Neue Rücktrittsgerüchte um Telekom-Chef Sommer
Der Telekom-Chef könne angeblich schon in der kommenden Woche abgelöst werden; andere Stimmen warnen vor populistischen Maßnahmen gegen Ron Sommer.
Ron Sommer ist dieser Tage nicht zu beneiden: Der Absturz der T-Aktie regt nicht nur die Großinvestoren und Kleinanleger auf, sondern lässt auch den Druck auf den Telekom-Chef rapide wachsen. Nicht einmal der überraschende, erfolgreiche Verkauf der Kabelgesellschaften konnte die T-Aktie aus dem Tal der Tränen holen. Nach einer kurzfristigen Erholung sackte sie, wie der gesamte Aktienmarkt, wieder ab und schloss am Freitag mit einem Minus von 2,85 Prozent bei 24,55 Euro. Bislang hatte Sommer öffentlich jedoch immer beteuert, er denke keinesfalls an Rücktritt.
Die Welt am Sonntag (WamS) will nun jedoch anderes erfahren haben: Nach Informationen des Blatts soll Sommer bereits zu Beginn der Woche seinen Rücktritt angeboten haben, wenn die Bundesregierung ihm nicht eine Ehrenerklärung abgebe. Diese habe Bundeskanzler Gerhard Schröder jedoch verweigert. Das Verhältnis zur Regierung, dass noch unter Helmut Kohl sehr gut gewesen sein soll, sei endgültig zerstört, zitiert die WamS Regierungskreise. Angeblich könnte Sommer schon nächste Woche abgelöst werden; der Telekom-Aufsichtsrat habe bereits Nachfolger sondiert. Das Blatt bringt dafür unter Berufung auf interne Quellen den Bahn-Aufsichtsrat Dieter Vogel, Swisscom-Vorstandsmitglied Carsten Schloter und Telekom-Vertriebsvorstand Josef Brauner ins Gespräch. Sprecher der Telekom allerdings dementierten dies entschieden.
Elmar Müller, Beiratsvorsitzender der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), erklärte jedoch gegenüber der WamS kategorisch: "Ich denke, die Situation hat einen Zeitpunkt erreicht, an dem ein Rücktritt von Ron Sommer unausweichlich ist." Sommer könne die ganze Misere nicht immer nur auf die Politik der Regulierungsbehörde abschieben. Der stellvertrende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, der die Übernahme des US-Mobilfunkers VoiceStream bereits als gescheitert ansieht, haut in die gleiche Kerbe: Er räumt Sommer aber immerhin noch eine "gewisse Galgenfrist" ein: "Seine Strategie für eine globale Ausrichtung war nicht überzeugend."
Inzwischen werden aber auch Stimmen laut, die zur Vorsicht raten: Ein Rauswurf von Sommer löse die Probleme der Telekom nicht; auch könne man nicht dem Telekom-Chef die Schuld für die Schwierigkeiten der Branche, mit der alle großen Telefonkonzerne zu kämpfen haben, in die Schuhe schieben. "Man kann sein Mütchen kühlen an einem der Großen der Wirtschaft, an einer so eleganten und hochnäsig wirkenden Erscheinung wie Ron Sommer", kommentiert die Süddeutsche Zeitung die Diskussion um den Telekom-Vorstandschef. Sommer habe nicht wirklich dramatische Fehler gemacht: "Er ist so gut oder schlecht wie andere seriöse Spitzenmanager auch, kein Vergleich mit manchem Impresario vom neuen Markt."
Sommers Vier-Säulen-Strategie mit Mobilfunk, Festnetz, Internet und Systemlösungen wird von vielen Telecom-Experten als vernünftig eingeschätzt – da kann der britische Riese Vodafone in ganz andere Turbulenzen geraten, wenn die Strategie der vollständigen Konzentration auf den Mobilfunk nicht aufgeht. Das Dilemma Sommers wird auch durch die anhaltende Diskussion um die hohen Kosten für die UMTS-Lizenzen deutlich: Wäre die Telekom ausgestiegen, würde sie abgewatscht, da sie in ihrem wichtigsten Markt ohne den Mobilfunk der dritten Generation dastünde. Nun, da auch breiteren Kreisen deutlich wird, dass UMTS ein noch nicht eingelöster Wechsel auf die Zukunft ist, gerät die Telekom in die Kritik, weil sie für teures Geld eine UMTS-Lizenz erworben hat.
"Mit populären Parolen ist keines der Probleme zu lösen", kommentiert daher auch die Zeit: "Nationale Regulierung einerseits, internationaler Wettbewerbsdruck andererseits, angereicht mit kollektiver Hysterie an den Börsen, ergeben zurzeit eine explosive Mischung." Ob diese Mischung hochgeht und Sommer von seinem Platz fegt, werden die nächsten Tage und Wochen zeigen. Sollte der Deal mit VoiceStream doch noch platzen – sowieso eigentlich nur ein Notbehelf für den Einstieg der Telekom in den US-Markt –, dürften die Tage von Ron Sommer als Telekom-Chef tatsächlich gezählt sein. (jk)