Luftfahrt: Die Hybriden kommen

Hybridantriebe sollen Flugzeuge bald deutlich sparsamer und umweltfreundlicher machen. Norwegen plant sogar schon vollelektrische Kurzstreckenflüge.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 15 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Denis Dilba
Inhaltsverzeichnis

Elektrisch angetriebene Flugzeuge sollen einen fatalen Trend in der Luftfahrt bremsen: Das mit etwa fünf Prozent pro Jahr anhaltende Wachstum des weltweiten Transportaufkommens frisst die Treibstoffersparnis durch effizientere Triebwerke von unter einem Prozent pro Jahr gnadenlos wieder auf. Neue Triebwerke allein sind also nicht die Lösung.

Es braucht einen völlig neuen Ansatz. Am mutigsten ist derzeit das kalifornische Start-up Wright Electric. Es hat bereits Jets für 150 Passagiere angekündigt, die bis zu 540 Kilometer rein elektrisch zurücklegen sollen. Schon 2021 könne ein erster Prototyp abheben. Die Billigfluglinie EasyJet hofft, die Elektroflieger schon 2027 in seine Flotte aufnehmen zu können. Der staatliche norwegische Flughafenbetreiber Avinor ist etwas vorsichtiger: Er rechnet mit 2040.

Mehr Infos

Frank Anton, Chef der Siemens-eAircraft-Sparte, steht beiden Zeitplänen skeptisch gegenüber: Der dafür nötige Durchbruch bei der Batterietechnologie sei nicht zu erkennen. "Außer für Nischen wie den Kurzstrecken-Transport in Megacitys wird es in den nächsten drei Jahrzehnten keinen vollelektrischen Antrieb geben." Anton glaubt an einen anderen Weg, den sogenannten seriellen Hybridantrieb. Zusammen mit Airbus und dem britischen Triebwerkshersteller Rolls-Royce hat Siemens Ende letzten Jahres angekündigt, bis 2020 einen hybridelektrischen Antriebsstrang in ein 100-sitziges Regionalflugzeug einzubauen und ein Testflugzeug abheben zu lassen. Die Arbeiten an dem Projekt haben bereits begonnen, und Anton erhofft sich von ihm "eine echte Umwälzung der Luftfahrt". Man verspreche sich Treibstoffeinsparungen im signifikanten zweistelligen Prozentbereich und Rieseneffekte bei der Lärmminderung.

Die Grundidee dieses Toyota Prius der Lüfte ist simpel: Eine mit Kerosin betriebene Gasturbine treibt einen Generator im Rumpf an und produziert ausschließlich Strom. Sie arbeitet nur in ihrem optimalen Betriebspunkt und läuft so besonders effizient. Der produzierte Strom treibt die Elektromotoren mit den Rotoren an. So lässt sich die nötige Leistung auf mehrere kleinere Elektromotoren samt Propeller am Flügel oder Heck verteilen, was ganz neue Formen im Flugzeugdesign und eine bessere Aerodynamik ermöglicht.

TR 03/2018

Je nach Einsatzgebiet bekäme ein solches Hybridflugzeug eine größere oder kleinere Batterie. Die Turbine könne so dimensioniert werden, dass sie gerade so viel elektrische Energie liefert, wie für den Reiseflug gebraucht wird. Während des energieintensiven Starts und Steigflugs sorgt der Strom aus den Akkus für Extraschub. Die auf Reiseflughöhe weitgehend entladenen Batterien könnten mit einer etwas größeren Turbine während des Flugs auch wieder aufgeladen werden. Oder noch besser, weil effizienter: Im Sinkflug treibt der Luftstrom die Propeller an und damit die Elektromotoren, die dann als Generatoren laufen und die Batterien füllen. So wird ein Teil der für den Steigflug benötigten Energie im Sinkflug zurückgewonnen.

Der Nachteil ist jedoch: Das Konzept mit Elektromotoren, Batterien und der Gasturbine mit Generator bringt mit sich, dass man die benötigte Leistung dreimal verbauen muss. "Kann ich diese Gewichtsnachteile durch die aerodynamischen Vorteile von verteilten Elektroantrieben wirklich kompensieren? Dazu gibt es noch so gut wie keine Aussagen", sagt Mirko Hornung, Vorstand Wissenschaft und Technik des Forschungsinstituts Bauhaus Luftfahrt in München.

Mit dem Projekt E-Fan X will Frank Anton nun genauer untersuchen, welche Potenziale der Hybridantrieb bei größeren Flugzeugen hat. Dafür reicht es im ersten Schritt aus, bei einer regulären British Aerospace BAe 146 eins der vier Triebwerke durch einen zwei Megawatt starken Elektroantrieb zu ersetzen und die Ergebnisse hochzurechnen.

Bis die Hybridflieger in Serie gehen und für Fluggesellschaften weltweit abheben, soll es allerdings noch etwas dauern. Anton rechnet erst um 2035 mit ersten Modellen, die bis zu 100 Menschen hybridelektrisch über Distanzen von 500 bis 1000 Kilometer transportieren können.

Andere Anbieter könnten den drei Traditionsherstellern daher zuvorkommen – wenn auch zunächst mit kleineren Modellen. Das US-Start-up Zunum Aero etwa will seinen knapp 16 Meter langen Hybridjet für zwölf Passagiere bereits 2022 am Markt haben. Die Maschine soll mit zwei 500-Kilowatt-E-Motoren Tempo 550 erreichen und 1130 Kilometer weit kommen. Zunum geht durch Spriteinsparungen und geringere Wartungskosten der einfacher gebauten Elektro-antriebe von 40 bis 80 Prozent weniger Betriebskosten und 75 Prozent weniger Lärm aus als bei herkömmlichen Flugzeugen.

Die Zahlen haben auch Boeings Risikokapital-Abteilung Horizon X überzeugt. Zusammen mit JetBlue Technology Ventures stieg der Luftfahrtkonzern vor knapp einem Jahr bei dem Start-up ein. Zunums Chef Ashish Kumar ist sich sicher, dass bei den Akkus künftig noch große Fortschritte zu erwarten sind. Er gehe davon aus, dass sein Hybridjet bis 2035 rund 2400 Kilometer Reichweite haben wird. Vielleicht werde man dann sogar rein elektrisch fliegen, also auf den Stromgenerator verzichten können, sagt Kumar.

Die Elektroflieger kommen (9 Bilder)

In einem Rendering zeigt Zunum Aero seine Konzepte.
(Bild: Zunum Aero)

(bsc)