Technik im Hybridantrieb: Elektrische Sekundärachse

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Dann allerdings kommt die nächste Frage ins Spiel, die manch hochpreisiger P4-Plug-in-Hybrid als Serienanwendung schon aufgeworfen hat. Um permanenten Allradantrieb über längere Dauer zu gewährleisten, brauche ich natürlich eine Batterie, die das ebenso permanent zulässt, das wird schwer. Man hat dann die Wahl: entweder – zum Beispiel 50 km – rein elektrisches Fahren in der Stadt, oder eine Weile Strom für die Hinterachse im Geländebetrieb, irgendwann ist aber Schluss.

Funktional hat das eine mit dem anderen eigentlich gar nichts zu tun, aber beides saugt an der Batterie. Ich habe übrigens schon einige Male den Besitzer eines E-Achsen-bewehrten Plug-in-Allrad-Hybrids (schwedisch, praktisch, eigentlich gut) wettern hören, weil der im NEFZ so sparsame Plug-in-Hybrid auf der Autobahn zum Trinker wird. Klar: 50 Kilometer rein elektrisch gefahrene Reichweite brauchen über den Daumen mindestens 10 kWh.

Schon die sind für normale Rekuperations- und Boosting-Zwecke überdimensioniert. Warum? Die E-Maschine kann noch so eifrig rekuperieren, übliche Batterien sind zu „langsam“, um die eigentlich hohen Leistungen beim elektrischen Bremsen überhaupt verdauen zu können. Dass es Hersteller „normaler“ Hybride bei 0,5 bis 1 oder 2 kWh belassen, hängt auch damit zusammen. Größere Batterien sind somit sinnvoll, um in der Stadt elektrisch fahren zu können, außerhalb aber eigentlich nicht. Manch bisheriger Plug-in-Hybrid mit elektrifizierter Hinterachse war im Grunde die Antwort auf eine falsch gestellte Frage, angeregt durch den verkorksten Messzyklus ECE R101, mit dem sich im NEFZ so trefflich der Verbrauchswert schönen lässt.

Beim Allradantrieb möchte ich als Kunde immer Kraft an der Hinterachse haben, unter allen Umständen, egal wie der Ladestand der Batterie ist. Wie geht das? Bisherige Plug-in-Hybride sind in der Regel P0/P4-Hybride, heißt also: Für die Rekuperation steht zwar potenziell die Leistungsfähigkeit von Startergenerator UND Hinterachse zur Verfügung, so weit, so gut. Das hilft aber im Allradbetrieb wenig, denn ein Startergenerator vorn (P0) bringt eine viel zu geringe Leistung auf, um einen starken E-Motor an der Hinterachse zu versorgen. Selbst bei 48-Volt-Anwendungen könnte man das Potenzial an der Hinterachse (ca. 20 bis 25 kW) nicht annähernd nutzen. Hier kommen nun wieder P2, P2.5 und P3 ins Spiel, die je nach Auslegung genauso viel leisten können wie die elektrifizierte Hinterachse. Die Kriterien für die Auswahl sind dabei weitgehend dieselben wie für Vorderradantrieb.

Konsequent weitergedacht müsste man nun folgende Rechnung aufmachen: Wenn ich Gewicht und mechanische Verluste des mechanischen Allradantriebs aus dem System nehme und stattdessen vorne Strom für hinten erzeuge – was ist effizienter? Es ist gar nicht so leicht zu beantworten, denn hier steht mechanische Reibung gegen die Verluste eines seriellen Antriebspfads, also Verbrennungsmotor-Generator-E-Motor.

Allerdings ist die realistische Analogie ohnehin eher die Betriebsart von sogenannten „Hang-on“-Allradantrieben, bei der Traktion an der Hinterachse nur kurzzeitig benötigt wird. Es ergibt also durchaus Sinn, vorne stärker als mit P0 zu e-motorisieren, denn das Argument für den Endkunden ist simpel: Du bekommst die Effizienzvorteile eines Hybrids – und bei Bedarf jederzeit Traktion an beiden Achsen, auch wenn der Ladezustand der Batterie am unteren Level ist. Bisherige P0/P4-Hybride, meist SUVs, sind dagegen ziemliche Gelände-Gockel, meist finden sie ja nicht mal den Weg dorthin.

Nur kurz angemerkt – weil nun zwei starke E-Maschinen im Spiel sind – sei eine Verschiebung der Präferenzen, was Verbrennungs- und Elektromotor angeht. Starke E-Motoren an Vorder- und Hinterachse mit ihren hohen Drehmomenten entlasten den Verbrennungsmotor, oder, um eine häufig verwendete Formulierung zu zitieren: „Der Verbrennungsmotor trägt nur noch ins Ziel, die Dynamik machen die E-Motoren“.