Die US-Wahl im Internet

John F. Kerry oder George W. Bush? Die Frage, wer der nächste US-Präsident wird, ist auch im Internet ein weit verbreitetes Thema. Sie wird -- womöglich mit Verzögerung -- dort auch beantwortet.

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Am kommenden Dienstagabend schließen in den USA die Wahllokale zur Präsidentschaftswahl. Ob an dem Abend bereits mit einer Entscheidung darüber zu rechnen ist, ob George Walker Bush in seinem Amt bleiben kann oder der Demokrat John Forbes Kerry ins Weiße Haus einziehen wird, möchte so mancher, der sich an die Wahl vor vier Jahren erinnert, kaum glauben. Seinerzeit stand das entscheidende Ergebnis des Bundesstaats Florida 36 Tage lang auf der Kippe, bis der oberste Gerichtshof dem Nachzählungsmarathon ein Ende machte und Bush sich die 27 Wahlmännerstimmen des Sonnenstaates sichern konnte. Eine Nachzählung aller Stimmen in Florida hätte nach Meinung eines Medienkonsortiums sogar ergeben, dass der Demokrat Al Gore 43. Präsident der USA geworden wäre.

Seit Wochen wird in einigen Bundesstaaten bereits gewählt, darunter auch Florida. Ausgerechnet dort gab es im Wahlbezirk Palm Beach bei einem Test der Touchscreen-Wahlmaschinen Probleme. In Fort Lauderdale fielen wegen eines technischen Fehlers Computer aus. Die Wahlwilligen konnten stundenlang ihre Stimme nicht abgeben. In einigen Staaten haben sich Bürger zusammengefunden, um gegen elektronische Urnen zu klagen, da sie keine Kopie der Stimmabgabe auf Papier verfertigen und damit keine Nachzählung zulassen. Die Zweifel an einer korrekten Wahlabwicklung hat dazu geführt, dass die OSZE Wahlbeobachter in das selbsternannte "Mutterland der Demokratie" schickt. Kritiker sagen, dass es bei dieser Wahl noch mehr Probleme als vor vier Jahren geben wird. Dabei wird die von der OSZE entsandte internationale Wahlbeobachtungskommission keine Möglichkeit haben, die korrekte Stimmauszählung der elektronischen Wahlmaschinen zu überprüfen, an denen diesmal schon rund ein Drittel der Wähler ihr Votum abgibt.

Viel steht auf dem Spiel, beispielsweise für die Wissenschaftler in den USA, die sich für eine Abwahl von Bush ausgesprochen haben und darauf hoffen, dass Kerry Mittel aus dem Rüstungshaushalt für ihre Zwecke zurückschichtet. Fraglich ist nach Veröffentlichung einer Umfrage des Program on International Policy Attitudes, ob das Wahlvolk insgesamt von solch rationalen Überlegungen gelenkt wird. Nach dieser Umfrage glaubt die Mehrzahl der Bush-Anhänger noch immer, dass der Irak Massenvernichtungswaffen hatte und al-Qaida unterstützte. Gerne hätten sich auch Nicht-Amerikaner über die Absichten des aktuellen Präsidenten informiert, doch die offizielle Wahlkampfseite Georgewbush.com ist für Ausländer gesperrt.

Wenigstens wissen wir durch Bushs Antworten auf einen Fragebogen der Computer Technology Industry Association, dass er sich prinzipiell für den Schutz geistigen Eigentums einsetzt. Kerry appellierte am Dienstag an die nationale Ehre der US-amerikanischen Unternehmen und versprach, das Offshore-Outsourcing von IT-Arbeitsplätzen einzudämmen. Kerry Wahlkampfsite ist übrigens auch für nicht US-Amerikaner frei zugänglich. Zeitweise ließ sich die Sperre für Georgewbush.com durch Eingabe der IP-Adresse (http://65.172.163.222) in den Browser umgehen.

Unentschiedene Wähler, die sich mit Hilfe des Computers zu ihrer Stimmabgabe leiten lassen wollen, bekommen ähnlich wie zur Bundestags- und Europawahl hierzulande vom Wahl-O-Mat in den USA Unterstützung durch den President Match von AOL und Time. Allerdings sind dort nur die politischen Programme von Bush und Kerry berücksichtigt, nicht aber zum Beispiel das von Ralph Nader. Er steht trotz der Bitten einiger US-Aktivisten, seine Kandidatur zu Gunsten von John Kerry zurückzuziehen, weiterhin zur Wahl und wird so wohl auch in diesem Jahr die Zunge an der Waage sein, sagen einige Meinungsforscher.

Seit Monaten, spätestens seit John Kerry als demokratischer Kandidat feststeht, arbeiten sie in den USA auf Hochtouren. Zuvor hatte sich die Kandidatur des demokratischen Kandidatenanwärters Howard Dean als Rohrkrepierer erwiesen. Die Netzgemeinde spekulierte darüber, ob die hauptsächlich im Internet aufgezogene Kampagne ähnlich der Dotcom-Blase geplatzt ist. Wenigstens hatte sich Dean standesgemäß als erstes in seinem Weblog vom Präsidentschaftstraum verabschiedet.

Wie es nun um die Chancen des verbliebenen demokratischen Kandidaten bestellt ist, darüber liefern unzählige Websites Informationen. Wer nicht alle abklappern möchte, bekommt bei Pollingreport.com einen aktuellen Überblick über die aktuellen Umfragewerte der verschiedenen Meinungsforschungsinstitute. Dort war auch erkennbar, dass Bush trotz der vermeintlichen Unterlegenheit in den Fernsehdebatten sogar mitunter seinen Vorsprung vor Kerry ausbauen konnte.

Doch Prozentergebnisse auf Basis von nationalen Umfrage nützen angesichts des Wahlverfahrens in den USA wenig. Dave Leip's Atlas of U.S. Presidential Elections geht einen anderen Weg und rechnet Einzelumfragen aus den Bundesstaaten in Wahlmännerstimmen hoch. Die nüchtern, aber höchst informativ gehaltene englischsprachige Website bietet sich übrigens für statistisch Begeisterte gut dafür an, sich mit diversen Tabellen und Grafiken zu früheren Abstimmungen auf die Wahlnacht einzustimmen. Informationen zum Wahlrecht auf Deutsch bietet die Website der US-Botschaft.

Der Wahlatlas bietet sich am Dienstag auch dafür an, die aus den einzelnen Bundesstaaten eintrudelnden Ergebnisse entsprechend der Election Night Timeline zu verfolgen. Interessant erscheint, dass die Kursverläufe der Wahlstreet, wo auch zu dieser US-Wahl Aktien auf die Kandidatenchancen gehandelt werden können, ähnlich verlaufen wie die kumulativen Umfrageergebnisse bei Dave Leip, sich die Kurven von Bush und Kerry also bis zuletzt annäherten und nahezu gleiche Chancen anzeigten. Mittlerweile werden Bush auf beiden Meinugsplattformen wieder bessere Chancen zugesprochen. Welche Rolle die nun aufgetauchte Videobotschaft Osama bin Ladens bei der Wahlentscheidung gespielt haben könnte, werden die Forscher wohl erst nach dem 2. November ermitteln können.

Multimedialer als beim Wahlatlas wird es auf den einschlägigen Seiten der US-amerikanischen Fernsehanstalten CNN, CBS, NBC oder ABC zugehen. Im deutschen Fernsehen sendet die ARD am 2. November ab 23.00 Uhr bis 5.30 Uhr, das ZDF geht eine Stunde später auf Sendung. Auf Wunsch des US-amerikanischen Filmemachers und Bush-Kritikers Michael Moore zeigen am Montagabend die Sender Pro Sieben, SF 2 und ORF 1 seinen Film Fahrenheit 9/11. Moore versucht darin nachzuweisen, dass der US-Präsident die Anschläge vom 11. September 2001 dazu benutzte, seine eigene politische Agenda durchzusetzen. Der Film tauchte angeblich mit Billigung des Regisseurs kurz nach dem Kinostart bereits in Internet-Tauschbörsen auf. Im US-amerikanischen Fernsehen wird der Film nicht gezeigt. Der Pay-per-View-Sender In Demand nahm Abstand von der Ausstrahlung.

Einen Report zu elektronischen Wahlmaschinen in den USA bringt die kommende c't 23/2004, die ab dem morgigen Montag, den 1. November, im Handel ist, auf Seite 100: E-Voting - ein Spiel mit dem Feuer. (anw)