Spart Euch Eure Nachhaltigkeitsprosa

Die endlose Geschichte um manipulierte Abgaswerte ist um eine interessante Volte reicher.

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Wieder wurden die Hersteller nach einem Bericht des Handelsblatts offenbar beim Tricksen erwischt – diesmal allerdings in Richtung zu hoher CO2-Werte. Um bis zu 4,5 Prozent wichen die Werte laut internem EU-Papier nach oben ab.

Klingt absurd, lässt sich aber erklären: Mit der Umstellung des alten, realitätsfernen Prüfzyklus NEFZ auf den alltagsnäheren WLTP geht eine entscheidende weitere Änderung daher: Die EU gibt nicht mehr absolute Grenzwerte für die Flottenemissionen aus, sondern nur noch prozentuale Minderungsziele. Und die Basis dafür wird mit den nun beanstandeten Messungen ermittelt. Wer also jetzt einen besonders hohen Wert meldet, der tut sich künftig leichter, prozentuale Senkungen zu erzielen. Da aber lediglich Manipulationen nach unten verboten sind, nicht nach oben, ist das Ganze offenbar legal.

Was lernen wir daraus?

  1. Man könnte das Ganze als übliches Katz-und-Maus-Spiel zwischen Autobauer und Gesetzgeber abtun. Der eine sucht nach Schlupflöchern, der andere sucht sie zu schließen. Doch die Phantasie des Gesetzgebers kann mit der der Gegenseite offensichtlich nicht mithalten.

  2. Prozentuale Minderungsziele sind Tüntel – nicht nur wegen der Manipulationsmöglichkeiten. Das Klima reagiert nicht auf Prozente, sondern auf reale Kohlendioxid-Moleküle. Bei absoluten Grenzwerten jammern die Hersteller großer Autos zwar, dass sie gegenüber Kleinwagenbauern benachteiligt seien. So what? Sollen sie halt weniger SUVs bauen. Das autofahrende Volk wird’s überleben.

  3. Die Autohersteller können sich ihre Nachhaltigkeitsprosa sparen. Natürlich ist es rechtlich legitim, Gesetzeslücken bis hart an die Grenze auszunutzen. Aber für legales Verhalten brauche ich keine Corporate-Responsibility-Grundsätze, das setze ich weiterhin als selbstverständlich voraus (trotz hinlänglich bekannter Gegenbeispiele). Wozu sonst sollen die Regeln also dienen? Doch wohl für Fälle, in denen sie anderen Interessen des Konzerns entgegenstehen. Bisher sind diese hehren Grundsätze allerdings regelmäßig beim ersten Kontakt mit einer neuen Gesetzeslücke zu kleinen Logikwölkchen verpufft.

  4. Offenbar glauben die verantwortlichen Manager, ihren Aktionären etwas Gutes zu tun, indem bei ihnen im Zweifel immer Wirtschaftlichkeit vor Nachhaltigkeit geht. Das ist ein Irrtum: Die Volkswagen-Vorzugsaktien etwa liefen in den vergangenen fünf Jahren satte 45 Prozent schlechter als der Dax. Eine Ursache ist ein steiler Kursabsturz im September 2015, als der Diesel-Skandal seinen Anfang nahm. Davon hat sich die Aktie bis heute nicht erholt.

(grh)