Kritik am Autogipfel: Eine Million Ladepunkte reichen nicht für Verkehrswende

Verbände sehen jüngste Ziele der Bundesregierung für die E-Mobilität skeptisch. Der eigene Pkw als Standard müsse infrage gestellt werden, fordert der VCD.

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Kritik am Autogipfel: Eine Million Ladepunkte reichen nicht für die Verkehrswende

(Bild: guteksk7/Shutterstock.com)

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Der "Masterplan", mit dem die Bundesregierung hierzulande bis 2030 insgesamt eine Million Ladepunkte für Elektrofahrzeuge verfügbar machen will, überzeugt einige Experten und Branchenvertreter nicht. Die Initiative sei "besonders fehlgeleitet", erklärte etwa der ökologisch ausgerichtete Verkehrsclub Deutschland (VCD) vor dem Autogipfel, zu dem am Montagabend Politiker und Vertreter der Industrie im Kanzleramt in Berlin zusammenkommen wollen. Für den "vollkommen überdimensionierten Ausbau der Ladeinfrastruktur" müssten Milliardensummen investiert werden, "zum großen Teil auf Kosten der Steuerzahler".

Die Energiebranche rechne bis 2030 nur mit einem Bedarf von 350.000 Ladepunkten, führte der VCD aus. Bei dem Vorhaben aus dem Klimaschutzpaket des Kabinetts, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende noch einmal in den Vordergrund rückte, handle es sich so um "reine Symbolpolitik". Nachdem die Regierung bereits dabei versagen werde, bis 2020 eine Million Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen, folge so "das nächste zum Scheitern verurteilte Ziel".

Dringend nötig wäre nach Ansicht des Clubs stattdessen "eine kluge und überlegte Planung, die die eigenen Klimaziele ernst nimmt". Das E-Auto allein sorge aber generell noch nicht für die Verkehrswende, könne höchstens dank emissionsfreiem Antrieb "Teil der Lösung" sein. Prinzipiell dürfe aber "der eigene Pkw als Standard" in einer zukunftsgewandten Verkehrspolitik "keinen Platz" mehr haben. Nötig seien "ein attraktives Bus- und Bahnangebot – auch auf dem Land – sowie mehr gut ausgebaute, sichere Radwege". Das E-Auto ergebe "vor allem in geteilten und digital vernetzten Mobilitätsangeboten Sinn".

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßten grundsätzlich Maßnahmen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur. Die Energiebranche sei hier aber bereits "in Vorleistung gegangen". Über 20.600 öffentliche Ladepunkte existierten bereits und "decken den aktuellen Bedarf". Viele weitere würden "in Erwartung eines Markthochlaufs gerade errichtet oder geplant". Allein innerhalb eines Jahres sei es gelungen, die Anzahl der Stromzapfstellen um über 50 Prozent zu steigern.

"Als ersten Schritt sollte die Bundesregierung nun Tempo machen und endlich das Miet- und Wohnungseigentumsrecht anpassen, damit der Einbau privater Ladeinfrastruktur in Mehrfamilienhäusern erleichtert wird", forderte BDEW-Chefin Kerstin Andreae. Ihre VKU-Kollegin Katherina Reiche versicherte, die Energiewirtschaft werde sich "konstruktiv in die Arbeit der geplanten 'Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur' miteinbringen, die das Bundesverkehrsministerium noch in diesem Jahr gründen will". Um die E-Mobilität zur Erfolgsgeschichte zu machen, bedürfe "es einer gemeinsamen Kraftanstrengung" von Politik sowie Energie- und Automobilindustrie.

Die große Koalition hatte sich zunächst vorgenommen, bis 2020 "mindestens 100.000 Ladepunkte" für Stromfahrzeuge zusätzlich nutzbar zu machen. Von dieser Marke ist sie aber weit entfernt. Beim Gipfel heute soll es ebenfalls um neue Subventionen für die E-Mobilität gehen.

Mit der Digitalisierung müsse sich auch das Auto wandeln, betonte der Präsident des IT-Verbands Bitkom, Achim Berg, vor dem Treffen. Über die Zukunft der Automobilbranche entscheide aber nicht nur die Antriebsart Elektromotor.

"Wir brauchen intelligente, vernetzte Fahrzeuge, die Staus vermeiden und insbesondere die schwächsten Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Radfahrer vor Unfällen schützen" verlangte Berg. Um aus Autobauern Mobilitätsanbieter zu machen, seien "eine rasche und konsequente Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur sowie das Bereitstellen vorhandener Daten über Verkehrsströme" nötig. Die Zukunft der Mobilität liege "in der Vernetzung verschiedener Verkehrsträger". Auch fürs autonome Fahren brauche Deutschland "die weltweit besten Rahmenbedingungen". (olb)