Elektroauto Ad-hoc-Laden in der Praxis: Frust und Freude ohne Vertrag

Vertragsfrei öffentlich Laden hat Vorteile und wird dank AFIR bald noch besser. Noch ärgern niedrige Ladeleistungen und ein Standortmangel entlang der Autobahn.

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Citroën ë-C3 Aircross

Citroën ë-C3 Aircross beim Laden

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Lesezeit: 7 Min.
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  • Christoph M. Schwarzer
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Es könnte alles so einfach sein – ist es aber nicht: Die Preise an der öffentlichen Ladeinfrastruktur für Elektroautos sind zu hoch. Für die meisten Fahrer, die häufig und viel unterwegs sind, bedeutet das, einen Stromvertrag mit einem bestimmten Betreiber abzuschließen. Je höher die monatliche Grundgebühr, desto niedriger der Preis pro Kilowattstunde, natürlich nur an den Standorten des jeweiligen Betreibers. Eine Alternative zu diesem Modell ist das vertragsfreie oder Ad-hoc-Laden. Es kommt, langsam, aber sicher. Wie gut funktioniert das Ad-hoc-Laden in der Praxis? Was sind die Vor- und Nachteile? Probieren wir’s aus.

Die Wahlmöglichkeit zum Ad-hoc-Laden ist für drei Gruppen wichtig: Zum einen für jene Menschen, die schlicht keine Vertragsbindung eingehen wollen. Zum anderen für die Gelegenheitslader, die nur selten die öffentliche Ladeinfrastruktur benutzen. Und zum Dritten für Durchreisende, die zu kurz in Deutschland sind für einen Vertrag.

Öffentliche Ladestationen können ohne Registrierung oder Vertragsbindung freigeschaltet werden. Das funktioniert in der Praxis nicht überall gleich gut.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Die Definition des Ad-hoc-Ladens steht in Artikel 2, Nummer 47, der Alternative Fuel Infrastructure Regulation (AFIR) der Europäischen Union, wie die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur auf Anfrage mitteilt: "Punktuelles Aufladen bezeichnet einen Aufladedienst, der von einem Endnutzer erworben wird, ohne dass dieser Endnutzer sich registrieren, eine schriftliche Vereinbarung schließen oder eine Geschäftsbeziehung mit dem Betreiber des Ladepunkts eingehen muss, die über den bloßen Erwerb des Aufladedienstes hinausgeht."

Das ist die Theorie. In der Wirklichkeit ist es manchmal komplizierter. Etliche Betreiber nötigen die Elektroautofahrer, auch beim Ad-hoc-Laden eine App zu installieren, bei der zum Beispiel die Kreditkartendaten hinterlegt werden müssen. Ist das etwa keine Registrierung? Hier gibt es eine juristische Unschärfe.

Gerd Bremer ist der Ansicht, dass nur das Aufladen ohne App echtes Ad hoc-Laden ist. Der Norddeutsche ist bekannt geworden, weil er eine auf Google Maps basierende Karte mit Standorten erstellt hat, die sofort ohne App zugänglich sind und an denen der Strom höchstens 50 Cent pro Kilowattstunde kostet. Weil es nicht weit ist, hat er das Gleiche auch für Dänemark gemacht.

Wie heftig die Unterschiede zwischen Ad hoc- und vertraglichem Laden sind, hat kürzlich der ADAC untersucht: Es sind bis zu 32 Cent pro Kilowattstunde oder 67 Prozent. Die Tabelle des ADAC ist seit 1. August nicht mehr ganz aktuell: Die EnBW hat den Ad hoc-Preis auf 79 Cent gesenkt, was weiterhin sehr teuer ist.

(Bild: ADAC)

Dass das Ad-hoc-Laden ohne Registrierung immer häufiger möglich ist, hat wieder mit der AFIR zu tun: Alle seit April 2024 neu installierten Standorte mit einer Ladeleistung von 50 und mehr Kilowatt in Europa müssen einen Direktzahlterminal haben. Der Bestand muss bis 2027 nachgerüstet werden. Solche Bezahlterminals sind in allen Lebensbereichen bis hin zum Wochenmarkt üblich, und außerhalb Deutschlands ist die Verbreitung selbstverständlicher als hier.

Für den Praxistest liefert neben Gerd Bremer die App "AirElectric" die Basis. Hier kann nach der Ladeleistung gefiltert werden (schließlich gibt es auch gemächliche AC-Standorte mit guten Ad-hoc Preisen) und außerdem nach dem Preis. Die Staffel reicht von höchstens 45 bis maximal 60 Cent pro Kilowattstunde. Um auf einem Level mit Gerd Bremers Karte zu bleiben, steht der Wert in der App auf 50 Cent.

MIt dem Elektroauto auf der Langstrecke

Die Konfrontation mit der Lebenswirklichkeit zeigt: Das Ad-hoc-Laden funktioniert. Es kann auch preisgünstig sein. Perfekt ist es aber noch nicht – Freude und Frust liegen nah beieinander. Beispiel Aldi Nord. Mit einiger Verzögerung nach Aldi Süd baut dieser Teil des Discounters Ladestationen auf. In Neu Wulmstorf vor Hamburg gibt es registrierungsfrei 50 kW Ladeleistung für 44 Cent pro Kilowattstunde. Das ist die Papierform. Dort angekommen ist einer von zwei Ladepunkten frei – und schon gibt es nur 25 statt 50 kW.

Irritierend dürfte für viele Nutzer auch die sogenannte Vorautorisierungsgebühr sein. Aldi Nord bucht formal 50 Euro im Voraus ab und ist beispielhaft für viele Anbieter. Der ADAC berichtet in einer aktuellen Auswertung von bis zu 150 Euro. Allerdings gab es bei Aldi Nord praktisch keine Rückbuchungsdauer, während der ADAC von bis zu "mehreren Tagen" berichtet.

Nach Aldi Süd fängt auch Aldi Nord mit der Installation von Ladesäulen an. An diesem Standort in Norddeutschland gibt es bis zu 50 Kilowatt Leistung für 44 Cent pro Kilowattstunde.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Viele Bau- und Supermärkte haben ähnliche Ladeangebote wie Aldi. Diese Unternehmen haben verstanden, dass es für sie finanziell attraktiver ist, die Infrastruktur selbst zu organisieren und abzurechnen, statt die riesigen Parkplätze in Bestlagen an Drittanbieter zu verpachten. Es ist mit einer deutlichen Zunahme dieser Standorte zu rechnen.

Die liegen zwar ideal fürs Shopping, aber nicht für die große Reise an der Autobahn. Auf der Langstrecke sind 50 kW Ladeleistung außerdem nicht mehr zeitgemäß. Wenigstens 150 kW sollten es schon sein. Unter diesen Voraussetzungen gibt es nur wenige Anbieter. Zum Beispiel die JET-Tankstellen: An der A1 zwischen Hamburg und Bremen liegt so eine Tankstelle mit Lademöglichkeit. 150 kW gibt es, und 49 Cent sind fair, aber vier Ladepunkte geraten schnell an Grenzen.

Ein anderer Anbieter, der es an den Fernrouten versucht, ist zum Beispiel Eviny, die gleichfalls 49 Cent aufrufen. Die Konkurrenz zu den etablierten Großbetreibern wie EnBW, der ohne Vertrag laut ADAC bis zu 79 Cent verlangt, entwickelt sich stetig, aber nicht radikal. Angesichts der noch nicht flächendeckenden Angebote an günstigen Ad-hoc-Ladestandorten ist ein Elektroauto mit einer großen Traktionsbatterie nützlich. Wer nur selten gezwungen ist zu laden, ist flexibler und kann Geld sparen.

Das Ad hoc-Laden ist keineswegs auf DC-Standorte beschränkt. Auch die relativ langsamen AC-Standorte können sofort freigeschaltet werden. Direktzahlterminals sind noch selten. Mit einem Elektroauto wie diesem Renault Scenic E-Tech, der AC-seitig 22 Kilowatt statt der üblichen elf Kilowatt lädt, sind solche Standorte eine gute Option. In naher Zukunft wird es außerdem Ladesäulen geben, die dynamische Stromtarife anbieten. Der Preis schwankt also in Abhängigkeit des Börsenpreises, wird aber 24 Stunden vorher planbar bekannt gegeben.

(Bild: Christoph M. Schwarzer)

Im Praxistest hat das Laden an allen Ad-hoc Ladepunkten störungsfrei funktioniert. Am besten geht das, wo bereits Bezahlterminals eingebaut sind. Das ist immer häufiger der Fall. Keine Frage, das Ad-hoc-Laden kann zu einer echten Konkurrenz für die Großbetreiber werden, falls die Elektroautofahrer das konsequent nutzen. Abstriche sind die häufig begrenzten Ladeleistungen, die möglichen Vorautorisierungsgebühren und der Mangel an Standorten entlang der Fernrouten. Es gibt aber keinen Grund anzunehmen, dass das mittelfristig nicht besser wird.

Bewegung in den Markt werden außerdem dynamische Ad-hoc-Tarife bringen, also Strompreise, die in Abhängigkeit der Börsenpreise höher oder niedriger sind. Diese Tarife werden im Voraus verbindlich für den nächsten Tag festgelegt, also zum Beispiel um 15 Uhr für die 24 Stunden des Folgetags. Könnte das dazu führen, dass einzelne Elektroautofahrer um zwei Uhr nachts an der Schnellladesäule vorm Supermarkt stehen? Aber ja.

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Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur berichtet unterdessen, dass es bald mehr Preistransparenz geben wird. Schon jetzt sind wegen der AFIR Datenbereitstellungspflichten in Kraft. Hier ist faktisch eine Preismeldestelle entstanden. Ab 14. April 2026 müssen diese Daten in einem definierten und einheitlichen Format bereitgestellt werden. Das ist die Basis für die europaweite Preistransparenz an schnellen Ladestationen – sie kommt nicht so schnell wie erwünscht, aber sie kommt.

(fpi)