Kawasaki Versys 1100 im Test: Überarbeitung bringt von allem ein bisschen mehr
Die Kawasaki Versys 1100 SE macht einen wuchtigen Eindruck. Im Test aber erweist sie sich mit ihrem semi-aktiven Fahrwerk als handlich, schnell und komfortabel.
(Bild: Kawasaki)
- Ingo Gach
Kawasaki hat seinen Sporttourer Versys gründlich überarbeitet. Auch wenn er bisher sicher nicht unter Kraftlosigkeit litt, haben die Entwickler den Motor von 1043 auf 1099 cm3 vergrößert und die Modellbezeichnung entsprechend auf Versys 1100 geändert. Hubraum ist eben durch nichts zu ersetzen. Dazu haben sie den Reihenvierzylinder aber nicht aufgebohrt, sondern den Hub von 56 auf 59 mm erhöht. Zudem erhält er größere 38-mm-Drosselklappen, die beiden mittleren Ansaugrohre sind 45 mm länger als die äußeren, das Nockenprofil und die Ventilfedern sind geändert und ein Ölkühler hält die Temperatur in einem gesunden Bereich.
- Motor von 1043 auf 1099 cm3 vergrößert
- 99 kW bei 9000/min und 112 Nm Drehkraft bei 7600/min
- Dämpfung und Federvorspannung unabhängig vorwählbar
- Preis: 17.345 Euro (Einstiegsmodell ab 13.545 Euro)
Die Höchstleistung steigt durch die Maßnahmen von 120 auf 135 PS, die weiterhin bei 9000/min anliegt. Bei einem eher auf Touren ausgelegten Motorrad interessiert aber viel mehr der Drehmomentverlauf und auch hier konnte sich die Versys von 102 auf 112 Nm steigern. Für die ganz Eiligen: Die Höchstgeschwindigkeit der Versys legt von 217 auf 226 km/h zu.
Besser ausgestattet als SE
Im Test fuhr die besser ausgestatte Versys 1100 SE, die im Vergleich zur Basis mit einem semi-aktiven Fahrwerk, TFT-Display, Bluetooth-Konnektivität zum Smartphone, höherem Windschild, Heizgriffen und Handprotektoren ausgestattet ist. Bei der ersten Kontaktaufnahme scheint sich nicht viel im Vergleich zur Vorgängerin geändert zu haben, optisch wurde sie – abgesehen von der Lackierung – nicht angetastet. Sie trägt immer noch dieselbe Halbschalenverkleidung mit zwei schrägen LED-Scheinwerfern und der darunter sehr spitz zulaufenden Front, eben das typische Sugomi-Design, wie es Kawasaki nennt. Die SE verfügt außerdem über Kurvenlicht. Die beiden Zusatzleuchten sind in die Verkleidung integriert und haben je drei übereinander angeordnete LED-Leuchten. Je größer der Schräglagenwinkel, desto mehr LEDs beginnen, die Kurve auszuleuchten.
Bequeme Sitzposition für die Langstrecke
Ich hocke weiterhin in 840 mm Höhe herrlich kommod auf dem bequemen Sattel. Die aufrechte Körperhaltung und der Kniewinkel sind entspannt, der Lenker reicht mir weit entgegen und ist schön breit, was das Einlenken ungemein erleichtert. Im Cockpit eine Mischung aus analogem Drehzahlmesser und fünf Zoll großem TFT-Display. Das mag merkwürdig anmuten, bietet aber den Vorteil, dass im TFT-Display mehr Platz für die anderen Informationen bleibt und sie etwas größer angezeigt werden können.
Kawasaki Versys 1100 SE (8 Bilder)

Kawasaki
)Der linke Griff erscheint im ersten Moment mit Tasten überfrachtet, doch sie sind deutlich genug gekennzeichnet, dass sich die Bedienung von selbst erklärt. Neben den Instrumenten befindet sich eine Ladebuchse für DC-Stecker, etwas lieblos links an den Lenker geklemmt findet sich noch ein USB-C-Ladestecker. Wer sein Smartphone ebenfalls am Lenker befestigt, kann es problemlos via Kabel während der Fahrt aufladen.
Skyhook-Fahrwerk
"Keyless Entry" hat die Versys 1100 SE nicht, es muss ganz traditionell mit dem Zündschlüssel hantiert werden, was ich aber mag. Der Reihenvierzylinder läuft schon kalt einwandfrei rund und brabbelt dezent aus seinem voluminösen Endschalldämpfer, im Stand entwickelt er einen Schalldruck von nur 93 db(A).
Die Kupplung und der bi-direktionale Quickshifter machen mir die Arbeit leicht, die Gänge rasten sauber ein. Die Versys 1100 SE verfügt über die drei fixen Fahrmodi "Rain", "Road" und "Sport" sowie den konfigurierbaren Modus "Rider". Diese nehmen nicht nur Einfluss auf die Kraftentfaltung und die Schlupfregelung, sondern auch auf die Dämpfung des elektronischen Skyhook-Fahrwerks von Showa. Zudem kann ich im Menü des TFT-Displays die Vorspannung des hinteren Federbeins vorwählen, je nachdem, ob ich solo, zu zweit oder mit Sozia und Gepäck fahre.
Wahre Sänfte
Das Fahrwerk der Versys 1100 SE erweist sich im "Rain"- und "Road"-Modus als wahre Sänfte, selbst tiefe Löcher im Asphalt bügelt es glatt, die Federelemente reagieren rasch. Im "Sport"-Modus agiert die Kawasaki zwar straffer, aber dennoch steht der Komfort weiterhin im Vordergrund – beim späten, harten Anbremsen vor Kurven und dem darauffolgenden Umlegen taucht die Vorderradgabel tief ein und ich vermisse deren Feedback. Für ihre 259 kg Leergewicht und einen Radstand von 1520 mm lässt sich die Versys 1100 SE überraschend locker einlenken. Sie ist natürlich kein Ausbund an Handlichkeit, aber ich komme nie in die Verlegenheit, das Motorrad mit größerem Kraftaufwand in Schräglage bringen zu müssen.
Hier profitiert sie wohl auch von den aufgezogenen Battlax Sport Touring T31, zwar nicht mehr das neueste Modell von Bridgestone, aber immer noch gut. Die Kawasaki lässt sich zielgenau in die Kurve bringen und bleibt in Schräglage absolut stabil. Unruhe kennt die Versys 1100 SE selbst bei hohen Geschwindigkeiten nicht, dank ihres mächtigen Aluminiumrahmens.
Noch mehr Leistung ab Drehzahlmitte
Schon der 1043-cm3-Motor des Vorgängermodells bot früh viel Kraft, deshalb verbesserte Kawasaki die Leistung und das Drehmoment der neuen 1100er erst ab dem mittleren Drehzahlbereich deutlich. Über Leistungsmangel wird sich ganz sicher niemand auf der Versys 1100 SE beklagen, der Vierzylinder schiebt ungerührt an, egal aus welcher Drehzahl. Dabei bietet er eine gute Laufkultur, Vibrationen dringen erst oberhalb von 6000/min zum Fahrer durch, sie bleiben aber sehr dezent.
Kawasaki Versys 1100 SE Details (7 Bilder)

Ingo Gach
)Ohnehin komme ich selten bis zur Nenndrehzahl von 9000/min, einfach weil der Motor bereits in der unteren Drehzahlhälfte viel Vergnügen bereitet. Wer ihn jedoch ausquetscht, wird heftig nach vorn gerissen, der Vierzylinder dreht rasant hoch. Auch die radial montierten Vierkolben-Bremszangen der Versys 1100 SE verdienen ein Lob, sie verzögern kräftig und stabil. Auffallend ist, dass die vorderen Bremsscheiben nicht mehr im Pental-Design (Einbuchtungen an den Rändern) wie an der Vorgängerin ausgeführt, sondern jetzt wieder rund sind. Die hintere Bremsscheibe mit 260 mm wurde um 10 mm größer.
Eigentlich kein Adventure-Tourer
Laut Definition von Kawasaki sitze ich auf einem "Adventure Tourer", was allerdings etwas irreführend ist. Die Versys 1100 SE bietet mit 150 mm vorn und 152 mm hinten zwar etwas mehr Federwege als ein Naked Bike, für ein "Adventure Bike", also eine Reiseenduro, wäre es jedoch recht wenig. Die Versys soll allein schon aufgrund ihrer Straßenbereifung mit den Dimensionen 120/70-17 und 180/55-17 gar nicht ins Gelände abbiegen, sondern sich ausschließlich auf Asphalt austoben.
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Korrekt wäre die neudeutsche Bezeichnung "Crossover" für die Versys. Als Tourenmotorrad funktioniert sie aber ausgezeichnet und bietet in der SE-Version guten Windschutz, dank des größeren Windschild, der um 40 mm verschiebbar ist, die serienmäßigen Handprotektoren tragen ihr Übriges dazu bei. Leider müssen zum Verstellen zwei Drehknebel gelöst werden, sodass dies nur im Stand möglich ist.
Auch die Sozia reist bequem
Mit dem 21-Liter-Tank ist bei einem angegebenen Verbrauch von 5,6 Liter auf 100 km eine theoretische Reichweite von 375 km möglich. Das ist für einen Tourer eher Mittelmaß. Im Hinblick auf den Komfort macht der Versys 1100 SE so schnell keiner etwas vor, auch die Sozia reist bequem auf dem deutlich höheren Passagiersitz, allerdings überragt sie den Fahrer dabei deutlich, hängt also mit dem Helm mehr im Wind.
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Kawasaki erwartet 17.345 Euro für die Versys 1100 SE, die weniger üppig ausgestattete Versys 1100 (u. a. fehlen ihr das semi-aktive Fahrwerk, Kurvenlicht, TFT-Display und ihr Windschild ist kleiner) startet bei 13.545 Euro. Die Versys 1100 SE gibt es aber auch als "Tourer", u. a. mit zwei 28-Liter-Koffern für 18.345 Euro und als "Grand Tourer" zusätzlich noch mit 47-Liter-Topcase, LED-Nebelscheinwerfern und Sturzpads für 19.595 Euro.