Kommentar: Scheuer fordert mehr E-Autos von den Herstellern

Andreas Scheuer, bisher eher kein Trommler für alternative Antriebe, fordert von der Industrie nun genau das.

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Andreas Scheuer

(Bild: VW)

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Der aktuelle Bundesverkehrsminister tritt gern mit markigen Aussagen in den Vordergrund. Ob nun die Debatte um "Asylurlauber" oder "Fußballspielende, ministrierende Senegalesen, die du nie wieder abschieben wirst" – Resonanz ist Andreas Scheuer (CSU) sicher. Das kann auch schon mal nach hinten losgehen, sein erstes Bahnkrisen-Treffen endete mit einem sichtlich gestauchten Minister. Nun bekommt die Autoindustrie eine heftige Watschn, wie man in Bayern sagt. Sie möge doch bitte endlich ausreichend E-Autos und Hybride auf die Straße bringen.

Der ein oder andere wird sich verwundert die Augen reiben, denn als Trommler für alternative Antriebe ist Herr Scheuer bislang eher nicht aufgetreten. Es mag in Zeiten abnehmender Aufmerksamkeitsspannen fast schon wieder in Vergessenheit geraten sein, doch der Bundesverkehrsminister pries erst in der vergangenen Woche – unterstützt von Parteichef Markus Söder – die "modernen Verbrenner, die einen Beitrag zum Umweltschutz liefern" würden.

Nun kritisiert Scheuer die Lieferprobleme der Autoindustrie bei Elektroautos heftig. "Alles, was ins Stocken gerät, ärgert mich seit langem", sagte der CSU-Politiker der dpa, um gleich wieder ein Stück zurückzurudern. "Aber in der Zeit der Pandemie sind Schuldzuweisungen nicht angebracht." Die Politik habe "kraftvolle Entscheidungen" getroffen, sagte Scheuer mit Blick auf den deutlich erhöhten, staatlichen Anteil der Kaufprämie von bis zu 6000 Euro für ein Elektroauto.

"Jetzt ist das Verkaufsvolumen für alternative Antriebe nicht da, speziell Elektroautos", sagte Scheuer. "Das müssen wir auflösen. Die Hersteller müssen es möglich machen, dass wir überhaupt Elektroautos kaufen können, nicht nur in kleineren Produktvolumina. Und nicht nur die vollelektronische Variante, sondern auch den Hybrid." Das klingt schon recht energisch, was es wohl auch soll. Dabei dürfte auch dem Bundesverkehrsminister nicht entgangen sein, dass sich Prozesse in der Industrie nicht mal eben so beschleunigen lassen.

Bei aller berechtigten Kritik an den Autokonzernen: Sie sind, gerade im Bereich der E-Mobilität, auf ein gewisses Maß an Planbarkeit der Rahmenbedingungen angewiesen. Denn zumindest aktuell ist man bei den Batteriezellen von Lieferanten abhängig, die ihrerseits nicht so ohne weiteres die Produktion beschleunigen können. Meine These ist, dass sie von den massiv angehobenen Fördersätzen und der somit stark angestiegenen Nachfrage kalt erwischt wurden.

Skoda und Seat haben dem Ansturm einfach die Tür vor der Nase zugeschlagen: Citigo e iV und Mii electric, die nach Abzug der Prämie schon für rund 11.000 Euro gehandelt werden, sind seit einigen Wochen vorerst nicht mehr zu bestellen. Bei VW kann der e-Up noch geordert werden, die Lieferzeiten liegen teilweise jedoch bei mehr als einem Jahr. Die Ungleichbehandlung innerhalb des Konzerns liegt auch in der Vergabe von Kontingenten in der Produktion.

Volkswagen ist dabei nicht der einzige Anbieter, der förmlich überrannt wurde: Mercedes hat im Juni innerhalb von zwei Wochen 15.000 Bestellungen für den A 250e eingesammelt. Kein Wunder, mit den Prämien von Steuerzahler und Hersteller war die Hybrid-A-Klasse für Mercedes-Verhältnisse geradezu sensationell günstig. Flankiert wurde das auch noch von besonderen Leasing-Konditionen. Die einzige "Rettung" war auch hier ein vorübergehender Bestellstopp. Im Mercedes GLC kostet der Plug-in-Hybrid mit immerhin 235 kW inklusive Förderung so viel wie ein GLC 200 mit insgesamt 155 kW. Da muss das Angebot des Händlers für den Benziner schon verflixt gut sein, zumal beim Hybrid in der Folge ja noch die reduzierte Versteuerung auf die private Nutzung von Dienstwagen lockt.

Herr Scheuer und seine CSU wollen eine Kaufprämie auch für Autos mit Verbrennungsmotor, haben sich damit in der Koalition aber nicht durchsetzen können. Bei einem "Autogipfel" hatten Politik und Wirtschaft beschlossen, bis November die Einrichtung eines Transformationsfonds für Zulieferer zu prüfen. Es werde weiter Thema bleiben, wie der Automobilwirtschaft geholfen werden könne, sagte Scheuer.

Es gebe verschiedene Vorschläge. "Wir wollen die neuen Fahrzeuge, die effizienter und sauberer sind, auf die Straße bringen. Alles – egal welcher Antrieb –, was neu auf die Straße kommt, ist effizienter und sauberer." Dass diese Rechnung stets aufgeht, darf zumindest zart bezweifelt werden. Denn der Trend, beim Neukauf das alte Auto durch ein größeres und stärkeres Modell zu ersetzen, hält ja nach wie vor an. Auch das führt dazu, dass der Verkehrssektor in den vergangenen Jahren kaum zur CO2-Einsparung beigetragen hat. Hinzu kommt: Bis ein sparsamerer Verbrenner gegenüber einem alten Auto seinen Vorteil in der Gesamtbilanz ausspielen kann, vergehen etliche zehntausend Kilometer. Denn auch er muss ja zunächst mal produziert werden.

Das ist dem aktuellen Bundesverkehrsminister natürlich vollumfänglich bewusst. Was die Frage aufwirft, wen genau seine kernige Botschaft treffen soll? Die Autoindustrie wird es vermutlich eher nicht sein, denn Andreas Scheuer sieht seinen aktuellen Job eher als Bundesautominister. Das passt zwar nicht hundertprozentig zum Zeitgeist, liefert aber wenigstens hin und wieder große Überschriften, die kaum noch jemand hinterfragt. Dass der Anspruch an die höchsten Stellen der Politik ein anderer sein sollte, gerät dabei leider etwas unter die Räder.

(mfz)