Dasselbe in blau

Sondermodell BMW R nineT /5

Der Motorradsommer des Jahres 1969 war sehr spannend. Hondas starke CB 750 Four mischte den Markt auf. Die europäischen Hersteller setzten ihr Antworten entgegen. Die von BMW hieß R 75/5 und brach mit einigen Traditionen des Münchner Herstellers

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Von
  • Clemens Gleich

Ein neues Motorrad-Sondermodell. Es leuchtet blau. Das Motorrad heißt „BMW R nineT /5“, ein Sondermodell der Ninette, das 50 Jahre R 75/5 feiert und 50 Jahre BMW-Werk in Berlin gleich mit, denn sie war das erste Motorrad, das komplett dort gefertigt wurde. In München baute man ab diesem Zeitpunkt nur noch Autos. Eigentlich fahre ich solche Sondermodelle nicht, weil sich der Erkenntnisgewinn gegenüber den Basismodellen in zu engen Grenzen hält, doch diesmal passte es ganz gut, weil die Ausfahrt nicht so weit weg war, ich sowieso noch etwas von BMW abholen musste und ich nach den vielen Autothemen der letzten Zeit schlicht und einfach Lust hatte, mal wieder mit ein paar Kollegen Motorrad zu fahren.

Die R nineT läuft bei BMW unter dem Label „Heritage“. Wer sie kennt, weiß aber: Unter dem ganzen schicken Design-Zeug steckt ein richtig guter Allrounder, den vor allem Boxerfreunde lieben können. Wo die neueren Boxer-Modelle mit ihrer gegenläufig drehenden Kupplung das Kippmoment um die Längsachse deutlich reduziert haben, vollführt die Ninette bei steileren Drehzahlamplituden den typischen Hüftknicks, der BMWs große Boxer seit jeher prägt. Die nineT hat nur einen Gasgriffmodus. Sie hat einen simplen Tacho mit Zeigern. Sie fährt gut. Sie ist das Kumpel-Bigbike, das du brauchst mit der Liebe zum teuren Detail, die du willst. Und die /5 als Vorbild passt da gut ins Konzept.

Summer of ‘69

1969 war ein spannendes Jahr für Motorradfahrer. Die Honda CB 750 Four legte einen neuen Maßstab mit damals sensationellen 67 PS. Der bekannte Motorradredakteur Klacks beschrieb die Leistungsklasse in seinem Artikel für „Das Motorrad“ ehrfürchtig: „Die Bereiche, in denen man sich mit diesem Motorrad bewegt, sind einige Grade höher als alles, was man sonst auf zwei Rädern bewegt.“ Diesem Meilenstein stellte Europa einige Antworten entgegen, alles deutliche Modernisierungen vorheriger Modelle. Keine dieser Antworten erreichte jedoch die Leistung des japanischen Reihenvierzylinders.

So auch die BMW R75/5. Mit ihr bot BMW eine bayrische Alternative zum schnellen Honda-Bigbike an. Endlich eine Telegabel! Endlich ein passender Rahmen! Klacks war recht angetan von der neuen BMW, deren gute Nordschleifen-Zeiten er im Chassis begründete: „Das Fahrwerk ist bestimmt schneller als der Motor, mehr Leistung wäre durchaus zu verkraften.“ Sie war damit der Gegenentwurf zur Kawasaki 500 H1, die laut Motorrad als „Wackelpudding erster Güte“ mit mehr Motor als Fahrwerk geliefert wurde.

Zwar sah die BMW neben der kessen Honda immer noch etwas biederer aus, doch brachte BMW mit ihr eine weitere wichtige Neuerung in das Lineup: Farben. Erstmals konnte der Kunde eine bunte BMW bestellen. Vorher gab es nur schwarzen Lack. Beliebt war silber mit blau, besonders schön fand BMW selbst wohl den blauen Metallic-Lack. Den zitieren sie im nineT-Sondermodell mit einem Metalliclack, der wie alle Lacke der nineT-Reihe zu den Highlights des Modells gehört.

Eine Galaxie im Tank

Wer ein Motorrad vorbeifahren sieht, erkennt grob die Farben. Doch der Besitzer, der direkt darauf sitzt, freut sich an jeder Ampel an Lackqualität, Finish und der Farbzusammensetzung an sich. Von Ferne ist eine Standard-Ninette einfach schwarz. Im Sattel fällt bei Sonnenschein auf, dass der Lack mit kleinen Metall-Sternchen glänzt wie ein Blick ins Weltall. Und genau so wirkt auch dieses neue Blau. Hart an der Grenze zum Kaugummi-Kitsch, aber gekonnt nicht darüber hinaus schaut dieses Motorrad in jeder Entfernung bei jedem Licht auf andere Weise toll aus.

Ich dachte, das Motorrad fährt exakt wie die R nineT Pure, von der es abstammt. Tut sie letztlich jedoch nicht ganz. Die neue, dickere Sitzbank fühlt sich komplett anders an, und ich behaupte: Praktisch jeder BMW-Kunde würde sie komfortabler und langstreckentauglicher finden. Ihr Polster sitzt sich nicht platt, sondern stützt ideal, und es zieht sich über die gesamte Bank, sodass ein Beifahrer denselben Komfort genießt. Die neue /5 kommt also – ja – als schickes Design-Sondermodell daher, wird aber Käufer auch mit ihren Allrounder-Qualitäten im langen Alpenurlaub erfreuen: drehmomentstarker Motor, kein Kette schmieren, komfortable Ergonomie. Nachdem das so gut funktioniert, hätte sich BMW ruhig noch mehr Scheiben vom Vorbild abschneiden können: Die R75/5 damals hatte ein optionales Koffersystem und eine sozialverträgliche Lautstärke. (cgl)