Elektroautos von BMW: "Neue Klasse" soll vorn mitspielen

Mehr Reichweite und Leistung bei sinkenden Verbräuchen und Kosten: BMW hat sich mit der Neuen Klasse viel vorgenommen. Ihr bleibt auch nichts anderes übrig.

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BMW Neue Klasse 2025

BMW wird eine Reihe von sehr unterschiedlichen Modellen auf der Basis der Neuen Klasse auf den Markt bringen. Den Anfang macht ein E-SUV.

(Bild: BMW)

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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

BMW hat für eine neue Plattform tief in den eigenen Historien-Vorrat gegriffen. Nach der legendären Sitzung am 9. Dezember 1959, auf der mit dem BMW 700 die Rettung der Marke in die Wege geleitet wurde, sicherte ab 1962 schließlich die Mittelklasse-Limousine 1500 die nachhaltige finanzielle Gesundung ein. Sie wurde als "Neue Klasse" bezeichnet. Ebendiese Bezeichnung wurde für eine neue E-Plattform reaktiviert. Auf ihr sollen in den kommenden zwei Jahren sechs Modelle in den Handel gebracht werden. Stück für Stück offenbart BMW, was technisch zu erwarten ist. Noch in diesem Jahr kommt mit dem iX3 der erste Vertreter der Neuen Klasse auf den Markt, weitere Ableger folgen spätestens 2026. Bis 2030 sollen rund 50 Prozent aller verkauften BMW-Neuwagen einen batterieelektrischen Antrieb haben.

Insbesondere in drei Bereichen soll es deutlich nach vorn gehen: Antrieb, Batterie, Software-Architektur. Wie ihr Vorgänger kommt auch die sechste Generation der E-Motoren von BMW ohne Metalle der Seltenen Erden aus. Geplant sind diverse Antriebs-Konfigurationen zwischen einem und vier Motoren im Auto. Die Einzelleistung der Synchronmaschinen hinten soll zwischen 200 und 300 kW liegen, die der Asynchronmaschinen an der Vorderachse bei mindestens 120 kW. Das eröffnet eine enorme Bandbreite an denkbaren Systemleistungen. In den Spitzenmodellen könnte die Marke von mehr als 1000 kW fallen, was BMW ausdrücklich nicht bestätigen wollte.

BMW wird weiterhin Synchron- und Asynchronmaschinen einsetzen. Die Systemleistung steigt nochmals deutlich.

(Bild: BMW)

BMW verspricht, dass die E-Motoren leichter als ihre Vorgänger sind. Angestrebt wird ein Gewicht von je etwa 125 kg. Dazu soll es Fortschritte bei der Effizienz geben. Bezogen auf das gesamte Fahrzeug ist die Rede von einer Verbesserung um rund 20 Prozent. Auch wenn der E-Motor dazu nur einen Teil beitragen dürfte, wäre das schon eine Menge. Die inneren Energieverluste seien um 40 Prozent reduziert worden, heißt es im Beipackzettel von BMW.

Fortschritte finden innerhalb des elektrischen Antriebsverbunds allerdings nicht vorrangig beim E-Motor statt, der trotz kleiner Fortschritte keine riesigen Sprünge mehr macht, sondern bei der Batterie. BMW will in der Neuen Klasse zwei Zelltypen anbieten, die beide im Durchmesser 46 mm aufweisen, sich in der Höhe aber unterscheiden: Einmal sind es 96, einmal 120 mm. Das klingt nach keinem dramatischen Unterschied, doch BMW will auf dieser Basis nicht nur SUVs, sondern auch Limousinen und Coupes anbieten – und da ist jeder Zentimeter weniger willkommen. Die Energiedichte soll, bezogen auf das Volumen, um etwa 20 Prozent gegenüber den aktuellen Modellen zugenommen haben. Gesunken sei dagegen das Gewicht – hier ist von rund 10 Prozent die Rede.

Dazu sollen die Kosten sinken, und zwar drastisch. Bei einer vergleichbaren Reichweite würden die Kosten des gesamten Antriebs in der sechsten Generation um bis zu 50 Prozent geringer ausfallen als die der Vorgänger, preist BMW die Fortschritte an. In diese Zahl fließen freilich viele Faktoren ein: Der Verbrauch soll gesunken sein, die pro Kilowattstunde erzielte Reichweite würde demnach steigen. Dazu kommen BMW weiter fallen Preise je Kilowattstunde Energiegehalt entgegen. Die Reichweite soll im Idealfall um mehr als 30 Prozent steigen.

Eine der entscheidenden Schlachten wird bei der Batterie ausgetragen: Welchem Hersteller gelingt es, die Kosten zu senken, ohne das Kundenerlebnis zu schmälern?

(Bild: BMW)

Kräftig steigen dürfte auch die maximale Ladeleistung. Bislang lädt der in dieser Hinsicht schnellste Serien-BMW in der Spitze mit 205 kW. Noch machen die Verantwortlichen keine präzisen Angaben, doch mit der Umstellung auf eine Spannungsebene von 800 Volt sollte die Peak-Ladeleistung erheblich steigen. BMW wird darauf bedacht sein, mehr als nur einen kurz anliegenden Spitzenwert zu liefern. Denn Kunden haben in den vergangenen Jahren gelernt, dass ein solcher oftmals nicht allzu viel Aussagekraft für die Dauer der Ladepause hat.

BMW macht bislang nur die Aussage, dass sich Strom für 300 km WLTP-Reichweite in 10 Minute nachladen lasse. Bei angenommenen 15 kWh/100 km wären das 270 kW durchschnittliche Ladeleistung in diesem Bereich. Ein Porsche Taycan mag in der Spitze noch etwas schneller laden, doch spätestens ab einem gewissen Wert werden solche Daten für die Praxis in den meisten Fahrprofilen nachrangig.

Einen anderen Ansatz als bisher verfolgt BMW auch beim Aufbau der Batterie. Es gibt keine innenliegenden Streben und auch keine Module mehr. Damit stellt sich auf der langen Zeitachse die Frage, ob sich ein solcher Speicher im Alter halbwegs preiswert reparieren lässt. Heute lassen sich in den meisten E-Auto-Batterien einzelne Module tauschen, was den Unterschied zwischen "wirtschaftlicher Totalschaden" und "fit für viele weitere Kilometer" ausmachen kann.

Im Sinne, erst nach und nach offenzulegen, was auf dieser Basis umgesetzt wird, ist auch die aktuelle Ankündigung zu einem anderen Elektronik-Aufbau zu sehen. Es wird eine Zonen-Architektur geben, in der es nur noch wenige Steuergeräte geben soll. Vier leistungsfähige Rechner haben künftig das Sagen: Einer ist für die Fahrdynamik zuständig, einer für das gesamte Infotainment inklusive dem "BMW Panoramic Vision-Display", der dritte steuert die Assistenzsysteme und die autonomen Fahrfunktionen und der vierte grundlegende Funktionen wie die Klimatisierung des Autos und das Datenmanagement.

Die übergeordneten Ziele sind auch hier: Kosten senken, nachhaltig wirtschaften. Dem Kunden sollen über die gesamte Lebensdauer des Autos Angebote zu digitalen Services gemacht werden. Er kann nachträglich bestimmte Funktionalitäten freischalten – gegen Gebühren, versteht sich. Das ist nicht nur bei BMW schon heute möglich, soll aber als Geschäftszweig langfristig ausgebaut werden, um Kunden zu binden und, natürlich, Geld zu verdienen. Wie das an der Oberfläche ausschaut, wurde auf der CES in Las Vegas gezeigt.

BMW verspricht mit der Neuen Klasse einen großen Fortschritt. Den muss die Marke auch vollziehen, denn auf den Wachstumsmärkten zählen die klassischen Qualitäten, mit denen BMW bisher seine Klientel angesprochen hat, nicht mehr viel. Früher konnte man mit seidigen Sechszylindern locken, mit der Umstellung auf den E-Antrieb entfallen solche Kaufanreize weitgehend. Gefragt sind schnelles Laden, hohe Reichweite und ein umfangreiches Unterhaltungsprogramm, das lange eng getaktet aktuell gehalten wird.

BMW bleibt gar nichts anderes übrig, als dieses Spiel mitzumachen. Anders als Anfang der 1960er-Jahre befindet sich die ganze Branche im Umbruch, und nicht nur die Marke. Das macht es fraglos noch etwas herausfordernder als damals, treffsicher zu reagieren. Denn wenn das Experiment "Neue Klasse 2.0" scheitern sollte, hat die Marke ein kaum lösbares Problem. Zumindest technisch scheint sie aber gut gerüstet zu sein, um am Markt zu bestehen.

(mfz)