahmen gegen gezielte Desinformationskampagnen und gegen Hasskriminalität wie etwa Morddrohungen sowie die Kennzeichnung politischer Werbung und Deepfakes.
Faeser: X & Co. mĂĽssen sich an Recht und Gesetz halten
"Lügen und Propaganda sind Instrumente, die vor allem Russland nutzt, um unsere Demokratie anzugreifen", berichtete Faeser im Anschluss. Ferner gelte es, "Kandidierende vor Straftaten im Netz bis hin zu Morddrohungen zu schützen". Solche Äußerungen könnten zu realer Gewalt führen. Die Ministerin unterstrich: "Wenn Menschen bedroht werden, sind demokratische Debatten nicht mehr möglich."
Faeser war es nach eigener Aussage wichtig, die Betreiber "angesichts der aktuellen Diskussionen" an ihre Pflicht zu erinnern, dass sie sich "an Recht und Gesetz halten, das in Europa demokratisch beschlossen wurde". Einschlägig seien neben dem DSA etwa auch die Verordnung zum Löschen terroristischer Online-Inhalte und die für politische Werbung. Die Prüfung strafbarer Inhalte "muss verstärkt und darf nicht eingeschränkt werden", forderte die Sozialdemokratin. Nötig sei auch "mehr Transparenz über die Algorithmen, damit diese nicht gefährliche Radikalisierungsprozesse insbesondere bei Jugendlichen befeuern".
(nen)