Mehrzweck-Enduro Voge 300 Rally: Neuer Impuls für die leichte Klasse
Eine Marke aus China springt auf den Trend zur leichten Enduro in Europa an und bietet mit der gut ausgestatteten Voge 300 Rally eine preisgünstige Alternative.
(Bild: Voge)
- Ingo Gach
Es gibt sie noch, die leichten, geländetauglichen und günstigen Einzylinder-Enduros. Die Meistverkaufte dieser Gattung bei uns ist die Honda CRF 300 Rally, aber sie bekommt jetzt mächtig Konkurrenz von der chinesischen Marke Voge. Dabei handelt es sich um ein Label des Motorradherstellers Loncin, der bei uns dadurch bekannt wurde, dass er die Reihenzweizylinder für BMW fertigt.
Die Voge 300 Rally zeigt – wie viele chinesische Modelle inzwischen – ein attraktives, schwungvolles Design. Sie wirkt optisch leicht und macht Hoffnung auf wenig Gewicht, was im Gelände ein großer Vorteil ist. Tatsächlich wiegt sie laut Hersteller 158 kg vollgetankt. Das ist für eine kleine Enduro zwar nicht besonders leicht, könnte aber ein Hinweis darauf sein, dass sie stabil gebaut ist. Der Stahlrahmen ist entsprechend ordentlich dimensioniert, schließlich soll er im Gelände auch einiges aushalten. Die Schwinge erscheint nicht ganz so großzügig in ihren Abmessungen.
Lange Federwege
Für den Offroad-Einsatz bietet die 300 Rally lange Federwege, an der nicht einstellbaren Upside-down-Gabel sind es 240 mm. Ihr Durchmesser von 41 mm ist nicht üppig, aber in der Leistungsklasse ausreichend. Den Federweg des Federbeins, das über eine Umlenkung auf das Hinterrad wirkt, hat Voge leider nicht angegeben.
Voge 300 Rally I (9 Bilder)

Voge
)Da die Bodenfreiheit 280 mm beträgt, dürfte der Federweg hinten vermutlich ebenfalls bei deutlich über 200 mm liegen. Das bringt ihre Sitzhöhe allerdings auf 915 mm, also nichts für Kleingewachsene. Die Stiefel finden auf den gezackten Fußrasten guten Halt. Auch bei den Rädern geht die 300 Rally keine Kompromisse ein: vorn rollt sie auf einem 21-Zoll-Rad, hinten sind es 18 Zoll mit Reifen der Dimensionen 90/90-21 respektive 130/90-18. Geländefahrer werden das eher grobe Reifenprofil zu schätzen wissen, auch wenn sie vermutlich von dem chinesischen Reifenhersteller Timsun noch nie gehört haben.
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Abschaltbares ABS
Auffallend an der Front sind die beiden recht großen Hauptscheinwerfer mit Glühlampen, während alle anderen Lichtquellen – Rücklicht, Blinker und das Tagfahrlicht – auf moderne LEDs zurückgreifen. Auch der Blick ins Cockpit überrascht, denn hier informiert noch ein simples LC-Display über die notwendigsten Daten. Im gadgetverliebten China ist es ungewöhnlich, kein TFT-Display zu verbauen. Überhaupt sind an der 300 Rally, außer dem vorgeschriebenen ABS, keine elektronischen Assistenzsysteme zu finden.
EnduristInnen werden das mit Freuden zur Kenntnis nehmen, im Gelände stören ABS und Schlupfregelung ja, genauso wie den Knopf im Cockpit, über den das ABS ausgeschaltet werden kann. Es bleibt auch deaktiviert, wenn der Fahrer für einen kurzen Stopp nur den Killschalter betätigt. Wird allerdings die Zündung ausgeschaltet, aktiviert sich das ABS beim Neustart automatisch. Die Bremsen fallen erwartungsgemäß nicht allzu groß aus: vorn verzögert eine Zweikolbenbremse an einer 265-mm-Wave-Bremsscheibe, hinten misst die Scheibe im Durchmesser 220 mm.
29 PS Leistung
Der wassergekühlte 292-cm3-Einzylinder leistet 29 PS bei 9000/min. Damit ist er bei fast identischem Hubraum immerhin zwei PS stärker als die Honda CRF 300 Rally, allerdings wiegt diese fünf Kilogramm weniger. Natürlich darf man bei einem so kleinen Motor keine Kraftexplosion erwarten, vielmehr muss man fleißig schalten, um den Kolben immer in ausreichend Bewegung zu halten. Mit 97 dB(A) Standgeräusch gehört er nicht zu den Leisetretern.
Voge gibt eine Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h an. Für Autobahnen ist die Voge 300 Rally nicht gedacht, aber auf Schotterpisten dürfte sie sich wacker schlagen, denn hier kommt es auf ein gut funktionierendes Fahrwerk mit langen Federwegen an.
340 km Reichweite
Laut Hersteller verbraucht die 300 Rally 3,2 Liter auf 100 km, was bei 11 Litern Tankvolumen unter günstigen Bedingungen 340 km Reichweite bedeutet. Allerdings gibt es keine Tankfüllstand-Anzeige. Wenn die Reserve erreicht ist, leuchtet ein Zapfsäulen-Symbol im Cockpit auf.
Voge 300 Rally II (6 Bilder)

Voge
)Die Serienausstattung der Voge ist für eine Enduro ganz passabel: Sturzbügel, Motorschutz, Handprotektoren, kurzer Kennzeichenträger, Gepäckbrücke, zweifarbig lackierte Felgen, USB-Steckdose sowie ein steil stehender Windschild. Die Soziusfußrasten sind allerdings direkt am Rahmen und nicht an Auslegern befestigt, was zu einer unbequemen Sitzhaltung führen dürfte.
Nur 4499 Euro
Voge bietet die 300 Rally für nur 4499 Euro an. Zum Vergleich: Honda erwartet 7050 Euro für seine CRF 300 Rally (Fahrbericht). In den 1980er- und 1990er-Jahren waren kleine Enduros bis 400 cm3 sehr begehrt und verkauften sich blendend. Das änderte sich zu Beginn der 2000er-Jahre, als der Trend zu Mehrzylinder-Enduros mit immer größeren Hubräumen ging. Die kleinen Einzylinder hätten in Europa von Vergaser auf Einspritzung umgestellt werden müssen, was viele Hersteller für nicht mehr rentabel genug hielten. In Asien und in Nordamerika dagegen war der Verkauf der dort als Dual-Purpose-Bikes bezeichneten Enduros nie wirklich eingebrochen. Langsam scheint auch in Europa ein Umdenken einzusetzen, der Markt für leichte, alltagstaugliche Enduros ist wieder da, es fehlen nur ausreichend attraktive Angebote.
Wiederbelebung des Segments
Honda war hier Vorreiter und hat letztes Jahr in Deutschland über tausend Stück seiner 300er-Enduro (CRF 300 Rally und die fast baugleiche CRF 300 L) neu zugelassen. Noch 2017 hat die Marke gezweifelt, ob sich der Import (damals noch als CRF 250 Rally) nach Deutschland lohnt, wurde dann aber schnell eines Besseren belehrt, denn sie war sofort ausverkauft.
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Das registrierten auch andere Marken, so zog Royal Enfield schließlich mit der Himalayan nach. Sie war bis zum vergangenen Jahr noch luftgekühlt mit 411 cm3, jetzt wurde sie abgelöst durch die wassergekühlte Himalayan 450. KTM hat schon länger die in Indien gebaute 390 Adventure im Programm und will dieses Jahr mit einer neuen 390 Enduro angreifen. Suzuki überarbeitete seine bewährte DR-Z 400 S zur DR-Z4 S und verhalf ihr endlich zu einer Einspritzung, um sie mit aktueller Abgasnorm anbieten zu können. Vermutlich wird Voge mit der 300 Rally zu einem Dumpingpreis das einst auch hierzulande so beliebte Segment wiederbeleben helfen.