Zwei Jahre Falk-Prozess: Patiencen, Posen und Rituale

Im größten Wirtschaftsverfahren in der Geschichte Hamburgs müssen sich der frühere Börsenliebling und Internet-Unternehmer Alexander Falk und Ex-Manager seiner Unternehmen wegen Betrugs, Kursmanipulation und Steuerhinterziehung verantworten.

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Von
  • Kai Portmann
  • dpa

Irgendwann hat der Angeklagte in der zweiten Tischreihe rechts damit angefangen. Irgendwann hat der Mann, der im Rücken der Hauptperson sitzt, sein Laptop aufgeklappt und – statt dem Prozess zu folgen – begonnen, per Mausklick Patiencen zu legen, eine nach der anderen, stundenlang. Das passt gut. Denn nichts ist mehr gefragt als ausgeprägte Geduld im prächtigen Plenarsaal des Hamburger Landgerichts, wo sich seit zwei Jahren der einstige Internet-Unternehmer Alexander Falk und fünf Mitangeklagte wegen Betrugs verantworten müssen.

Im größten Wirtschaftsverfahren in der Geschichte Hamburgs hatten der frühere Börsenliebling Falk und Ex-Manager seiner Unternehmen am 3. Dezember 2004 erstmals im Saal 300 des Strafjustizgebäudes zu erscheinen. Die Anklagevorwürfe: Schwerer Betrug, Kursmanipulation und Steuerhinterziehung. Der jetzt 37 Jahre alte Falk und seine Mitstreiter sollen den Wert der Internet-Firma Ision durch Scheingeschäfte in die Höhe getrieben und so bei deren Verkauf an die britische Energis im Jahr 2000 einen überzogenen Preis kassiert haben. Auf mindestens 46,7 Millionen Euro bezifferte die Staatsanwaltschaft den Schaden.

Was an den Vorwürfen dran ist, weiß aber auch nach fast 100 Verhandlungstagen in dem komplizierten Wirtschaftsprozess keiner der Beteiligten zu sagen. "Es ist bunt und es ist verwickelt. Wir sehen mal, wie sich das auflöst", sagt Falks Verteidiger Thomas Bliwier. Sein Mandant, Millionenerbe des väterlichen Stadtplan-Verlags, den er aber schnell verkaufte, tritt in siegessicherer Pose auf. Als er im April 2005 unter strengen Auflagen aus einer fast zweijährigen Untersuchungshaft entlassen wurde, war er noch blass und etwas außer Form. Nun kommt der braun gebrannte Falk so leichten Schrittes und so betont gut gelaunt zum Gericht, als werde augenblicklich sein Freispruch verkündet.

Die anfangs giftige Atmosphäre im Prozess, angeheizt oft durch Sticheleien zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft, ist einer entspannteren Arbeitsstimmung gewichen. Das liegt wohl auch daran, dass die Große Strafkammer 20 unter dem Vorsitzenden Richter Nikolaus Berger in manchen Fragen eher der Verteidigung folgt. Seit einem Jahr betonen Berger und seine Kollegen, dass sie Falk nach dem bisherigen Stand nicht mehr eines vollendeten, sondern nur noch eines versuchten Betrugs für verdächtig halten. Der Grund: Ein Marktpreis für die Ision sei nicht festzustellen, also sei auch ein Schaden "als Voraussetzung eines vollendeten Betruges nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit" zu ermitteln.

"Wir sind der Meinung, dass es nicht einmal einen Versuch (des Betrugs) gegeben hat", macht Anwalt Bliwier zwar deutliche Differenzen der Falk-Verteidigung zur Auffassung der Kammer klar. Doch immerhin heben die Richter des Landgerichts mit dem Argument, Falk habe bei einem Schuldspruch nur noch eine Verurteilung wegen versuchten Betrugs zu erwarten, den Haftbefehl gegen den 37-Jährigen mangels Fluchtgefahr immer wieder auf – bis die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegt und beim Hanseatischen Oberlandesgericht Recht bekommt. Die höhere Instanz hält Falk weiter eines vollendeten Betrugs für verdächtig.

Das juristische Tauziehen zwischen den Hamburger Gerichten ist zum Ritual geworden. Ebenso wie das Patience-Spielen des Angeklagten in der zweiten Tischreihe rechts. Richter Berger will bald mit seinem Programm durch sein, dann sind die versammelten Verteidiger am Zug. Vorsorglich hat die Kammer Prozesstermine zunächst bis zum 13. August kommenden Jahres festgelegt. Zeit genug, noch Hunderte von Patiencen zu legen.

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(Kai Portmann, dpa) / (jk)