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Batterie für das autonome Fahren von CATL: Sicher, schnell, langsam alt

CATL aus China setzt bei der Verfolgung des Ziels "schnell laden – langsam altern" noch eins drauf: Die neuen Akkus sollen auch sicherer werden.

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CATL No Propagation 3.0

CATL No Propagation 3.0 - der Marketingausdruck von CATL für seine neue Technologie

(Bild: CATL)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Wolfgang Gomoll
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Mit den Shenxing-Pro-Batterien bringt der chinesische Batteriehersteller CATL Akkus auf den Markt, die selbst bei Überhitzung einzelner Zellen noch eine gewisse Zeit funktionsfähig bleiben sollen. Das soll dem Fahrer oder einem selbstfahrenden Auto Zeit geben, das Fahrzeug sicher abzustellen.

"In Europa für Europa und zukünftig von Europa" steht für eine neue Strategie des chinesischen Batterieherstellers. CATL wird in Europa Batterien herstellen, die auf die Bedürfnisse der europäischen Autofahrer zugeschnitten sind. Auch sie wünschen sich, dass Laden so schnell wie Tanken abläuft und eine hohe Sicherheit bei Akkuschäden. Ein Auto, das auf dem Seitenstreifen der Autobahn ausrollen muss, weil die Stromversorgung zusammenbricht, ist keine schöne Vorstellung, ein Akkubrand auch nicht – genau wie die analogen Szenarien plötzlicher Antriebsverlust oder Motorbrand bei konventionellen Antrieben.

Trends beim Elektroantrieb

Shenxing Pro sind LFP-Batterien (Lithium-Eisenphosphat), die hohe Reichweite, Lebensdauer und Sicherheit überraschenderweise mit extremem Schnellladen vereinen sollen. Auf der IAA in München zeigt CATL zwei Versionen: eine Schnelllade-Variante mit einem Energiegehalt von rund 110 kWh sowie eine mit den Zusatzbezeichnungen "Super Long Life" und "Long Range" und 122 kWh. CATL verspricht eine kalendarische Haltbarkeit von zwölf Jahren beziehungsweise einer Million Kilometern, mit einer Alterung von neun Prozent nach 200.000 Kilometern.

Die Schnelllade-Akkus versprechen eine Ladegeschwindigkeit von 12C. Theoretisch sind sie – bei einer genügend leistungsfähigen Ladesäule – also in fünf Minuten voll. Das wäre Laden in Tank-Geschwindigkeit. In der Praxis lädt man allerdings selbst im optimalen Temperatur- und SoC-Fenster mit einer fallenden Leistungskurve. CATL nennt zehn Minuten bei 25 Grad für eine Ladung von zehn auf 80 Prozent und 20 Minuten bei −20 Grad von 20(!) auf 80 Prozent. Auf den WLTP umgerechnet wären das 478 km in zehn Minuten und bei −20 Grad immer noch beachtliche 410 km in 20 Minuten.

Dr. Lingo Zhu verkündet CATLs ehrgeizige Ziele

(Bild: CATL)

Die Superschnelllade-Variante der Shenxing Pro erreicht das durch eine Spitzenladeleistung von mehr als 1,3 MW. Selbst bei einem Ladestand von 20 Prozent liegt die Leistung noch bei 830 kW. Die Batterien sind auf europäische Fahrprofile ausgelegt und ermöglichen die Beschleunigung eines geeigneten Elektroautos von 0 auf 100 km/h in 2,5 Sekunden. Geeignet muss allerdings auch die Ladesäule sein – solche Giganten müsste man erst großflächig in der Infrastruktur verteilen, bevor man die Vorteile der Akkutechnik auch real nutzen könnte. Derzeit arbeiten Lkw-Hersteller mit Ein-Megawatt-Säulen, von denen erst einige wenige für einen Probebetrieb entlang europäischer Autobahnen stehen.

12C-Laden bei LFP-Akkus, die ja gerade nicht als flotte Stromsauger bekannt sind, ist das Ergebnis von Material- und Aufbauarbeit. Für die genannte Winterfestigkeit muss man bei LFP-Zellchemie kräftig zuheizen, allerdings will man bei CATL auch die Anoden verbessert haben. CATL hat dazu die Zelle als Grundeinheit neu gedacht: Die Anode bekommt einen Anteil an Graphit mit elastischen Pufferschichten sowie eine anorganische Festelektrolytschicht, was sowohl die Zyklenfestigkeit als auch mögliche Ladeleistung steigern soll. Laut den chinesischen Akku-Experten sollen nach über 10.000 Ladezyklen mehr als 70 Prozent der Batteriekapazität erhalten bleiben. Grundlage für ein Autoleben von mehreren Hunderttausend Kilometern.

Die Wave-Cell ermöglicht durch eine geänderte Geometrie das Verkleben und Kühlen an allen sechs Flächen. Es verändert den Aufbau der Batterie: Module lassen sich dichter packen, die Kühlung arbeitet effizienter, die Zellen halten länger. Das erhöht die Packvolumeneffizienz auf 76 Prozent und die Steifigkeit um 25 Prozent. Die Struktur soll zudem die Kühlkanäle zusätzlich schützen.

Der Akkuhersteller verspricht darüber hinaus auch eine Technologie, mit der die Sicherheit verbessert werden soll. Er stellt einen Akku vor, der ein entspanntes Abfahren von einer Straße und das Abstellen des Fahrzeugs an einem sicheren Ort oder sogar der nächsten Werkstatt ermöglichen soll – ohne, dass das Batteriemanagement im Fall eines Zelldefekts gleich den Strom abstellt, um Schlimmeres zu verhindern. Nach dem Motto "No Propagation", also keine Ausbreitung, soll ein Fehler in einer Zelle nicht auf die Nachbarzellen und damit den gesamten Akku übergreifen können. Denn dann käme es zu einer sich selbst beschleunigenden Überhitzungsreaktion und mehr Wärme, als der Akku abführen kann. Dann stiege die Temperatur immer schneller, chemische Zersetzung erzeugte zusätzliche Hitze, bis sich ein Sicherheitsventil zur Druckentlastung öffnet. Rauch und Flammen, im Extremfall ein Batteriebrand können die Folge sein.

CATL Shenxing Pro Batterie

(Bild: CATL)

Bei den Shenxing-Pro-Akkus hingegen soll ein Defekt nicht auf Nachbarzellen überspringen können. Zudem soll das Auto fahrfähig bleiben. Dazu trennt das Batteriemanagement die betroffene(n) Zelle(n), kühlt diese aktiv und hält den Rest des Packs in Betrieb. Die Leistung wird so zwar gedrosselt, aber Antrieb, Lenkung, Bremskraftverstärker, Licht und Heizung bleiben laut CATL über eine Stunde kontrolliert aktiv. Das gibt dem Fahrer genug Zeit, sicher auf den Seitenstreifen, zur nächsten Ausfahrt, bestenfalls sogar in eine Werkstatt zu fahren. Auch für den Pannendienst bleiben die Batterien berechenbar: Das System bleibt elektrisch stabil und wird überwacht, statt chaotisch abzuschalten oder thermisch durchzugehen.

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Mehrstufige Schutzmaßnahmen in der Zelle sollen sich zu einer kaum zu überwindenden Barriere gegen das gefürchtete Thermische Durchgehen addieren. Dazu zählen ein flammenhemmender Elektrolyt, ein unbrennbarer Separator und eine nanobeschichtete Kathode. Weitere Bausteine sind Aerogel-Sperren, eine feuerfeste Beschichtung, die aktiv gekühlte Hochvoltschiene und insbesondere die Überwachung kritischer Zellparameter wie Isolation, Temperatur, Spannung und Druck. Welche Kunden die neue Akkutechnik als erste kaufen werden und wann ein Markteintritt mit diesen Batterien möglich ist, sagte CATL nicht. Die recht genauen Angaben zur Leistungsfähigkeit und die Art der Ankündigung indes lassen bereits relativ weit gediehene Produkte erwarten.

(fpi)