Automatisiertes Fahren: Bundestag beschließt Haftungsregeln und Datenspeicher

Die Abgeordneten haben den überarbeiteten Regierungsentwurf verabschiedet, der den Einsatz teil- oder hochautomatisierter Systeme in Fahrzeugen regeln soll. Die Opposition stimmte geschlossen dagegen.

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Vernetzte Autos

(Bild: dpa, Daimler AG/Archiv)

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Der Bundestag hat am Donnerstag einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem er mehr Rechtssicherheit beim automatisierten Fahren schaffen will. Mit der schwarz-roten Mehrheit befürwortete das Parlament gegen die Stimmen der Opposition dabei den umstrittenen Gesetzentwurf der Bundesregierung zusammen mit den umfangreichen Änderungen der großen Koalition. Prinzipiell dürfen demnach künftig Autos auf die Straßen, bei denen der Computer für eine gewisse Zeit unter mehr oder weniger klaren Umständen die Kontrolle über das Fahrgeschehen übernimmt.

Die Abgeordneten haben im Streit um die Haftung bei einem Unfall rund um den geforderten "bestimmungsgemäßen" Einsatz von hoch- oder vollautomatisierten Systemen unter anderem verdeutlicht, dass der Fahrer "mit ausreichender Zeitreserve" etwa durch einen akustischen Warnhinweis aufgefordert werden soll, das Steuer wieder zu übernehmen. Er darf die Hände vom Lenkrad nehmen, den Blick von der Straße wenden und anderen Tätigkeiten nachgehen, etwa E-Mails im Infotainment-System bearbeiten. Laut Schwarz-Rot soll dies heißen: der Fahrer haftet nicht, wenn sein Auto im automatisierten Modus etwa einen Auffahrunfall verursacht, weil die Sensoren ausgefallen sind und kein Warnhinweis ertönte.

Der Mensch soll dabei aber grundsätzlich die letzte Verantwortung behalten, er muss den Automaten jederzeit "übersteuern oder deaktivieren" können. Dem völlig autonomen Fahren, bei dem es nur noch Passagiere gibt, will der Gesetzgeber noch nicht den Weg bereiten. Ein Sachverständiger brachte das damit verknüpfte Prinzip bei einer Anhörung mit den Worten auf den Punkt: "Das Auto lenkt, der Fahrer haftet."

Autonome Autos kommen (28 Bilder)

Im Herbst 2015 stattete Tesla sein Model S per Software-Update mit einem Autopiloten aus.
(Bild: Tesla)

Den ein oder anderen potenziellen Käufer von Fahrzeugen mit erweitertem "Autopilot" dürfte auch der vorgesehene Datenspeicher abschrecken. Mit diesem soll nachweisbar werden, ob der Mensch oder der Computer in einer bestimmten Situation die Fahraufgabe innehatte. Aufbewahrt werden laut dem Entwurf künftig etwa "von Satellitennavigationssystemen ermittelte Positions- und Zeitangaben", wenn die Steuerung wechselt, der Fahrzeugführer durch das System aufgefordert wird zu übernehmen oder eine technische Störung auftritt.

Alle Daten in der "Blackbox" sollen nach sechs Monaten gelöscht werden, wenn das Auto nicht in einen Unfall verwickelt war. Die erhobenen Messwerte dürfen zusätzlich "den nach Landesrecht für die Ahndung von Verkehrsverstößen zuständigen Behörden auf deren Verlangen übermittelt werden", auch schon bei Ordnungswidrigkeiten.

"Wir schaffen das modernste Straßenverkehrsrecht der Welt", versicherte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Der menschliche Fahrer und der Computer würden gleichgestellt. Das Rechnersystem könne in Zukunft ans Steuer, der Fahrer sich in dieser Zeit abwenden und etwa Filme streamen. Die Haftung liege dann beim Hersteller. "Das verändert grundlegend die Mobilität im Land", glaubt der CSU-Politiker. Es werde erheblich weniger Unfälle geben, weniger Stau, weniger Parkplatzsuche, weniger Umweltbelastung. Letztlich entscheide das automatisierte Fahren aber auch, ob Deutschland weiter als Innovationsland gelten könne: Dobrindt beteuerte: "Wir müssen an der Spitze bleiben", wenn es darum gehe, das beste Auto und das Betriebssystem dafür zu entwickeln.

Kirsten Lühmann (SPD) betonte, dass sich der Entwurf noch nicht mit dem völlig autonomen Fahren beschäftige. Die Koalition habe bei weniger weitgehenden Systemen aber nun "Klarheit und Rechtssicherheit für die Verbraucher" geschafft. Dies eröffne ganz neue Chancen, denn die Technik fahre sauberer "als der Mensch, auch als der Mann".

Laut dem Linken Herbert Behrens geht es Dobrindt mit dem "überhaupt nicht zukunftstauglichen" Vorhaben nur darum, "ein neues Geschäftsfeld für die Automobilindustrie in Deutschland zu entwickeln". Zur Sicherheit im Straßenverkehr finde sich in dem Entwurf kein Wort. So würden "die Autofahrer zu Versuchskaninchen gemacht", die herausfinden sollten, wann sie das Steuer übernommen müssten. Interessen der Verbraucher würden weitgehend unberücksichtigt. Zumindest hätte Schwarz-Rot die Ergebnisse der Ethik-Kommission fürs autonome Fahren abwarten müssen. Der grüne Stephan Kühn beklagte: "Viele Fragen bleiben offen, Kernprobleme sind nicht gelöst." Es würden weiterhin viel zu viele Daten zu lange gespeichert, Vorgaben zum Schutz etwa vor Hackern erst später in einer Verordnung geregelt. (hze)