Motorräder, die Geschichte schrieben, Teil zwei

In der Serie von Motorrädern, die bedeutenden Einfluss auf den Motorradbau genommen haben, geht es in dieser Folge weiter mit fünf epochalen Maschinen.

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Honda CB 750 Four

Honda CB 750 Four

(Bild: Honda)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Im Laufe der letzten 129 Jahre, seit dem Bau des ersten, offiziell Motorrad genannten Fahrzeugs, gab es unzählige Marken und Modelle. Einige sind längst vergessen, andere bis heute jedem Biker ein Begriff. Das hat Gründe: Zu Meilensteinen wurden solche Motorräder fast immer durch eine überlegene Konstruktion, große Stückzahlen, lange Bauzeiten oder sportliche Erfolge – manchmal auch in Kombination. Für vieles war die Zeit noch nicht reif, oft war es dann jahrzehntelang vergessen und kam erst später zu neuen Ehren. Vom Einsatz des ersten quer eingebauten Reihenvierzylindermotors mit einer obenliegenden Nockenwelle in einem Rennmotorrad bis zum Serienbau in einem Straßenmotorrad sollten 38 Jahre vergehen, die Wasserkühlung wurde in Serie schon ab 1918 gebaut und kam erst rund sechs Jahrzehnte später zurück.

Wir stellen hier Motorräder vor, die bedeutenden Einfluss im Motorradbau genommen haben, der sich zum Teil bis heute auswirkt. Die erste Folge dieser Serie würdigt die fünf Meilensteine Harley-Davidson Model 5D, BMW R32, Triumph 6/1, MV Agusta 600 und Royal Enfield Bullet.

Selbstverständlich könnte man die Liste der Meilensteine noch erheblich verlängern. Nicht vertreten sind beispielsweise die BMW 500 Kompressor, die ab 1935 mit ihrem aufgeladenen Boxermotor reihenweise Rennen gewann und Geschwindigkeitsrekorde knackte. Die Honda Super Cub, mit über 100 Millionen Stück seit 1958 ist sie das meistproduzierte motorisierte Fahrzeug überhaupt. Die Benelli 750 Sei von 1974 erstes Sechszylindermotorrad mit Straßenzulassung. Die Suzuki RG 500 Gamma von 1984, direkter Racing-Ableger für die Straße und – abgesehen von der Kleinserien-Bimota Vdue (110 PS) – mit 95 PS stärkster Serien-Zweitakter aller Zeiten.

Bei der ersten Scout bestand eine der Innovationen aus einem mit dem Motor verblockten Getriebe. Vorher hingen Motor und Getriebe einzeln im Rahmen, übrigens eine Bauweise, die erst mit der Royal Enfield Bullet im Jahr 2020 endete.

(Bild: Indian )

Indian Motorcycle wurde 1901 von George Hendee und Oscar Hedström gegründet und darf sich deshalb heute als ältester amerikanischer Motorradhersteller bezeichnen. Obwohl die Indians vom Start weg reißenden Absatz fanden, kam ihr innovativstes Modell erst 1920 auf den Markt: die Indian Scout. Sie verfügte als erste Indian über einen V-Twin. Die Scout war das erste in Großserie verkaufte Sportmotorrad, hatte 596 cm3 Hubraum, Seitenventile, leistete zwölf PS, wog 159 Kilogramm und fuhr reihenweise Siege ein.

Erst ein Jahr später präsentierte Indian die Chief, die das Prinzip des V-Twins übernahm, aber einen Liter Hubraum und 20 PS hatte. Während die große Chief bestens für Touren geeignet war, stellte die Scout den Sportler dar und war bei Rennen sehr beliebt.

Die Indian Scout sollte fast ein halbes Jahrhundert später durch Burt Munro erneut Berühmtheit erlangen. Der Neuseeländer hatte sich 1920 eine Scout gekauft und sie ab 1926 konsequent weiterentwickelt. Er fuhr zwar sein Leben lang Motorradrennen, doch erst 1962 entschloss er sich, seine auf 850 cm3 Hubraum aufgestockte Scout in die USA zu verfrachten, um dort mit ihr auf dem Salzsee in Bonneville den Geschwindigkeitsrekord für ihre Klasse aufzustellen. Tatsächlich gelang es ihm mit 288 km/h und er machte damit sich und die Scout unsterblich. Fünf Jahre später erreichte er im Alter von 66 Jahre sogar 296 km/h mit seiner inzwischen auf 950 cm3 aufgebohrten Scout.

Kampfansage aus Japan: Der quer eingebaute Reihenvierzylinder mit obenliegender Nockenwelle und vier Vergasern galt als technischer und finanzieller Overkill – bis Honda die wider alle Erwartung zuverlässig funktionierende, leistungsstarke und dabei preisgünstige CB 750 Four vorstellte.

(Bild: Honda)

Als Honda im Oktober 1968 auf der Tokyo Motor Show die CB 750 Four vorstellte, brach ein neues Zeitalter für Motorräder an. Sie trug einen 736 cm3 großen, luftgekühlten Reihenvierzylinder quer zur Fahrtrichtung und leistete satte 67 PS, Honda versprach unvorstellbare 200 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die CB 750 Four war nicht die Erste mit einem Reihenvierzylinder in einem Straßenmotorrad – das war die MV Agusta 600 zwei Jahre zuvor – und Honda selbst hatte bereits neun WM-Titel mit Vierzylinder-Rennmotorrädern gewonnen.

Aber die CB 750 Four war das erste Großserienmotorrad mit Reihenvierzylinder und dazu auch noch mit reichlich Hubraum. Ihre vier verchromten Auspuffrohre ließen keinen Zweifel über die Zylinderzahl aufkommen. Doch es war nicht nur die Kraft, die beeindruckte, sondern auch eine Zuverlässigkeit, wie man sie bisher nicht kannte.

Die CB 750 Four wurde Honda aus den Händen gerissen, sie galt als das beste Motorrad der Welt und kostete dennoch nur rund die Hälfte der Konkurrenzmodelle aus Europa und Amerika. Die erste Serie, intern K0 genannt, war im Handumdrehen ausverkauft und kam auf 7414 Exemplare. Aber das war nur der Anfang: Allein die bis Ende 1971 produzierte Serie K1 wurde unfassbare 77.000 Mal verkauft. Die japanische Motorradindustrie hatte in den 1960er Jahren eifrig daran gearbeitet, den Weltmarkt zu erobern und die CB 750 Four war der endgültige Sargnagel für viele europäischen Marken, denn sie konnten weder qualitativ noch leistungsmäßig und schon gar nicht vom Preis dagegenhalten.

(Bild: Honda)

Selbstverständlich holte die CB 750 Four auch im Rennsport zahlreiche Siege, was ihren Ruhm noch mehrte. Für die anderen drei japanischen Marken war es der Startschuss, ebenfalls Reihenvierzylindermodelle zu entwickeln. Das Konzept mit dem leicht nach vorne geneigten, quer eingebauten Reihenvierzylinder mit obenliegenden Nockenwellen und einem Vergaser pro Zylinder war zukünftig der Standard für leistungsstarke Big Bikes und Sportmotorräder.