Microsoft bringt Kinect und Azure ins Auto

Microsofts Bewegungssteuerung Kinect soll zukünftig Mimik und Gestik des Autofahrers erkennen – und Microsoft Azure könnte den Draht zur Cloud herstellen. Wie praktisch: wir fahren unter Aufsicht eines Wolkenwesens

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Von
  • Gernot Goppelt
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Hannover, 27. Juni 2012 – Microsoft hat bis vor wenigen Stunden über eine Anzeige auf seinen Website einen neuen Mitarbeiter gesucht. Nicht, dass wir heise Autos jetzt zum Basar für ausgelaufene Stellenanzeigen umfunktionieren wollen, doch eben diese im Nirvana verschwundene Anzeige sagt viel darüber aus, wie der Softwareriese sich zukünftig in die Automobilentwicklung einbringen will – unter anderem mit der Ganzkörper-Mensch-Maschine-Schnittstelle Kinect. "For the next generation of the Connected Car Platform, we plan to leverage the full power of the Microsoft ecosystem including Kinect, Windows 8, Windows Phone, Windows Live, Bing, Azure, and Tellme." Kinect kann Gesten, Mimik und Spache erkennen, bis hin zur Identifizierung seines Gegenübers. Microsoft blickt dabei aufgrund seiner Erfahrung mit der Spielkonsole Xbox auf praktisches Wissen zurück, das den Automobilherstellern weitgehend fehlt. Die Zielsetzung ist klar: Das Auto der Zukunft soll unser Verhalten ganzheitlich zu interpretieren wissen und uns mit Hilfe der Cloud mit dazu passenden Informationen versorgen.

Nachdem Microsoft um die Jahrtausendwende herum von der Automobilindustrie noch kritisch beäugt wurde, hat sich das Unternehmen mittlerweile als Lieferant und Entwicklungspartner etabliert. Wahrscheinlich erleben wir in Produkten wie Fiat Blue&Me oder jüngst Ford Sync nur einen kleinen Vorgeschmack dessen, was uns in Zukunft erwartet. Dass die Automobilindustrie Microsoft heute so bereitwillig "ins Auto lässt", liegt auch daran, dass sich keiner mehr dem Gedanken des "Autos in der Cloud" verschließen will. Infotainment-Funktionen lassen sich ja auch relativ einfach von sicherheitsrelevanten Fahrzeugfunktionen abschotten. Vor zehn Jahren waren die Sorgen größer, weil "Internet im Auto" ein exotisches Thema ohne nennenswerte Praxiserfahrungen war. Doch die Sorgen könnten wieder größer werden, weil sich das Netz zu einem Marktplatz wandelt, in dem Softwarehersteller mitverdienen wollen und aus ihrer Perspektive sogar müssen – das klassische Modell, ein Stück Software zu verkaufen, läuft aus.

Microsoft bringt Kinect und Azure ins Auto (5 Bilder)

Es gibt schon ein Auto mit Kinect-Technik von Microsoft.

Bei diesem Messeexponat, das Microsoft im April 2012 zusammen mit einem Tuner vorgestellt hat, beobachten die Kameras allerdings nur die Umgebung, eine nette Spielerei.

Mit Windows Embedded Automotive hat Microsoft mühevoll aber letztlich erfolgreich eine Entwicklungsumgebung etabliert, welche die Implementierung verschiedener Infotainment-Funktionen im Auto erlaubt, einschließlich des Internetzugangs und solcher Segnungen wie sozialer Netzwerke, Internetradio oder E-Mail – je nachdem, was ein Automobilhersteller dann wirklich anbieten will. Bisher hat sich das Unternehmen aber darauf beschränkt, mit dem Lizenzgeschäft zu verdienen, nicht mit nachgeordneten Internet-Services für den Endkunden, die Windows im Auto als Grundlage nutzen. Mit der Einführung von Windows 8 will der Softwareriese aber offenbar einen Riesenschritt weiter gehen: So soll zum Beispiel Microsoft Azure als Cloud-Erweiterung hinzukommen, sicher nicht nur aus altruistischem Antrieb. Noch spannender ist aber die Idee, mit dem Auto über Gesten, Minik und Sprache zu ^kommunizieren – das klingt sehr menschlich und etwas unheimlich.