Stehender Verkehr

Bundeskabinett beschließt Regeln für E-Tretroller

Unter dem Druck von Fahrverboten und Verkehrsüberlastung will die Bundesregierung nun die elektrische Mikromobilität erlauben. Sie soll helfen, eine urbane Verkehrswende zu beschleunigen. Ohne Regulierung will sie das allerdings nicht tun

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  • dpa

Unter dem Druck von Fahrverboten und Verkehrsüberlastung will die Bundesregierung nun die elektrische Mikromobilität erlauben. Sie soll helfen, eine urbane Verkehrswende zu beschleunigen. Ohne Regulierung will sie das allerdings nicht tun, schließlich sind Sicherheit und Haftung sensible Fragen angesichts neuer Risiken durch die E-Scooter.

Das Bundeskabinett beschloss am Mittwochabend (3. April 2019) eine Verordnung mit Regeln für den Einsatz von Tretrollern mit Elektromotor. Bevor sie in Kraft treten kann, muss ihr der Bundesrat zustimmen – voraussichtlich am 17. Mai.

Weil sie einen Motor haben, gelten die Mikromobile als Kfz. Die amtsgenau als „Elektrokleinstfahrzeuge“ bezeichneten Roller müssen eine Reihe von Vorschriften erfüllen. So dürfen sie nicht schneller fahren als 20 km/h, müssen eine Lenk- oder Haltestange haben und dürfen höchstens 70 Zentimeter breit sein, 1,40 Meter hoch und zwei Meter lang. Ohne Fahrer müssen sie unter 55 kg wiegen.

Pflicht sind zwei unabhängig voneinander wirkende Bremsen und eine Beleuchtung, die abnehmbar sein darf. Vorgeschrieben werden seitliche Reflektoren und mindestens eine „helltönende Glocke“. Steuer-Elemente für den Motor wie Drehgriffe und Knöpfe müssen beim Loslassen binnen einer Sekunde in Nullstellung zurückkehren. Die Standflächen für die Füße müssen rutschfest sein.

Ohne Führerschein und Helmpflicht

E-Roller, die weniger als 12 km/h schaffen, sollen schon für Jugendliche ab 12 Jahren erlaubt sein – schnellere Gefährte dann ab dem vollendeten 14. Lebensjahr. Eine Mofa-Prüfbescheinigung oder eine Helmpflicht sind nicht vorgesehen. Vorgeschrieben werden sollen aber eine Haftpflichtversicherung samt Versicherungsaufkleber mit Anti-Fälschungs-Hologramm hinten am Fahrzeug.

Bei weniger als 12 km/h dürfen die Gefährte innerorts nur Gehwege und gemeinsame Geh- und Radwege benutzen. Sind die nicht vorhanden, ist auch die Fahrbahn erlaubt – aber nicht außerhalb geschlossener Orte. Sind E-Roller schneller als 12 km/h, gehören sie auf Radwege und Radfahrstreifen. Fehlen sie, darf es innerorts und außerorts auch die Fahrbahn sein. Auf Gehwegen gilt: Fußgänger haben klar Vorrang und dürfen „weder behindert noch gefährdet“ werden. Dort und in Fußgängerzonen ist auch nur Schritttempo zulässig.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sieht in E-Rollern „enormes Zukunftspotenzial“. Die deutsche Verordnung hat er im Vorfeld bereits mit der EU abgestimmt. Zusammen mit dem öffentlichen Nahverkehr seien die E-Scooter „eine echte zusätzliche Alternative zum Auto“. Per E-Scooter könnte es etwa für staugeplagte Großstädter von der S-Bahn oder Bushaltestelle weiter nach Hause oder zur Arbeit gehen.

Auch der Autofahrerclub ADAC erwartet, dass E-Tretroller auf der sogenannten „Last Mile“ eine attraktive Alternative zum Pkw sein könnten. Damit könnten sie einen Beitrag für saubere Luft in den Städten leisten. Auch wirtschaftlich dürfte sich ein neues Geschäftsfeld auftun. Verleih-Anbieter stehen schon in den Startlöchern.

Neues Konfliktpotenzial

Die ganz neuen Verkehrsteilnehmer schaffen neues Konfliktpotenzial. Ein Problem könnte die Gehweg-Pflicht für langsamere E-Roller sein. „Wir befürchten eine weitere Zuspitzung der bereits seit längerem hitzigen Lage im innerstädtischen Straßenverkehr“, sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow. Die Polizei sei außer Stande, auch rollenden E-Verkehr auf Bürgersteigen zu moderieren und zu kontrollieren. Der ADAC forderte, Auswirkungen auf den Fußverkehr genau zu dokumentieren. Nötig sei dafür eine wissenschaftliche Begleitung.

Auch Roland Stimpel vom Fachverband Fußverkehr Deutschland befürchtet eine wachsende Unfallgefahr auf Gehwegen. Der Präsident der Deutschen Verkehrswacht, Kurt Bodewig, mahnte: „Wir dürfen einen aggressiven Nutzungskonflikt gegen Fußgänger in den Innenstädten nicht zulassen.“ Bremens Verkehrssenator Joachim Lohse (Grüne) will bei der Konferenz mit seinen Länderkollegen an diesem Freitag einen Vorschlag zur Abstimmung stellen, der die Freigabe für Gehwege ablehnt. Jugendliche ab 12 hätten meist nicht genug Straßenverkehrserfahrung, um die oft komplexen Situationen auf Gehwegen mit E-Rollern zu beherrschen.

Der Bundesrat könnte noch Änderungen an der Verordnung verlangen, bevor sie möglichst noch im Frühjahr in Kraft treten soll. Daneben bereitet die Bundesregierung Regelungen für andere E-Gefährte ohne Lenkstange vor – das sind Hoverboards oder Skateboards mit Elektromotor. Hier plant Minister Scheuer eine Ausnahmeverordnung. An den Details wird noch gearbeitet. (fpi)