Das erste selbstfahrende Auto wird ein Lastkraftwagen

US-Trucker erwarten, dass sich autonome Fahrzeuge zuerst als Nutzfahrzeuge durchsetzen werden. Ironischerweise soll das mehr Leute zum Beruf des LKW-Fahrers locken und so den Fahrermangel bekämpfen.

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Luftaufnahme eines LKW auf einer Autobahn

(Bild: Uber Freight)

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Inhaltsverzeichnis

Lastwagenfahrer ist ein Mangelberuf in Nordamerika. Es gibt nicht ausreichend Personen, die sich das langweilige, anstrengende Joch fernab von daheim zum gebotenen Verdienst antun wollen. Die Logistikbranche hofft daher auf die baldige Einführung selbstfahrender Lkw. Keineswegs sollen sie die Fahrer überflüssig machen. Im Gegenteil, die neue Technik soll den Beruf für die junge Generation attraktiver machen.

Vom vernetzten zum autonomen Auto

"Wir glauben, dass autonome Lkw den Fahrermangel angehen werden, indem sie Millennials anziehen", sagte Dan Murray vom American Transport Research Institute auf dem Jahrestreffen des Transportation Research Board in Washington, DC. Diese Hoffnung teilte auch Chris Spear, Präsident des Branchenverbandes American Trucking Association. "Der Fahrer wird seine wichtige Rolle behalten, auch in autonomen Lkw, so wie heute Piloten in [Verkehrs]flugzeugen." Piloten sind hauptsächlich bei Start, Landung und in bestimmten brenzligen Situationen gefragt. Ansonsten fliegt der Autopilot.

So ähnlich soll also die Zukunft des Lkw-Fahrers aussehen. Während sein Truck den Highway hinunterfährt, kann er bessere Dinge tun, als auf die Fahrbahn zu starren. "Multitasking, Internet-of Things-Tasks", wie Murray es formulierte.

Spear erwartet außerdem, dass die Kfz-Branche ihren Fokus bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge bald weg vom Pkw hin zu den Nutzfahrzeugen verlagern wird. "Nutzfahrzeuge werden Selbstfahr-Technik als Erste anwenden", glaubt der Trucker-Präsident. Der Sicherheitsgewinn und der reduzierte Treibstoffverbrauch würden sich finanziell auszahlen und somit die hohen Kosten für die neue Technik rechtfertigen. Die Käufer von Personenkraftwagen hingegen seien weitaus preissensibler, womit die teure Robotertechnik vorerst ein Nischenprodukt bleiben werde.

Das Platooning, bei dem mehrere vernetzte Fahrzeug in engem Abstand fahren, um die Aerodynamik zu verbessern, soll den Kraftstoffverbrauch um zehn bis 20 Prozent reduzieren. Allerdings ist Platooning nach Meinung vieler Experten trotzdem kein Schuhlöffel für selbstfahrende Lkw. "Platooning benötigt eine Flotte kompatibler Fahrzeuge, um den [ausgestatteten Fahrzeugen] zu nutzen", erklärte Don MacKenzie vom Sustainable Transportation Lab der Universität Washington.

Anthony Levandowski, Uber Freight

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Und das führt zu einem Henne-Ei-Problem: Solange die kritische Masse nicht erreicht ist, rechnet sich die Investition nur in Ausnahmefällen. Auch Otto-Mitgründer Anthony Levandowski sieht das so: "Platooning wird nicht die erste Sache sein. Schon 58 oder 57 statt 60 Meilen pro Stunde zu fahren, spart signifikant Treibstoff." Ganz ohne Platooning.

Otto entwickelt Technik für selbstfahrende Lkw, gehört inzwischen zu Uber und heißt daher Uber Freight. "Für uns geht es darum, wie wir [das Transportmittel] so sicher machen, dass niemand es mehr beobachten muss", sagte Levandowski, "wie einen Aufzug." Allerdings werde sich das auf absehbare Zeit auf das höherrangige Straßennetz beschränken. "Die letzte Meile ist sehr schwierig. Sie müssen das [Fahrzeug] bis zum Randstein bringen. Ich weiß von keinen Projekten in diesem Bereich."

Uber Freight nimmt für sich in Anspruch, die weltweit erste kommerzielle Lieferung mit einem selbstfahrenden Straßenfahrzeug durchgeführt zu haben. Im Oktober fuhr es 50.000 Dosen Bier etwa 120 Meilen (nicht ganz 200 km) von Fort Collings, Colorado, nach Colorado Springs – auf der Autobahn ohne Zutun des Fahrers. Das Projekt wurde eng von den Behörden des US-Bundesstaates begleitet.

Mark Savage, Deputy Chief Colorado State Patrol

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

"Colorado hat keine Gesetze über autonome Fahrzeuge", erklärte Mark Savage, Deputy Chief der Colorado State Patrol, auf dem TRB-Kongress. Das habe die Durchführung in Colorado ermöglicht. Ganz so wie im Werbevideo hat sich die Sache aber nicht abgespielt. Denn es gab keinen LKW, der alleine bei Sonnenschein einen Highway entlang gefahren ist.

Tatsächlich erfolgte die Fahrt in der finsteren Nacht, zwischen Mitternacht und drei Uhr in der Früh. Und es gab nicht bloß einfachen Polizeischutz: "Der Truck war 'eingepackt' zwischen fünf Patrouillenfahrzeugen." Der Fahrersitz war zwar wirklich leer, weil sich der Fahrer etwa einen Meter entfernt in der Ruhekabine aufhielt. "Er hat aber alles andere als geruht", deutete der hochrangige Polizeibeamte intensive Überwachung des Computers durch den Fahrer an. Am Beifahrersitz saß derweil niemand geringerer als der Deputy Chief der Colorado State Patrol höchstpersönlich.

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Verkehrsforscher, Behördenmitarbeiter und Branchenmitglieder haben sich am Sonntag in der US-Hauptstadt zum 96. Jahrestreffen des Transportation Research Board (TRB) eingefunden. Das TRB ist eine Abteilung des Nationalen Forschungsrates (National Research Council), welcher den US-Präsidenten berät. Das Jahrestreffen des TRB ist ein Mammut-Ereignis mit über 800 Sitzungen. Dabei stehen bis Donnerstag mehr als 5000 Präsentationen zu Verkehrsthemen auf dem Programm. (ds)