Amnesty International sieht beschämende Menschenrechtslage in China

Die Regierung in Peking habe ihr vor den Spielen gegebenes Versprechen, die Menschenrechte zu verbessern, nicht eingehalten, kritisiert die Menschenrechtsorganisation.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 133 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • dpa

Vier Monate vor den Olympischen Spielen hat Amnesty International (ai) die Menschenrechtssituation in China als "beschämend" kritisiert. Die Regierung in Peking habe ihr vor den Spielen gegebenes Versprechen, die Menschenrechte zu verbessern, nicht eingehalten. "Die Lage hat sich eher verschlechtert als verbessert", sagte ai-Generalsekretärin Barbara Lochbihler am gestrigen Dienstag in Berlin. "Zur Zeit werden verstärkt Menschenrechtsaktivisten in und um Peking mundtot gemacht, in Tibet regieren Gewaltmissbrauch, mutmaßliche Folter und strikte Medienblockade." Amnesty forderte eine unabhängige Untersuchung des Vorgehens der Sicherheitskräfte in Tibet.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) will sich trotz der massiven Kritik an seinem Schweigen zu den Geschehnissen in Tibet und den Menschenrechtsverstößen in China aus politischen Fragen heraushalten und sich vielmehr auf die Vorbereitung der Spiele konzentrieren. In jüngster Zeit seien die Spiele in Peking "mehr als je zuvor in Fragen hineingezogen worden, die nicht unbedingt eine Verbindung zur Austragung der Spiele haben", sagte der Chef der IOC- Koordinierungskommission, Hein Verbruggen, bei einer Sitzung mit den Olympia-Organisatoren in Peking.

Der IOC-Vizevorsitzende Kevin Gosper forderte bei dem Treffen, dem letzten vor den Sommerspielen, eine Aufhebung aller Blockaden im Internet in China, damit die rund 30.000 Medienvertreter so frei wie bei früheren Spielen arbeiten könnten. Pekings Außenministerium wies die Forderung zurück. Die Sprecherin Jiang Yu sagte, die "Verwaltung des Internets" folge nur internationaler Praxis. Blockaden richteten sich gegen Informationen, die in China gesetzlich verboten seien. Das täten andere Staaten auch: "Das ist ganz normal."

Amnesty warf China vor, seine Zusage, Journalisten freie Berichterstattung zu gewähren, nicht eingehalten zu haben. Vor allem müsse ihnen auch ungehinderter Zugang nach Tibet gewährt werden. Lochbihler beklagte auch, dass chinesische Journalisten zensiert würden und Haftstrafen für kritische Artikel riskierten. "Es ist höchste Zeit, dass das IOC und die Regierungen dieser Welt, aber auch Sponsoren wie Adidas und Volkswagen, ihren Einfluss geltend machen und öffentlich einen Wandel fordern." China müsse auch alle politischen Gefangenen sofort freilassen.

Human Rights Watch forderte die IOC-Ethik-Kommission auf, für Gastgeber von Olympischen Spielen klare Menschenrechtsstandards zu definieren. Das IOC arbeite in einer "moralischen Leere". "Die Frage ist nicht, ob das IOC eine Menschenrechtsorganisation ist", sagte Sophie Richardson, Asiendirektorin der Menschenrechtsgruppe. "Es geht darum, ob die Olympische Bewegung die Menschenrechte respektiert. Wenn das der Fall ist, ist es nicht akzeptabel, weiter über Chinas Verfolgung zu schweigen." Indem sich das IOC nicht von Verstößen in Verbindung mit den Spielen distanziere, werde die Menschenrechtslage in China untergraben und die Olympische Charta "verspottet".

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin forderte bei einem Besuch in Peking, dass den Sportlern bei den Spielen "kein Maulkorb" verpasst werden dürfe. "Die müssen sich genauso frei äußern dürfen wie unsereins auch." Der designierte grüne Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2009 forderte Wirtschaft und Sponsoren auf, klarer Position zu beziehen und auf chinesische Verantwortliche einzuwirken. Es dürfe "keine Leisetreterei" geben. Trittin lehnte Boykottmaßnahmen ab. Das führe nur zu einer "Verhärtung". "Transparenz und Dialog müssen der Weg sein, um aus dieser Krise herauszukommen."

Wegen Chinas Vorgehen in Tibet sollte sich US-Präsident George W. Bush nach Ansicht der Präsidentin des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, einen Boykott der Eröffnungsfeier in Peking offenhalten. "Ich denke, ein Boykott der Zeremonie, die ja als Feier vor allem der chinesischen Regierung Respekt zollt, sollte im Bereich des Möglichen bleiben", sagte Pelosi dem US-Fernsehsender ABC. China protestierte derweil gegen die Einladung des Europa-Parlaments an den Dalai Lama und einen nur kurzen Zwischenstopp des religiösen Oberhauptes der Tibeter nächste Woche in Tokio auf seinem Weg in die USA.

Siehe zum Thema auch:

(dpa) / (anw)