Microsofts Mediaplayer-Strategie vor EU-Gericht unter Beschuss

Gegner des Redmonder Softwarekonzerns haben interne Memos vorgelegt, die die aggressive Strategie von Microsoft belegen sollen.

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Der Interessenverband European Committee for Interoperable Systems (ECIS), der im Prozess Microsoft gegen die EU-Kommission als Vertreter von Unternehmen wie IBM, Nokia oder Oracle auftritt, hat laut Medienberichten vor dem EU-Gericht Erster Instanz in Luxemburg interne Notizen des Microsoft-Managers Jim Durkin vorgelegt. Sie sollen belegen, mit welcher Aggressivität sich Microsoft gegen Konkurrenten auf dem Markt für Media-Software durchsetzt. Diese gestern vorgebrachten Notizen kamen am heutigen zweiten Anhörungstag vor den 13 Richtern zur Sprache.

Das besagte Memo vom 5. Juni 1997 gibt demnach Äußerungen von Bill Gates und anderen Microsoft-Verantwortlichen wieder, die sich während eines Treffens zu den Herausforderungen des Konkurrenten RealNetworks äußerten, seinerzeit mit seinem Realplayer Marktführer für Streaming-Software. Durkin habe RealNetworks mit Netscape verglichen. Im Unterschied zu der Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzbrowser habe Microsoft aber diesmal die Gelegenheit, den Kampf früher aufzunehmen. Gates selbst habe angemerkt, auf diesem strategischen Feld müsse sein Unternehmen gewinnen. Microsoft-Anwalt Jean-Francois Bellis meinte, die Zitate seien einem größeren zurückliegenden Zusammenhang entnommen.

Wegen Microsofts "Browserkrieg" gegen Netscape hatten 1998 das US-Justizministerium sowie einige Bundesstaaten gegen Microsoft Klage eingereicht. Auch AOL, spätere Netscape-Mutter, klagte 2002 gegen Microsoft wegen Schäden, die durch die Bündelung von Windows mit dem hauseigenen Internet Explorer Mitte der Neunzigerjahre entstanden sein sollen. AOL beendete 2003 den Streit mit Microsoft mit einem Vergleich, ebenso wie im November 2001 das Justizministerium seinen Zwist mit dem Redmonder Riesen. Zuvor hatte die neue US-Regierung unter George W. Bush angekündigt, nicht mehr auf eine Zerschlagung des Konzerns zu dringen und den Vorwurf fallen zu lassen, die Integration des Internet Explorer in das Betriebssystem sei illegal gewesen.

Auch in diesem Verfahren sei, so heißt es in den Medienberichten, bereits das nun von dem ECIS vorgelegte Durkin-Memo als Beleg für die Microsoft-Strategie vorgebracht worden. Nachdem der Windows Media Player mit dem Microsoft-Betriebssystem gebündelt wurde, habe der Marktanteil des RealPlayers stetig abgenommen, argumentieren das ECIS sowie auch Vertreter der EU-Kommission. ECIS zeigte auch eine E-Mail aus dem Jahre 1999 vor, in der sich Microsoft-Manager Anthony Bay an Gates mit der dringenden Bitte gewandt hatte, die "Schlacht Netshow gegen Real durch eine Schlacht Windows gegen Real" zu ersetzen und die Internet-Explorer-Strategie zu verwenden, wo immer dies notwendig sei – eine Strategie, die bereits 2001 von einem US-Gericht für illegal erklärt wurde. Auch dieses Dokument kam bereits in einem früheren Verfahren zum Zug.

Microsoft behauptet in der seit gestern laufenden und für fünf Tage angesetzten Anhörung, "dass es eine starke Konkurrenz gibt und dass die Verbraucher die Wahl haben". Auch gebe es nur eine äußerst geringe Nachfrage nach Windows XP N, einer Windows-Version ohne den Microsoft-Mediaplayer. Vor dem EU-Gericht Erster Instanz wird derzeit die Klage Microsofts gegen die von der EU-Kommission im März 2004 verhängte Geldbuße von 497 Millionen Euro und erteilte Produktauflagen verhandelt.

Zum EU-Kartellverfahren gegen Microsoft siehe auch: