Autonome Autos: Niederlande wollen Großversuche mit Kfz ohne Menschen zulassen

Die Niederlande möchten fahrerlose Fahrzeuge für Großversuche auf ihre Straßen lassen. Das erfordert eine Gesetzesnovelle, die derzeit konsultiert wird. Ratschläge sind willkommen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 136 Kommentare lesen
Menschenlose KFZ: Niederlande bitten um Rat

Eine niederländische Polizistin regelt Verkehr.

(Bild: Wouterjan Stikkel CC-BY-SA 3.0)

Lesezeit: 3 Min.

Tom Alkim, Senior Adviser im niederländischen Infrastrukturministerium

(Bild: Daniel AJ Sokolov )

Die Regierung der Niederlande will schon nächstes Jahr Großversuche mit autonomen Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen erlauben. Daher bitten sie um gute Ratschläge für die notwendigen Gesetzesänderungen. Das hat Tom Alkim, Mitarbeiter des niederländischen Infrastruktur- und Umweltministeriums, vergangene Woche auf dem Automated Vehicles Symposium 2016 in San Francisco mitgeteilt. Die Frist für Eingaben läuft am 1. September ab.

Die niederländische Gesetzesnovelle soll Genehmigungen für Fahrzeuge ermöglichen, in denen niemand hinter dem Lenkrad sitzt. Versuchsfahrzeuge sollen in namhafter Zahl auf öffentlichen Straßen fahren dürfen. Die bereits jetzt erhältlichen Ausnahmegenehmigungen für einzelne (teil)autonome Fahrzeuge reichen nicht mehr, denn noch sieht das niederländische Recht vor, das ein "Fahrer" durchgehend im Fahrzeug anwesend ist.

Vom vernetzten zum autonomen Auto

Nun sollen aber experimentelle Kfz zugelassen werden, die sich grundsätzlich selbst steuern, aber im Notfall ferngesteuert werden können. Das Gesetz untersagt derzeit beispielsweise, einen Unfallort zu verlassen ("Fahrerflucht"), und es verlangt, auf Aufforderung der Polizei anzuhalten und die Fahrzeugpapiere oder den Führerschein vorzuweisen. Sitzt im Fahrzeug niemand, laufen solche Bestimmungen ins Leere.

Zwar unterliegen auch die Niederlande einem völkerrechtlichen Vertrag aus dem Jahr 1968, der als Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr bekannt ist. Das Übereinkommen schreibt vor, dass ein Lenker "dauernd sein Fahrzeug beherrschen oder seine Tiere führen" können muss. Doch mit dieser Bestimmung haben die Juristen in Alkims Ministerium kein Problem mehr: Experimentelle Ausnahmen seien auch nach dem Wiener Übereinkommen zulässig, heißt es in dem Konsultationsdokument.

Außerdem wird auf internationaler Ebene bereits über ein Update des Wiener Übereinkommens verhandelt. Auch in den Niederlanden sind weitere Gesetzesanpassungen geplant. Die Erfahrungen aus den beabsichtigten Großversuchen sollen nicht nur technische und verkehrspsychologische Erkenntnisse bringen, sondern gleichzeitig dem Gesetzgeber aufzeigen, welche weiteren Änderungen des Verkehrsrechts notwendig sein werden.

Vergangene Woche ist bereits ein Autobus mit Automatisierungsgrad IV nach SAE-Einstufung etwa 20 Kilometer selbsttätig von Haarlem zum Amsterdamer Flughafen Schiphol gefahren. Während Ihres EU-Ratsvorsitzes im ersten Halbjahr hat die niederländische Regierung das Thema autonome Fahrzeuge forciert. Öffentlicher Höhepunkt war eine internationale Testfahrt von Lkw-Kolonnen. Daimler startete seine in Stuttgart, DAF im belgischen Westerlo, MAN in München, IVECO in Brüssel, Scania nahe Stockholm und Volvo in Göteborg. Sie alle trafen einander in Rotterdam.

Lkw-Platoon

(Bild: Daimler)

Bei diesen auch Platoons genannten Konvois drahtlos vernetzter Lkw werden auch die Bremsen der nachfahrenden Wagen automatisch aktiviert, wenn ein vorausfahrendes Fahrzeug bremst. Außerdem wird das Fahrtempo koordiniert. So können die Abstände zwischen den einzelnen Lastfahrzeugen auf ein Minimum reduziert werden, zumindest so lange der Platoon keine erheblichen Steigungen meistern muss. Weil die geringen Abstände dank Windschatten und reduzierten Luftverwirbelungen Treibstoff sparen, setzt die Nutzfahrzeugbranche große Hoffnungen in Platoons. (ds)