Das zersägte Cello

Fahrbericht Jaguar XE S

Die Briten nahmen sich den Dreier von BMW zum Vorbild für ihre eigene, intern neue Klasse des XE. Das hat sehr gut geklappt: Der Jaguar XE fährt toll, vor allem als S-Version mit klagend klingendem Kompressor-V6

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Jaguar 23 Bilder
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Eine der schlimmsten Enttäuschungen für jedes Kind jeden Alters ist es, wenn etwas sehnlich Erwartetes am Ende der vorfreudigen Phantasie nicht entspricht. Da ebendies recht häufig geschieht, freut es umgekehrt besonders, wenn die Realität der Phantasie in nichts nachsteht. Ich habe mir vorgestellt, dass Jaguars XE genau die richtige Größe von Auto für mich ist, in der einzigen Antriebsart, die mich persönlich in einer Limousine interessiert: Standardantrieb. Für die Jüngeren: Ein vorne eingebauter Motor treibt die Hinterachse an. Nachdem ich Jaguars beide neue „Ingenium“-Vierzylinder-Motoren (ein Otto, ein Diesel) verköstigt hatte (hierzu später ein Technikbericht), war endlich der XE S frei, weil die Anderen langsam heim gingen. Auch auf die Gefahr hin, Jaguars Gastfreundschaft überzustrapazieren, musste ich diesen Wagen noch einmal auf eine schöne Runde am oberen Rand des Schwarzwalds entlang mitnehmen.

Überdynamisch eingebremst

Kein Wunder verkauft sich BMWs Dreier nicht nur in Süddeutschland so gut. Größer sollte ein Auto, das Landstraßenspaß bereiten soll, nicht bauen. Eher kleiner, siehe BMW 1er M Coupé. Auf jeden Fall schön, dass Jaguar endlich eine eigene „Neue Klasse“ eröffnet im Portfolio. Der XE fährt im besten Sinn wie erwartet. Jaguar setzte München als Benchmark und gab dem Thema dann eine eigene Note. Das Fahrgefühl ist toll, nur Gewicht könnte es mir wie immer weniger sein. 1665 kg sind eine ganz schöne Wampe. Ich habe nie verstanden, wie Jaguar es schafft, im so hehren Leichtbauansinnen alles so schwer zu bauen. Naja, ein M3 wiegt auch kaum weniger.

Wie jedes moderne Auto gibt es im XE S einen Rasermodus, hier heißt er „Dynamic Mode“. Die Einstellungen für semiaktive Dämpfung, Gaspedal und ZF-Automatikgetriebe passen für die meisten Strecken schon, die Lenkung im Dynamic Mode haben sie übertrieben. Es fühlt sich an, als bremse der Wagen das kurveninnere Rad zur Einlenkunterstützung. Wenn man das Lenkrad auf einem Winkel festklemmt und bremst, verringert sich der Kurvenradius massiv. Jaguar sagt, das Verhalten werde allein am Lenkservo hergestellt. So oder so macht es den XE extrem nervös auf der Bremse. Mit Lenkwinkel etwas anbremsen wird so instabil, dass man die Bremspunkte freiwillig viel früher legt. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein, aber der Fahrer muss es so nicht hinnehmen: In den Dynamic-Einstellungen darf er jeden Punkt der Dynamisierung einzeln an- oder abschalten. Damit findet wahrscheinlich jeder ein brauchbares Setting. Auf Lenkradsetting „normal“ bremst der S dann auch mit Lenkwinkel stabil.

Yesteryear‘s State of the Art

Im Innenraum bleibt Jaguar einen Schritt entfernt von Audi und BMW. Die Mittelkonsole mit Touchscreen funktioniert okay. Jaguar bietet auch hier das Dual View an, also den Bildschirm, der dem Beifahrer etwas Anderes zeigt als dem Fahrer, damit er auf der kleinen Mittelkonsole einen Film mit Kopfhörern anschauen kann. In Zeiten von „jedes Kind hat ein Tablet“ braucht das wahrscheinlich ein eher geringer Prozentsatz der Kundschaft. Mir wäre es lieber, wenn der Bildschirm stattdessen mehr maximale Helligkeit und Brillanz schaffte.

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