Verbraunkohlt

Als "große Fehlkalkulation" bezeichnet das Kieler Institut für Weltwirtschaft den Gedanken, dass Elektroautos dem Klima nützen. Wir haben nachkalkuliert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 9 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die Frage, wie umweltfreundlich Elektroautos tatsächlich sind, ist eine komplizierte. Erfreulicherweise gibt es genügend seriöse und differenzierte Antworten darauf – zum Beispiel vom Umweltbundesamt oder der NGO Transport & Environment.

Eines darf jedoch nach zahlreichen Studien als gesichert gelten: Die CO2-Emissionen von E-Autos sind niedriger als die eines Verbrenners – selbst wenn man sie mit dem deutschen Strommix lädt und die Energie zur Produktion der Batterien einbezieht.

Entsprechend befremdlich wirkt es, wenn ein Wirtschaftsforschungsinstitut nun auf einmal unter dem Titel "Die große Fehlkalkulation" meldet, Elektroautos führten zu "73 Prozent höheren Treibhausgasemissionen als moderne Diesel-PKWs". Es sei "umweltschonender, erneuerbare Energien zur Reduzierung der Verstromung von Kohle zu nutzen als damit Elektroautos zu betanken", so der Verhaltensökonom Ulrich Schmidt vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel.

Das Fraunhofer ISI hat sich die Studie genauer angeschaut. Ein Befund: Die zugrunde gelegten Zahlen für die CO2-Emissionen der verschiedenen Antriebsarten wurden offenbar ziemlich willkürlich aus verschiedenen Quellen zusammengesucht. Rosinenpickerei nennt man sowas wohl. Das ISI formuliert es vornehmer: "Da unterschiedliche Studien i.d.R. unterschiedliche methodische Vorgehensweisen und Bilanzraumabgrenzungen vornehmen, empfiehlt es sich, bei einem derartigen Vergleich aus Konsistenzgründen bei einer Quelle zu bleiben."

Auch andere Annahmen der Studie sind seltsam. Sie geht zum einen davon aus, dass ein zunehmender Strombedarf für E-Autos ausschließlich fossil gedeckt werden wird. Das ist schon einmal deshalb fragwürdig, weil die Anschaffung eines E-Autos oft mit der Installation einer Solaranlage einhergeht, die Fahrzeuge also ihre eigene Energieversorgung antriggern (so wie bei meiner Kollegin Jo Schilling). Zweitens unterstellt die Studie offenbar, dass diese fossilen Brennstoffe ausschließlich aus Braunkohle bestehen – anders sind die hohen angesetzten Werte von 300 g CO2/km für E-Autos kaum zu erklären.

Das aber ist unrealistisch, weil gerade Braunkohlekraftwerke träge reagieren und sich schlecht zur Deckung von Nachfragespitzen eignen. Wahrscheinlich werden etwaige Stromlücken vor allem durch Gaskraftwerke gedeckt, die noch reichlich freie Kapazität haben. Das ist aus Klimasicht auch nicht ideal, aber rein quantitativ schon ein ganz anderer Schnack: Gaskraftwerke stoßen nur rund ein Drittel so viel CO2 aus. Mit anderen Worten: Selbst, wenn die gestiegene Stromnachfrage durch E-Autos ausschließlich fossil gedeckt würde, wären sie immer noch klimafreundlicher unterwegs als die Verbrenner.

Doch unabhängig von der Zuverlässigkeit der Berechnung nennt die Kieler Studie ein Argument, was nicht von der Hand zu weisen ist: Bei jeder verfügbaren Kilowattstunde an sauberem Strom sollte darauf geachtet werden, dass sie möglichst viel fossile Verbrennung verdrängt – ob auf der Straße, im Stromnetz oder der Hausheizung. Ceterum Censeo: Dass dies nebenbei ein Killerargument für viele Power-to-X-Gedankenspiele ist, darauf habe ich ja schon oft genug hingewiesen.

(grh)