Bundesrat will das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verschlimmbessern

Geht es nach der Länderkammer, werden die geplanten Regeln für Plattformen zum schnelleren Löschen strafbewehrter Inhalte verschärft und abgemildert zugleich. Der Deliktkatalog soll deutlich ausgeweitet, die Meinungsfreiheit besser geschützt werden.

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Minister Maas

Die Bundesländer haben da noch ein paar Ideen zum NetzDG von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD).

(Bild: dpa, Maurizio Gambarini/Archiv)

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Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am Freitag eine in sich widersprüchliche Stellungnahme zum heftig umstrittenen Entwurf der Bundesregierung für ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) abgegeben. So weist die Länderkammer darauf hin, dass die Initiative Auswirkungen auf "freiheits- und demokratiefördernde Grundrechte" wie die Informations- und Meinungsfreiheit habe. Sie regt an, die engen, mit hohen Bußgeldern untermauerten "starren" Löschfristen von 24 Stunden für strafbewehrte Inhalte "unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zu optimieren".

Auch eine Clearingstelle bringt der Bundesrat ins Spiel. Darüber sollten "auf Kosten der Betreiber insbesondere auch Beschwerden vorgebracht werden können", dass Inhalte nicht im Sinne des Gesetzes entfernt worden seien. Generell sollte es eine Kontrolle der Löschentscheidungen geben, die noch näher abzugrenzenden betroffenen Firmen nicht dazu verleitet, "vorsorglich zu löschen".

Parallel setzen sich die Länder aber dafür ein, den bereits im laufenden EU-Notifizierungsverfahren deutlich aufgebohrten einschlägigen Straftatenkatalog noch einmal stark zu erweitern. Die Bundesregierung soll demnach prüfen, ob etwa auch Fälle erfasst werden müssten, in denen jemand durch Hassreden in sozialen Netzwerken "zum Verbrechen der Aggression" aufstachele oder nötige, Verfassungsorgane und ihre Mitglieder bedrohe, durch unwahre Tatsachenbehauptungen öffentliche Sicherheitsinteressen gefährde oder Dritte falsch verdächtige, zu Straftaten anleite, Verstorbene verunglimpfe oder andere mit kompromittierenden Bildaufnahmen diffamiere.

Den breiten zivilrechtlichen Auskunftsanspruch auf Herausgabe von Bestandsdaten zu einer IP-Adresse sieht der Bundesrat kritisch. Da davon alle Anbieter von Telemediendienste betroffen wären, drohe "die Möglichkeit der anonymen und pseudonymen Meinungsäußerung im Internet" faktisch abgeschafft zu werden. Dies wäre "äußerst bedenklich" und werfe verfassungsrechtliche Fragen auf. Andererseits plädiert das Gremium dafür, einen solchen Auskunftsanspruch für die Landesmedienanstalten zu schaffen. Diese sollten generell ermächtigt werden, die für den Vollzug des Gesetzes erforderlichen Maßnahmen treffen und präventiv Anordnungen erlassen zu können. Die Medienwächter drängen bereits seit Längerem auf mehr Eingriffsrechte gegenüber sozialen Netzwerken.

Die Kammer kritisiert, dass es der Entwurf mit einem "Vorab-Entscheidungsverfahren" vor Gericht zu schwierig mache, die skizzierten millionenschweren Bußgelder zu verhängen. Derlei Privilegien für Facebook und Co. müssten gestrichen werden. Die Länder reiben sich auch daran, dass keine Pflicht vorgesehen ist, Strafverfolgungsbehörden über strafrechtlich relevante Äußerungen zu informieren und damit gegebenenfalls Verfahren einzuleiten. Es reiche nicht aus, rechtswidrige Hassrede zu löschen. Sie plädieren auch für eine Auflage, dass Netzwerke einen inländischen deutschsprachigen Zustellungsbevollmächtigten benennen müssen.

Nicht gefolgt sind die Ministerpräsidenten Empfehlungen aus den Ausschüssen, wonach es "erhebliche Zweifel" gebe, ob das Durchsetzungsziel mit dem Entwurf "rechtssicher, zweckmäßig und wirksam erreicht werden kann". Auch Vorschläge, stärker auf die Selbstregulierung zu setzen und "die Prüfung der Rechtswidrigkeit eines Inhalts nicht ausschließlich auf die Anbieter abzuwälzen", lehnten sie ab. Generell bescheinigen die Länder dem Anliegen "eine hohe Priorität und Dringlichkeit". Soziale Netzwerke dürften nicht länger "von Einzelnen als rechtsfreier Raum verstanden" werden.

Urlich Kelber, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium, führte vor der Kammer aus, dass es auf Online-Plattformen "derzeit ein Underblocking" gebe, das Ressort aber das vom Bundesrat angesprochene Overblocking ebenfalls vermeiden wolle. Zudem räumte der SPD-Politiker ein, dass über den Bundestag eventuell die Sache mit den Geldstrafen noch klarer herausgearbeitet werden könnte. Es solle "nicht um eine Bußgeldbewehrung im Einzelfall" gehen, sondern um ein "systemisches Versagen". Ein solches könnte bei Facebook derzeit durchaus gegeben sein: ein jüngst publik gewordenes Handbuch zeige, dass die Kalifornier hierzulande strafbewehrte Äußerungen als tolerabel ansähen.

(vbr)