Des Guten Feind
Timing ist alles. Hondas CB 650 F wäre noch vor einem Jahr eine Empfehlung wert gewesen, oder zumindest hätte es als Konkurrenz nur Hondas Vorgänger Hornet gegeben. Jetzt gibt es aber die neuen Yamahas ...
Alicante, 10. April 2014 – Eigentlich dachte ich, die neue CB 650 F ist wie die alte CB 600 F, die Hornet: Das lebenslustige Naked Bike im Programm, das den Alltag genauso abdeckt wie wilde Jagden über Alpenpässe. Die Hornet machte das so gut, dass sie lange Zeit Italiens Topseller unter den Motorrädern war. Honda sagte jedoch schon vorher mit überraschender Vehemenz, dass die 650 keine Hornet sei und deshalb auch nicht so zu nennen. Taufen wir sie also die „Nichthornet“, denn sie ist tatsächlich anders. Das ist ein bisschen schade für Hornet-Fans, das sieht für mich jedoch außerdem wie ein echtes Problem für den Verkauf aus. Es ist nämlich so: Die Nichthornet kostet inklusive Nebenkosten knapp 8000 Euro. Wenn ich aktuell knapp 8000 Euro für ein japanisches Naked ausgeben möchte, dann tue ich das für Yamahas MT-09, denn die Yamaha bietet einfach mehr Erlebnis für die gleiche Menge Geld.
Honda sagt, sie können über Verfügbarkeit punkten, was zumindest zeigt, dass sie das Problem korrekt auf dem Radar haben. Ich persönlich hätte die Geduld, etwas zu warten oder den Bezahlwillen, mir eine aus Regionen besserer Verfügbarkeit schicken zu lassen. Eigentlich ist damit alles gesagt. Die Nichthornet ist gut. Aber es gibt eben aktuell Bessere. Sie ist wie der Kuchen der Nachbarin, der vorbeikommt, nachdem die Oma ihren besten Kuchen der Welt aufs Blech gebacken hat. Sorry, Nachbarin. Einen anderen Grund als die Verfügbarkeit gibt es dann doch: Der Freundliche des potenziellen Kunden ist eben Honda-Händler und es gibt keinen erreichbaren Yamaha-Händler, dem man sein Kraftrad und damit sein Leben anvertrauen möchte. Für diese Kundschaft fasse ich jetzt die Nichthornet kurz zusammen.
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tl;dr: Eine gebrauchte Hornet ist besser
Zunächst die „completely new engine“, also der Hornet-Motor mit selber Bohrung, aber mehr Hub. Er hat durch sein Plus an Hubraum, an Hub und seine Mitte-Abstimmung bis 8000 Umdrehungen spürbar mehr Leistung als die Hornet. Das ist jedoch immer dann irrelevant, wenn man wirklich Motorleistung abruft, denn dann dreht auch die 650er-Orgel immer über 8000. Und in diesem Bereich ist der Hornet-Motor erstens stärker (102 PS statt 87) und zweitens lebendiger. Auch an derartig hackige Lastwechsel wie bei der 650er kann ich mich bei der Hornet nicht erinnern.
Die Ergonomie der Nichthornet ist vergleichbar super wie die der Hornet: aufsitzen, passt. Es fährt sich damit auch kinderleicht. Das Aussehen der Nichthornet steht im kokainstaubigen Marketingbuch als "maskulin" und "Streetfighter", aber das hat die Hornet auch, und zwar mit einer goldenen Upside-Down-Gabel statt dem gut funktionierenden, aber optisch uninteressanten schwarzen Telegabel der Neuen. Auffallend schön ist der Krümmerfächer der Nichthornet, aber den, richtig, hatte die Hornet ja auch schon 2007.
Die Nichthornet soll außer der Hornet auch die CBF 600 ablösen. Honda verheiratet also beide Konzepte, fertigt das in ansprechender Qualität in Thailand, und das hört sich auf dem Papier alles super an, aber im aktuellen Marktumfeld wird es die 650er schwer haben. Eine Yamaha MT-07 ist mit knapp 6300 Euro inklusive Nebenkosten viel billiger, aber nach Meinung einiger Kollegen trotzdem lustiger. Eine MT-09 ist großartig, für denselben Preis. Wenn es also keinen Yamaha-Händler in sinnvoller Reichweite gibt, hier ein Top-Tipp: Schauen Sie nach einem Hornet-Vorführer. In Deutschland wollte keiner die Hornet haben, die Preise sind also super. Ab 3000 Euro kann man mit Glück eine schießen, für 4000 gibt es eine mit Händlergarantie, Zubehör und Handkuss. Vielleicht ist das mit dem Preis der Nichthornet also gar nicht so der Hinderungsgrund, den ich hier vermute. Denn wenn sie keiner haben will, werden die Händler auch die Nichthornet zu Hornet-Preisen verscheuern.