ISO-Spitze für Ablehnung der Einsprüche gegen OOXML-Normierung (Update)

Die Generalsekretäre der Internationalen Organisation für Normung und der Internationalen elektrotechnischen Kommission können trotz der vier formellen Widersprüche gegen die Zertifizierung des Dokumentenformats Microsofts keinen Regelverstoß entdecken.

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Die Generalsekretäre der Internationalen Organisation für Normung (ISO) und der Internationalen elektrotechnischen Kommission (IEC) haben bei der Prüfung des Zertifizierungprozesses von Office Open XML (OOXML) keine Regelverstöße ausgemacht. In einem heise online vorliegenden 35-seitigen Papier empfehlen sie dem Technical Management Board (TMB) der Genfer Institution ISO und einem Aufsichtsrat der IEC daher, die vier Einsprüche von Mitgliedsstaaten gegen das Verfahren abzulehnen. Die meisten Beanstandungen seien inkorrekt, in den anderen Fällen würden die Eingaben "nicht zutreffen". Zudem hätten die vier nationalen Normierungsgremien keine handhabbaren Vorschläge zur Beilegung des Streits gemacht.

Nun steht noch die Bewertung der Einsprüche durch das TMB und das Standardization Management Board (SMB) der ISO-Schwestereinrichtung IEC aus. Sollten diese zu einer anderen Auffassung kommen als die Generalsekretäre, könnte es immer noch zu einem Schlichtungsverfahren kommen. Andernfalls dürften sich die Eingaben nach der Abstimmung zwischen den Generalsekretariaten der ISO und der IEC erledigt haben. Die Frist zur Abgabe der Bewertungen durch die beiden Beiräte läuft bis zum 4. August.

Brasilien, Indien, Südafrika und Venezuela hatten Ende Mai offiziell dem Normierungsverfahren widersprochen. Sie monierten etwa, dass vor der ersten Abstimmungsrunde im Herbst 2007 kein Ergebnistreffen anberaumt worden sei. Zudem sei bei der Einspruchberatung Ende Februar nach dem vorläufigen Scheitern der OOXML-Normierung im September kein Konsens über nötige Änderungen an der Spezifikation erzielt worden. Vielmehr sei pauschal über viele nicht besprochene Korrekturvorschläge abgestimmt worden. Auch habe die ISO bis heute keine endgültige Version der in zweiter Runde dann als Norm mit der Nummer DIS 29500 angenommenen Spezifikation veröffentlicht.

Der Normierungsmotor der ISO geriet aufgrund der Einsprüche und der vielen Berichte über Unregelmäßigkeiten bei dem Zertifizierungsverfahren zunächst ins Stottern. Die Genfer Organisation legte die Spezifikation daher zunächst auf Eis. Der Empfehlung der Generalsekretäre zufolge ist aber alles mit rechten Dingen zugegangen, der Prozess könnte abgeschlossen werden. Demnach habe die Einspruchberatung durchaus einen Konsens über die Änderungen an "Open Office XML" erzielt, wie die Führungsebene versehentlich gleich im Titel des Papiers im Anklang an das alternative und frei verfügbare Bürosoftwarepaket OpenOffice.org schreibt, das den mit OOXML konkurrierenden und bereits von der ISO zertifizierten Standard Open Document Format (ODF) unterstützt. Auch die Pauschalabstimmung am Ende der Beratung sei von der Mehrheit der Mitglieder bei nur zwei Enthaltungen mitgetragen worden.

Andere vorgebrachte Klagen, dass etwa der von der ECMA eingereichte Standard gar nicht normierungsreif gewesen sei, dass die Diskussionen vor den Abstimmungen durch große internationale Konzerne bestimmt gewesen oder die nationalen Delegationen mit zuwenig Informationen über das Vorhaben zudem in nicht ausreichender Zeit versorgt worden seien, erkennen die Generalsekretäre zwar prinzipiell an. Darüber hätten sich die nationalen Normierungsgremien dann aber selbst ein Urteil bilden können. Ein solches hätten sie ja auch durch ihre Zustimmung zu oder Ablehnung der OOXML-Zertifizierung abgegeben.

Das Abstimmungsergebnis könne nur dann aufgehoben und der normale fünfstufige Normierungsprozesses nur dann eingeschlagen werden, wenn "schwere Verfahrensfehler" nachgewiesen würden, schreiben die Generalsekretäre weiter. Diesen Nachweis hätten die vier Länder nicht erbracht. Einige Hinweise wie die von Südafrika zu allgemeinen Verfahrensverbesserungen könnten aber für künftige Vorgänge hilfreich sein.

Update: In der ersten Fassung des Artikels wurde das Technical Management Board fälschlicherweise als Autor des Papiers genannt. Tatsächlich ist das TMB der Empfänger einer entsprechenden Empfehlung der Generalsekretäre von ISO und IEC. Wir bitten den Irrtum zu entschuldigen.

Siehe zu den Dokumentenformaten und ihrer Standardisierung auch:

(Stefan Krempl) / (anw)