Gericht stärkt EU den Rücken: Amazon scheitert mit Klage gegen DSA-Einstufung
Amazon scheitert mit seiner Klage gegen die DSA-Einstufung. Die EU darf Tech-Konzerne mit über 45 Mio. Nutzern besonderen Pflichten unterwerfen.
(Bild: Nikita Burdenkov/Shutterstock.com)
Die Europäische Union darf große Tech-Unternehmen als "sehr große Online-Plattform" einstufen und ihnen Pflichten auferlegen. In einer Entscheidung hat das Gericht der Europäischen Union der EU jetzt den Rücken gestärkt. Amazon hatte die Klassifizierung im Zuge des Gesetzes für digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) in einer Klage grundsätzlich infrage gestellt. Das US-Unternehmen sah in den auferlegten Pflichten einen unzulässigen Eingriff in die Grundrechte. So seien die unternehmerische Freiheit, das Eigentumsrecht, der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz, die Meinungsfreiheit, die Informationsfreiheit, das Recht auf Privatsphäre und der Schutz vertraulicher Daten verletzt worden (Rechtssache T-367/23).
Eine Amazon-Sprecherin erklärte auf Anfrage von heise online, dass man von dem Urteil enttäuscht sei und beabsichtige, Berufung einzulegen.
Das Gericht folgte Amazon in keinem der Punkte und wies die Klage ab. Damit steht es der EU weiterhin frei, Online-Plattformen und Suchmaschinen, die über 45 Millionen Nutzer in der Europäischen Union haben, anders zu behandeln als andere Unternehmen mit weniger Nutzern. Die Zahl von 45 Millionen bemisst sich an der Gesamteinwohnerzahl – sie entspricht zehn Prozent der Bevölkerung der Union. Amazon selbst ist durch den DSA betroffen, da sein Online Store als sehr große Online-Plattform eingestuft wurde. Das Unternehmen hatte die Klage im Juli 2023 eingereicht.
Gericht: Schutz vor Risiken ist legitim
Die EU habe keinen Fehler begangen, als sie davon ausging, dass sehr große Online-Plattformen Risiken für die Gesellschaft darstellen können, befand das Gericht. Dies könnte etwa durch die Verbreitung illegaler Inhalte oder die Verletzung von Grundrechten der Fall sein, wozu auch der Verbraucherschutz gezählt wird. Die besonderen Pflichten des DSA, wie das Verbot von Profiling bei Empfehlungen im Onlineshop oder Zugang von Forschern zu bestimmten Daten, verhindern die Risiken. Den Unternehmen sei es zumutbar, dass dies für sie mit erheblichen Kosten verbunden ist. Einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit stelle das nicht dar.
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Auch von einem Entziehen des Eigentums könne keine Rede sein. Mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz seien die besonderen Pflichten nicht willkürlich gewählt, da nicht abzustreiten sei, dass eine Plattform mit mehr als 45 Millionen Nutzern großen Einfluss hat. Bezogen auf das Verbot, Empfehlungen per Profiling zu erzeugen, wiege der Verbraucherschutz schwerer als die Meinungsfreiheit, auf die sich Amazon beruft.
Eingriffe sind verhältnismäßig
Dass der vorgeschriebene Zugang von Forschern zu bestimmten Unternehmensdaten und die auferlegte Transparenz bei der Werbung Privatsphäre und den Schutz vertraulicher Informationen berühren, bejaht das Gericht. Allerdings seien auch hier die DSA-Vorschriften verhältnismäßig und dienten dem allgemeinen Interesse, Risiken für die Gesellschaft und den Verbraucherschutz zu verhindern. Da der Zugang zu Daten streng geregelt sei, wird auch hierin kein unzulässiger Eingriff gesehen.
Gegen die Entscheidung des Gerichts kann Amazon innerhalb von zwei Monaten und zehn Tagen ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel einlegen.
Amazon zeigte sich in einer Stellungnahme enttäuscht: "Wir stimmen mit dem Ziel der Europäischen Kommission überein, die Sicherheit der Kunden im Internet zu gewährleisten, und haben uns schon lange vor dem Digital Services Act (DSA) dafür eingesetzt, sie vor illegalen Produkten und Inhalten zu schützen", erklärte eine Sprecherin. Der Amazon Store als Online-Marktplatz berge keine systemischen Risiken; er verkaufe lediglich Waren und verbreite oder verstärke keine Informationen, Ansichten oder Meinungen. Die DSA-Einstufung sei eigentlich dafür geschaffen worden, "um systemische Risiken anzugehen, die von sehr großen Unternehmen ausgehen, deren Haupteinnahmequelle Werbung ist und die Meinungen und Informationen verbreiten", argumentiert Amazon.
Stellungnahme von Amazon ergänzt
(mki)