Wie klimafreundlich sind Elektroautos?

Eine neue Studie soll klären, ob Fahren mit Strom tatsächlich CO2-Emissionen verhindert. Das Ergebnis ist deutlich – zeigt aber trotzdem, wie sehr solche Bewertungen von Annahmen abhängen.

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Gelber Tesla mit russischer Aufschrift "Yandex Taxi"

(Bild: Mos.ru CC-BY 3.0)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sascha Mattke
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Wie hilfreich für den Klimaschutz sind Elektroautos wirklich? Über diese Frage gibt es intensive Diskussionen zwischen Freunden und Gegnern, in der Politik wie an Stammtischen. In einer neuen Studie haben Forscher zweier Fraunhofer-Institute jetzt versucht, für mehr Klarheit zu sorgen. Um zu belastbaren Ergebnissen zu kommen, legen sie andere Arbeiten und ihre eigenen verwendeten Annahmen offen und verwenden so weit wie möglich empirisch ermittelte Daten für Deutschland im Jahr 2018.

Und tatsächlich wagen sie auf dieser Grundlage deutliche Aussagen: „Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ein heute angeschafftes Elektroauto in Deutschland einen relevanten Beitrag zur Senkung der Treibhausgase über seine Nutzungszeit liefert“, heißt es im Fazit der Studie. Selbst im ungünstigsten Fall spare ein E-Auto gegenüber einem Diesel-Kleinwagen 5 Tonnen CO2-Emissionen ein, gegenüber einem Oberklasse-Benziner 23 Tonnen; relativ gesehen liege die CO2-Reduktion zwischen 28 Prozent und 42 Prozent.

Laut den Forschern sind ihre Ergebnisse „sehr robust“ – nur unter extremen Annahmen falle der Klima-Vergleich zwischen Verbrennern und Akku-Autos umgekehrt aus. Andererseits sind die von ihnen verwendeten Daten aus dem Jahr 2018 angesichts der schnellen Entwicklung bei Elektromobilität zum Teil schon wieder überholt.

So unterscheidet die Studie zwischen Fahrzeugen der Kleinwagen-, Mittel- und Oberklasse, um mit realistischen Verbrächen und Laufleistungen rechnen zu können. Als Durchschnittswert für die Batteriegröße im unteren und mittleren Segment verwenden die Forscher 30 Kilowattstunden. Zumindest in der Mittelklasse dürfte dieser Wert aber bereits in diesem Jahr nicht mehr der Realität entsprechen, denn mittlerweile haben Hyundai, Kia und Tesla Akku-Autos mit Kapazitäten von jeweils mehr als 60 Kilowattstunden auf den deutschen Markt gebracht, die sich gut verkaufen. Und weil etwa die Hälfte der Emissionen eines Elektroautos schon bei der Produktion seiner Batterien entstehen, hat dies merkliche Auswirkungen auf ihre Klimafreundlichkeit.

„Mit Daten von 2019 würde die Bilanz immer noch positiv ausfallen, aber nicht mehr ganz so deutlich“, bestätigt Martin Wietschel vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung. Auf der anderen Seite gebe es bei der Batterie-Produktion einen Trend zur Verwendung erneuerbarer Energie, was wiederum weniger CO2-Ausstoß pro Kilowattstunde Kapazität bedeutet.

Tesla etwa gibt an, seine Akku-Gigafactory bereits heute ausschließlich mit grünem Strom zu betreiben, und auch andere Produzenten gehen laut Wietschel in diese Richtung. Denn „die Kunden wissen, dass die Akku-Produktion ein kritischer Faktor ist“, erklärt Wietschel. Für ihre Studie hätten er und seine Kollegen vorerst einen Wert von 150 Kilogramm CO2 je produzierter Kilowattstunde Akku-Kapazität verwendet. Bei der Produktion gebe es noch Potenzial für kurzfristige Verbesserungen.

Trotzdem besteht hier ein hartnäckiger Zielkonflikt: Wie die neuen Angebote mit größerem Akku zeigen, ist mehr Kapazität hilfreich für die Akzeptanz von Elektroautos – aber eben tendenziell schlecht für die Klimabilanz. „Man sollte vorsichtig sein mit hohen Kapazitäten“, sagt deshalb Wietschel.

Die zweite große Variable bei der Klimafreundlichkeit von Elektroautos ist die Herkunft des Stroms für ihren Betrieb – hier sind nicht mehr die Verhältnisse am Ort der Akku-Produktion entscheidend, sondern die im Land der Nutzung. Und während bei der Produktion der Akkus nicht immer klar ist, welchen Strom-Mix die Hersteller verwenden, hängt die CO2-Belastung durch das Aufladen von vielen Variablen ab.

So fallen bei Strom aus Braunkohle deutlich höhere Emissionen pro Kilowattstunde an als bei Wind- oder Solarenergie. Darüber hinaus kann man lange darüber diskutieren, welchen Strom man welcher Nutzungsart zuschlägt. Verwendet man hier den deutschen Strom-Mix für ein bestimmtes Jahr, berücksichtigt das nicht, dass Elektroautos laut Umfragen nicht gleichmäßig über den Tag verteilt geladen werden, sondern vor allem morgens (nach dem Eintreffen am Arbeitsplatz) und abends (nach der Rückkehr nach Hause). Je nach Tageszeit aber sieht der Strom-Mix eher unterschiedlich aus.

Die Fraunhofer-Forscher verwenden nach einer eingehenden Diskussion dieser Problematik einen Wert von durchschnittlich 299 Gramm CO2 je produzierter Kilowattstunde, in dem die konkreten Lade-Zeitpunkte für E-Autos berücksichtigt sind. Außerdem steht dahinter die nicht unwichtige Annahme, dass die CO2-Reduktionsziele der Bundesregierung für die Energiewirtschaft bis 2030 erreicht werden – mit einer linearen Abwärtsentwicklung der Emissionen ausgehend von 537 Gramm CO2 pro Kilowattstunde in 2017. Andere Studien dagegen gehen, wie Wietschel und Kollegen kritisieren, von dauerhaft gleichbleibenden Emissionen je Kilowattstunde aus.

Die Größe der Akkus, die Energie für deren Produktion, die Herkunft des Stroms zum Aufladen heute und in vielen Jahren – all das (und noch mehr) spielt also in die Bewertung der relativen Klimafreundlichkeit von batterieelektrischen Autos mit hinein. Obendrein merken die Autoren der Studie fast nebenbei an, dass in einem Szenario mit rein erneuerbarer Stromproduktion im Jahr 2030 nicht etwa Batterie-Autos die Klima-Nase vorn haben würden, sondern Verbrenner, die mit synthetisch erzeigten Kraftstoffen betrieben werden. Neuer Stoff für Diskussionen.

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(sma)