P4 – der Allradretter

Technik im Hybridantrieb: Elektrische Sekundärachse

Bei P0 bis P3 dreht sich alles um die Frage, wie der E-Motor in Bezug auf Motor und Getriebe positioniert wird. P4 steht für eine elektrisch angetriebene Sekundärachse. Das interessante daran ist, welchen Nutzen es hat, beides zu kombinieren

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alternative Antriebe, Hybridantrieb 8 Bilder

(Bild: PSA)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Gernot Goppelt
Inhaltsverzeichnis

Bei P0 bis P3 dreht sich alles um die Frage, wie der E-Motor in Bezug auf Motor und Getriebe positioniert wird. P4 fällt insofern aus dem Schema, weil es für eine elektrisch angetriebene Sekundärachse steht, also normalerweise die Hinterachse. Das war es, damit ist der deskriptive Teil der Betrachtung eigentlich beendet. Das eigentlich interessante daran ist, welchen Nutzen es hat, beides zu kombinieren.

P4 ist schon seit längerem in Serie, etwa bei PSA und Volvo. PSA hatte bereits 2012 mehrere Modelle im Angebot, beispielsweise den Peugeot 3008 Hybrid4, der einen Dieselmotor vorne mit einer E-Achse hinten kombinierte. Der E-Motor leistete 27 kW und die Batterie mit 1,1 kWh ließ sogar ein paar wenige Kilometer rein elektrisches Fahren zu.

Allrad ohne Welle

Es gab schon damals gute Argumente für P4: Eine E-Achse lässt sich integrieren, ohne den Bauraum unter der Motorhaube anzutasten. Bei Verwendung eines automatisierten Schaltgetriebes lassen sich die Zugkraftunterbrechungen (vorne) durch den E-Motor (hinten) füllen, das kann P3 allerdings auch. Die Leistung einer E-Achse lässt sich auch vergleichsweise einfach skalieren, weil genügend Platz für den E-Motor zur Verfügung steht – P4 braucht ähnlich viel oder wenig Raum wie das Verteilergetriebe eines Allradantriebs. Mit Blick auf unterschiedliche Hybridvarianten ist auch ein Vorteil, dass es der E-Achse egal ist, was sich unter der Motorhaube in der Sektion P0 bis P3 abspielt. P4 lässt sich – sofern kräftig genug – für den Hybrid ebenso einsetzen wie für ein reines Elektroauto.

Doppelter Raumgewinn

Ein weiterer Vorteil ergibt sich aus dem Wegfall der Längswelle: Front-Quer-Allradantriebe („quer“ bezogen auf die Lage der Kurbelwelle) sind anderes als Längsantriebe wie der von Subaru eine etwas verdrehte Angelegenheit: Die Längswelle vom Differential nach hinten zu führen, braucht, anders als beim nach Subaru-Diktion „symmetrischen“ Längseinbau, eine Umlenkung. Der Allradantrieb ohne Längswelle schafft deswegen im doppelten Sinne Raum: Der Mitteltunnel entfällt und die Motor-Getriebe-Kombination kann vorne ungestört quer verbaut werden. Es ist noch nicht lange her, dass Getriebe und längs eingebaute Reihenmotoren für lange Motorhauben sorgten, selbst BMW hat sich teilweise vom Längseinbau verabschiedet, weil es schlicht dem Innenraum zugutekommt.

Temporäre Traktionshilfe

Attraktiv ist schließlich die Möglichkeit, mithilfe der E-Achse einen Allradantrieb zu realisieren, bei dem beide Achsen einen eigenen Antrieb haben, daher Begriffe wie „Through-the-Road“- oder „Axle Split“- Hybrid. Volkswagen verwendet den Ausdruck „elektrische Kardanwelle“ und hat sich diesen sogar schützen lassen. Der Nutzen eines solchen Allrad-Hybrids ist allerdings nicht 1:1 mit einem mechanischen Allradantrieb vergleichbar, Grenzen setzt allein schon die Batterie: 1,1 kWh wie im ersten Peugeot Hybrid4 helfen im Gelände oder bei Schnee bergauf nicht allzu lange weiter. Was bleibt, ist also im Grunde eine Art temporäre Traktionshilfe, was ja auch nicht schlecht ist.

Was ist die Anwendung?

Die Frage ist: Welchen konkreten Nutzen will man mit P4 + Px (x für 2, 2.5 oder 3) generieren? Wenn es um relativ preisgünstige Hybridisierung mit Zusatznutzen in Form eines temporären Allradantriebs geht, ist schon eine „milde“ 48-Volt-Hinterachse hilfreich – und hinsichtlich der Mehrkosten eine Alternative zum Dieselmotor. Wenn man aber einen „erwachsenen“ Allradantrieb möchte, der mit einer klassischen, mechanischen und geländetauglichen Lösung konkurrieren kann, lässt sich ein Hochvolthybrid (mehr Volt x nicht zu viel Ampere = brauchbare Leistung) kaum vermeiden. 15 kW an der Hinterachse für ein oder zwei Minuten werden keinen passionierten Allradfahrer überzeugen – 50 oder 100 kW sollten es vielleicht schon sein.