Motorrad: 50 Jahre Einspur-Luxus pur auf der Honda Gold Wing
Seit 50 Jahren bereichert Hondas Gold Wing die Motorradwelt. Der über 640.000-mal verkaufte Luxus-Tourer bietet heute sechs Zylinder, Airbag und Rückwärtsgang.
(Bild: Honda/Buenos Dias)
- Ingo Gach
Vor einem halben Jahrhundert hat Honda mit der Gold Wing einen neuen Maßstab im Tourensegment gesetzt. Die Entwickler zogen sämtliche Register für das ultimative Luxusmotorrad, bis heute wurden über 640.000 Gold Wings verkauft.
Vorgabe: maximaler Tourenkomfort
Honda wollte damals unbedingt führender Motorradhersteller auf diesem Planeten werden, dafür mussten sie in vielen Klassen das beste Modell bieten. Deshalb begann 1972 ein Designteam, einen vollkommen neuen Tourer zu entwickeln. Federführend war Soichiro Irimajiri, der in den 60er-Jahren die legendären Fünf- und Sechszylinder-Rennmaschinen zu verantworten und Honda mehrere WM-Titel beschert hatte. Die Vorgabe war ein Motorrad mit maximalem Komfort für Fahrer und Sozius. Ein Prototyp mit einem Reihensechszylindermotor bot zwar sehr viel Leistung, wurde jedoch aus Kostengründen verworfen.
Weicher Lauf und satter Durchzug
1975 präsentierte Honda dann die fertige GL 1000 Gold Wing mit einem flüssigkeitsgekühlten Vierzylinder-Boxermotor und Kardanantrieb. Er holte aus 999 cm3 Hubraum 82 PS und 80 Nm Drehmoment, was für die damalige Zeit eine echte Ansage war. Zudem bestach er mit weichem Motorlauf und mächtigem Durchzug. Den benötigte die Gold Wing auch bei 295 kg Leergewicht. Durch ihren niedrigen Schwerpunkt erwies sich das Tourenmotorrad aber als erstaunlich handlich, hatte allerdings wenig Schräglagenfreiheit. Honda gab eine Höchstgeschwindigkeit von 210 km/h an, die jedoch von Pendelerscheinungen begleitet wurde. Eine Vollverkleidung bot die erste Gold Wing noch nicht, dafür war sie das erste Serienmotorrad mit drei Bremsscheiben – zwei vorn, eine hinten. Der vermeintliche Tank war in Wirklichkeit ein Stauraum, ihr 19 Liter großer Tank versteckte sich im Rahmendreieck. Die Gold Wing verfügte zwar serienmäßig über einen E-Starter, hielt aber für Notfälle in der Tankattrappe noch einen Kickstarter bereit, der auf eine Welle hinter der Lichtmaschine gesteckt werden konnte.
50 Jahre Honda Gold Wing I (8 Bilder)

Honda
)Ab 1980 mit Vollverkleidung
Ganz wichtig war Honda die Zuverlässigkeit, und auch in dem Punkt konnte die Gold Wing glänzen. Sie war auf Anhieb ein Verkaufserfolg, 80 Prozent gingen in den amerikanischen Markt. Das veranlasste Honda ein Werk eigens für die Gold Wing in Marysville/Ohio zu bauen (seit 2011 werden dort allerdings nur noch Autos produziert). Sie eroberte sich den Ruf, das gediegenste Tourenmotorrad zu sein. 1980 vergrößerte Honda in der GL 1100[ Gold Wing den Hubraum auf 1085 cm3 für noch mehr Drehmoment (90 Nm), ein längerer Radstand brachte Ruhe bei hohen Geschwindigkeiten. Eine luftunterstützte Federung verbesserte den Federungskomfort und ihre Stufensitzbank ähnelt mehr Sesseln für Fahrer und Beifahrer. Als Modell "Interstate" erhielt die Gold Wing im selben Jahr serienmäßig eine breite Vollverkleidung mit hohem Windschild, Packtaschen und ein Topcase. Doch die Gold Wing sollte auch immer den Gipfel des Luxus im Motorradbau darstellen und so bekam sie schon 1982 werksseitig als Version "Aspencade" ein Radio samt Lautsprechern in der Innenverkleidung und LCD-Instrumente im Cockpit.
Sechszylinder und Niveauregulierung
Ab 1985 hatte die Gold Wing einen 1200er-Motor und grundsätzlich eine Vollverkleidung. Dazu gesellten sich eine Kraftstoffeinspritzung, eine Hinterrad-Niveauregulierung, ein elektronischer Reisecomputer, ein Tempomat und ein Soundsystem mit vier Lautsprechern. Das konnte die Konkurrenz in der Fülle nicht bieten. Doch Honda ruhte sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern überarbeitete die Gold Wing für 1988 gründlich. Sie wurde nun von einem 1520-cm3-Sechszylinder-Boxermotor angetrieben, der nicht nur stärker, sondern auch leiser und geschmeidiger lief. Er war der hubraumstärkste Serienmotor auf dem Markt und trieb die 385 kg schwere GL 1500 Gold Wing mit 150 Nm Drehmoment schon bei 4000/min vorwärts. Als erste Honda erhielt sie einen elektrischen Rückwärtsgang, der das Rangieren des schweren Geräts erleichterte.
Mit Spaßfaktor
Volle acht Jahre lang entwickelte Honda die GL 1800 Gold Wing, die 2001 endlich den Fans präsentiert wurde. Projektleiter war ausgerechnet Masanori Aoki, der zuvor Sportmotorräder wie die CBR 600 F und die CBR 400 RR entwickelt hatte. Das klang zunächst merkwürdig, doch seine Expertise sollte der neuen Gold Wing noch mehr Agilität verleihen. "Mein Ziel war es, den Spaßfaktor zu erhöhen und eine Gold Wing mit Power- und Handlingqualitäten zu entwickeln, die man sonst nur Sportbikes zutraut", erklärte Aoki. Der Sechszylinder-Boxer mit 1832 cm3 und 167 Nm befand sich nun in einem Aluminiumrahmen.
20 Technik-Patente
Im Laufe der Entwicklung hatte Honda für die GL 1800 Gold Wing nicht weniger als 20 technische Patente angemeldet. Überhaupt glänzte die Gold Wing immer wieder mit Innovationen, so bot sie 2006 als erstes Motorrad gegen Aufpreis einen Fahrer-Airbag. Die Sensoren saßen in der Vorderradgabel und lösten den Airbag bei Bedarf in 15 Hundertstelsekunden aus. 2011 erhielt die Gold Wing eine neue Optik mit der Bezeichnung "Majestic Dynamics", dazu kam ein neues Audiosystem mit sechs Lautsprechern und der Stauraum der Koffer und des Topcases erhöhte sich auf insgesamt 150 Liter. Zwei Jahre später erschien die FB6, eine Gold Wing im Bagger-Stil, also ohne den Thron der Sozia auf dem Heck und mit niedriger Verkleidung.
50 Jahre Honda Gold Wing II (7 Bilder)

Honda
)Die 1800er wog 48 kg weniger
Das Gewicht der Gold Wing war inzwischen auf 413 kg angewachsen und Honda wollte etwas gegen das Übergewicht unternehmen. 2018 zeigte sich die GL[ ]1800[ ]Gold Wing komplett neu konstruiert und wog 48[ ]kg weniger. Der Sechszylinder-Boxer hatte endlich vier Ventile in den Zylinderköpfen und elektronisch gesteuerte Drosselklappen. Er produziert 170 Nm Drehmoment bei 4500/min. Das Vorderrad wird nach dem patentierten "Hossack"-Prinzip von einem Radträger mit zwei Längslenkern geführt, Federung und Dämpfung sind elektrisch einstellbar. Auch sonst kann die aktuelle Gold Wing eine umfangreiche Ausstattung vorweisen: viele Assistenzsysteme wie z. B. Schlupfregelung und Berganfahrhilfe, Stopp-Start-System, Smart-Key-System, 7-Zoll-TFT-Display im Cockpit, Bluetooth-Konnektivität zum Smartphone, Apple CarPlay und ein optionales Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen.
Ultimatives Einspur-Luxusmobil
Für das 50. Jubiläum bietet Honda mit der "50th Anniversary Gold Wing Tour" jetzt zwei Sonderlackierungen und die ersten 1833 Käufern (in Anlehnung an die 1833 cm3 Hubraum) bekommen dazu ein "Halb-und-Halb"-Modellmotorrad deren rechte Hälfte das Ur-Modell von 1975 darstellt und die linke Hälfte die aktuelle Ausgabe.
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Honda hat mit der Gold Wing den wahrscheinlich bekanntesten Luxus-Tourer der Motorradwelt erschaffen. Er bestach stets durch maximalen Komfort, sowohl im Antrieb als auch im Fahrwerk. Dazu bot die Gold Wing immer eine überwältigende Fülle an Ausstattung und setzte regelmäßig Maßstäbe. Billig ist sie nie gewesen, doch das konnte ihren Verkaufserfolg nicht stoppen. Die Gold-Wing-Kunden wollen das ultimative Luxusmobil auf zwei Rädern, und Honda liefert es ihnen nunmehr seit einem halben Jahrhundert.
(fpi)